# taz.de -- Bergedorf & Altona vereint gegen Neonazis: Nazis raus -wörtlich genommen
       
       > Altonaer Fußballfans sollen Rechtsextreme unsanft aus dem Stadion
       > befördert haben. Auch die Staatsanwältin würde das Verfahren gern
       > einstellen, doch sie darf nicht.
       
 (IMG) Bild: Alte Rivalen, aber gegen Neonazis vereint: Altona 96 und Bergedorf 85 messen sich im Jahre 1962 in der Regionalliga Nord.
       
       HAMBURG taz | Der Saal 112 des Bergedorfer Amtsgerichts ist bis auf den
       letzten Platz gefüllt – rund 60 Unterstützer der Angeklagten – mehrheitlich
       Fans des Fußball-Fünftligisten Altona 93 und der linken Szene zugehörig –
       drängeln sich auf den Zuschauerbänken. Es geht juristisch im Kern um den
       Vorwurf der Körperverletzung, doch für die Prozessbeobachter geht es um
       etwas ganz anderes:
       
       Muss man bekennende Neonazis im Stadion eines Vereins dulden, der sich
       selbst als „antirassistisch“ versteht? Dürfen Fans das Recht selbst in die
       Hand nehmen, wenn der Ordnungsdienst die Rechten schützt? Ist der Slogan
       „Nazis raus“ ganz konkret oder nur symbolisch zu verstehen? Wo endet
       Zivilcourage und wo beginnt nicht tolerierbare Gewalt gegen Personen?
       
       Zu den Zwischenfällen, die das Bergedorfer Amtsgericht jetzt aufzuarbeiten
       hat, war es am 14. Oktober 2012 gekommen: Bergedorf 85 und Altona 93 tragen
       ein Punktspiel im Bergedorfer Stadion „Sander Tannen“ aus. Fans beider
       Vereine identifizieren als Zuschauer die bekannten und bekennenden Neonazis
       Heiko H. und Sven W., die seit Jahren in der rechten Szene aktiv sind. Ihre
       engen Verbindungen zur NPD und zu der „Weiße Wölfe Terrorcrew“ sind
       dokumentiert. Diese wird vom Verfassungsschutz als „aggressiv“ eingestuft
       und den „autonomen Nationalisten“ zugeordnet.
       
       Zwischen einigen Anhängern der gegnerischen Vereine kommt es zum
       Schulterschluss: Die Ultrarechten haben ihrer Meinung nach im Stadion
       nichts zu suchen. Zwei Fangruppen wollen H. und W. zum Ausgang geleiten.
       Herbeigeeilte Ordner wollen die Rechten schützen. Es kommt zu Tumulten und
       Handgreiflichkeiten.
       
       In dieser Situation sollen laut Staatsanwaltschaft die beiden Angeklagten,
       Mirko P. und Philip S. „zwei Faustschläge“ und mindestens einen Fußtritt
       ausgeteilt haben und einen der Neonazis mit einem Kunststoffmülleimer
       beworfen und verletzt haben. „Starke Schmerzen“ hätten die Angegriffenen –
       die schließlich das Stadion verließen – erlitten, heißt es in der
       Anklageschrift: Von ernsthaften Verletzungen ist nicht die Rede.
       
       Da die Angeklagten schweigen und die Geschädigten dem Prozess fernbleiben –
       was Amtsrichter Götz S. mit einer Ordnungsstrafe von jeweils 150 Euro
       ahndete –, ist das Gericht auf die Aussagen der eingesetzten Ordner
       angewiesen. Sie waren von zwei weiblichen Bergedorfer Fans über die
       Anwesenheit der Ultrarechten informiert worden, hatten es aber abgelehnt,
       etwas zu unternehmen, da die Beiden sich „unauffällig verhielten“.
       
       „Die Ausschreitungen gingen eindeutig von den Linken aus“, gibt der Ordner
       Manuel B. zu Protokoll. Wie auch seine KollegInnen weiß er nicht zu sagen,
       ob die Stadionordnung einen Verweis von bekennenden Ultrarechten hergibt.
       Eine Schulung habe es da nicht gegeben.
       
       Keiner der drei vernommenen Ordner kann die Übergriffe einem der beiden
       Angeklagten zuordnen. „Ich weiß nicht mehr, wer was getan hat“, sagt die
       Ordnerin Ursula E.. Die Ausführungen ihrer Kollegen sind auch nicht
       präziser.
       
       In Ermangelung auch nur einer einzigen belastenden Aussage schlägt Richter
       Götz S. vor, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Die
       Staatsanwältin würde gern mitziehen, doch wird sie telefonisch von der
       Staatsschutzabteilung ihrer Behörde zurückgepfiffen, die damit ein großes
       Verurteilungsinteresse beweist. So wird das Verfahren am 4. Februar in die
       nächste Runde gehen. Die vermeintlich Geschädigten sollen dann
       zwangsvorgeführt werden.
       
       21 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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