# taz.de -- Kolumne Down: Ein Sternchen für die Karmaliste
       
       > Prima PR-Maßnahme: Fashionlabels schicken neuerdings Models mit Handicaps
       > über den Laufsteg. Und lassen sich dafür ordentlich feiern.
       
 (IMG) Bild: Schickes Kleid: Chantelle Brown-Young arbeitet neuerdings für das Modelabel Desigual
       
       Jetzt gibt es also ein Laufstegmodel mit geistiger Behinderung. Jamie
       Brewer ist die erste Person mit Downsyndrom, die kürzlich auf der New
       Yorker Fashion Week über den Laufsteg spazierte. Die 30-jährige
       US-Amerikanerin wurde von der Designerin Carrie Hammer engagiert, um ein
       Kleid aus ihrer Kollektion zu präsentierten.
       
       Der Auftritt der Schauspielerin („American Horror Story“) wurde
       international gelobt, die Designerin kann sich ein Sternchen in ihre
       Karmaliste eintragen, und bekam für ihre soziale Tat maximale PR.
       
       Auch Querschnittsgelähmte, ein beinamputiertes Model und Chantelle
       Brown-Young präsentierten auf den New Yorker Laufstegen die zukünftigen
       Trends. Vor allem das Gesicht der 20-jährigen Brown-Young ist ein
       Hingucker: Ihr Körper ist übersät mit weißen Flecken, die sich auf ihrer
       dunklen Haut großflächig abzeichnen. Vitiligo wird die Pigmentstörung
       genannt.
       
       Und auch wenn es unangenehm ist, dies zu sagen, es ist klar, dass die
       US-Amerikanerin nur wegen ihrer Andersartigkeit für das spanische
       Mode-Label Desigual die Fashion Week eröffnen durfte, und nur wegen ihres
       außergewöhnlichen Teints sogar einen Werbedeal mit dem italienischen
       Jeans-Giganten Diesel abgeschlossen hat. Das Engagement der gehandicapten
       Models soll angeblich zeigen, dass echte Schönheit keine Makel kennt. Die
       Firmen wurden für ihre Sozialabgaben gefeiert, nun kennen auch Modemuffel
       den Namen Hammer.
       
       Ich bin zutiefst beeindruckt von dieser Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für
       Menschen mit Handicap. Mein Zynismus darf nicht falsch verstanden werden:
       Natürlich gönne ich den Models ihre Jobs, aber es bleibt ein Geschmäckle.
       Werden die Damen und Herren nicht ausschließlich wegen ihrer Behinderung
       ausgestellt? Brewer trägt definitiv nicht Kleidergröße 32, und Brown-Young
       ist schwarz.
       
       Frauen wie sie sind auf den Laufstegen dieser Welt eigentlich nicht
       vorgesehen. Gelegentlich werden Damen mit der Kleidergröße 38 als
       „Plus-Size-Model“ gefeiert, die wenigen schwarzen Models klagen über
       Rassismus in einer weißen Branche.
       
       ## Das mitleidige Lächeln der Anna Wintour
       
       Man muss sich nicht vormachen, dass ihr Einsatz auch nur annähernd etwas
       mit Inklusion zu tun hätte. Jedenfalls kann ich mir US-Vogue-Chefin Anna
       Wintour nicht in der ersten Reihe vorstellen, ohne dass ihr der Ansatz
       eines mitleidigen Lächelns über das Gesicht huscht, wenn ein
       Rollstuhlfahrer an ihr vorbeifährt.
       
       Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie Brewer eine Kreation der Britin
       Victoria Beckham zeigt, ohne dass sich das Publikum für diesen PR-Gag zu
       Beifall gezwungen sieht. Der in New York hochgehaltene „Hey, wir sind ja so
       gleichberechtigt“-Quatsch ist reine Show.
       
       Normal wäre es, wenn wir nicht die Krankheiten von Brewer und Brown-Young
       registrieren würden, sondern lediglich die Kleidung bemerken würden, die
       sie präsentieren. Normal wäre es, wenn wir in ihnen keine außergewöhnlichen
       sondern ganz gewöhnliche Menschen sehen würden. Die behinderten Models sind
       der gelungene Werbe-Schachzug einer Industrie, bei der Aufmerksamkeit das
       wichtigste Gut ist – mehr nicht.
       
       4 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cigdem Akyol
       
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