# taz.de -- Kolumne Besser: Antisemitismus? Ist abgeschafft
       
       > Jutta Ditfurth gegen Jürgen Elsässer und der Brandanschlag auf die
       > Synagoge in Wuppertal – über zwei bemerkenswerte Urteile deutscher
       > Gerichte.
       
 (IMG) Bild: Jutta Ditfurth will gegen das Urteil des Münchner Landgerichts in Berufung gehen.
       
       Der Antisemitismus ist in Deutschland abgeschafft. Nee, echt jetzt. Denn
       das behauptet nicht irgendwer, das verkünden zwei Urteile deutscher
       Gerichte aus der jüngeren Vergangenheit. In einem Fall hatte der Journalist
       und Politaktivist Jürgen Elsässer gegen die Publizistin und ehemalige
       Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth geklagt, weil sie ihn in einem Interview
       mit der [1][Sendung „Kulturzeit“ auf 3sat] als „glühenden Antisemiten“
       bezeichnet hatte. Anlass waren die [2][„Mahnwachen für den Frieden“], bei
       denen Elsässer, ein Wortführer der deutschen Internetspinner, als Redner
       aufgetreten war.
       
       Das Münchner Landgericht hat Elsässers Klage recht gegeben. Schon am Ende
       der Hauptverhandlung im Oktober sagte die Richterin Petra Grönke-Müller:
       „Ein glühender Antisemit in Deutschland ist jemand, der mit Überzeugung
       sich antisemitisch äußert, mit einer Überzeugung, die das Dritte Reich
       nicht verurteilt und ist nicht losgelöst von 1933 bis 45 zu betrachten vor
       dem Hintergrund der Geschichte.“
       
       Ähnlich heißt es in der [3][Urteilsbegründung]: „In dieser Bezeichnung
       kommt zum Ausdruck, dass derjenige die Überzeugungen teilt, die zu der
       Ermordung von 6 Millionen Juden unter der nationalsozialistischen
       Schreckensherrschaft geführt haben, und die Menschen alleine aufgrund ihrer
       Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft angreifen und für die Übel in
       der Welt verantwortlich machen.“
       
       Gemessen an dieser Definition wurde der letzte Antisemit [4][um 1960 in
       Jerusalem gesichtet]. Denn so blöd, den Antisemitismus oder gar den
       Holocaust gutzuheißen, ist niemand; der beinharte Neonazi nicht – der
       verleugnet den Holocaust nämlich –, und der gewöhnliche Antisemit der
       Gegenwart auch nicht – der verurteilt den Holocaust, um sogleich zu
       erklären, die Israelis seien die Nazis von heute.
       
       ## Ehrbarkeit des Antisemitismus
       
       Die Zeiten, in denen Antisemit eine normale politische Selbstbezeichnung
       war wie Liberaler oder Sozialdemokrat, sind seit Auschwitz vorbei. Der
       moderne Antisemitismus hält sich an den Staat Israel, der den Platz des
       „Weltjudentums“ eingenommen hat, und argumentiert nicht trotz, sondern
       wegen Auschwitz.
       
       „Der Antisemitismus ist ein politischer Ausdruck der Rechten, und dennoch
       ist die Linke nicht frei davon“, schrieb Jürgen Elsässer 1992 in seinem
       Buch Antisemitismus – das alte Gesicht des neuen Deutschland.
       
       Und weiter: „Als nach der Wende der bundesdeutschen Politik 1965/66 der
       Anti-Israelismus in der offiziellen Sprache keine Stütze mehr hatte, wurde
       der ‚linke‘ Antizionismus zum wichtigsten Statthalter im gesellschaftlichen
       Diskurs. Demagogien wie die von der ‚Endlösung der Palästinenserfrage‘ oder
       den israelischen ‚Konzentrationslagern‘ oder Jubel über tödliche Anschläge
       palästinensischer Kommandos erhielten durch die Linkspresse eine
       ‚Ehrbarkeit‘ (Amery), die sie ansonsten verloren hatten. Ein tragischer
       Widerspruch: Oft waren es dieselben Linken, die sich einerseits in
       bewundernswerter Kontinuität den Auftritten von Nazi-Gruppen
       entgegenstellten, und andererseits in ihren antizionistischen Tiraden deren
       Inhalte selber verbreiteten.“
       
       Man kann sich vorstellen, was der Elsässer des Jahres 1992 über den
       Elsässer des Jahres 2015, den Verschwörungstheoretiker und
       Querfrontstrategen, gedacht und geschrieben hätte.
       
       Ditfurth hat auf ihrer [5][Webseite zahlreiche Belege dafür gesammelt],
       weshalb sie glaubt, Elsässer, der zuletzt als Redner bei der
       [6][rechtsextremen „Legida“-Demonstration] aufgefallen war, so bezeichnen
       zu können, wie sie ihn bezeichnet hat. Um in die kostspielige Berufung
       gehen zu können, bittet sie um Spenden.
       
       ## Brandstiftung ohne Antisemitismus
       
       Das andere bemerkenswerte Urteil stammt vom Amtsgericht Wuppertal, das
       Anfang Februar drei Deutschpalästinenser wegen eines Brandanschlags auf die
       dortige Synagoge zu Bewährungsstrafen verurteilte – ohne [7][„Anhaltspunkte
       für eine antisemitische Tat“ zu erkennen]. Die drei hätten nur die
       „Aufmerksamkeit auf den Gaza-Konflikt lenken wollen“. Klar. Und die Mörder
       im [8][jüdischen Supermarkt in Paris] und der [9][Synagoge in Kopenhagen]
       wollten lediglich die Aufmerksamkeit auf die [10][Aggression gegen den
       souveränen Kalifatstaat], die Islamophobie in Westeuropa das langweilige
       Fernsehprogramm lenken.
       
       Nach den Urteilen in München und Wupprtal würde jedenfalls auch ein solcher
       Richterspruch nicht mehr allzu sehr verwundern. Deutsche Richter, die
       womöglich selber bei früheren NS-Juristen studiert haben, wissen, dass
       Antisemitismus nicht koscher ist. Anstatt sich mit dessen modernen
       Erscheinungsformen auseinanderzusetzen, erklären sie ihn kurzerhand im
       Namen des Volkes für abgeschafft.
       
       Besser: Spenden. Und zwar an: Jutta Ditfurth. Verwendungszweck:
       „Elsässer-Prozess“, Konto-Nummer 1200881450, BLZ: 50050201 bei der
       Frankfurter Sparkasse. Möglichst schnell, die Einspruchsfrist läuft bald
       ab.
       
       18 Feb 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.3sat.de/mediathek/mediathek.php?mode=play&obj=43135
 (DIR) [2] /!137177/
 (DIR) [3] http://www.jutta-ditfurth.de/dl/dl.pdfa?download=Elsaesser-gegen-Ditfurth-I-Instanz-20141210.pdf
 (DIR) [4] /!109018/
 (DIR) [5] http://www.jutta-ditfurth.de/dl/dl.pdfa?download=Elsaesser-gegen-Ditfurth-20141209.pdf
 (DIR) [6] /!153304/
 (DIR) [7] /!154216/
 (DIR) [8] /!152631/
 (DIR) [9] /!154845/
 (DIR) [10] http://twitter.com/Besser_Deniz/status/514463754818686977
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Deniz Yücel
       
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