# taz.de -- Marine Le Pen zu „Charlie Hebdo“: Hüterin von Nation und Pressefreiheit
       
       > Die Front-National-Chefin versucht, die Gunst der Stunde zu nutzen: Nach
       > dem Anschlag fordert sie ein Referendum zur Einführung der Todesstrafe.
       
 (IMG) Bild: Ist selbst mehrfach Zielscheibe des Spottes der Karikaturisten gewesen: Marine Le Pen
       
       BERLIN taz | Nur einen Tag nach dem Attentat auf das Satiremagazin Charlie
       Hebdo wünscht sich die Chefin der rechtsextremen Partei Front National ein
       Referendum zur Todesstrafe in Frankreich. Damit nimmt die
       Präsidentschaftskandidatin eine Forderung ihres Vaters auf: Jean Marie Le
       Pen hatte im November 2014 die Todesstrafe für den französischen Islamisten
       Maxime Hauchard gefordert und dafür die Guillotine vorgeschlagen. Mit ihrer
       Erklärung vom Donnerstag macht Marine Le Pen zugleich ihren Anspruch auf
       die Führerschaft in einem Frankreich klar, dem nun „der Krieg erklärt
       worden“ sei.
       
       Präsidentiell vor blauem Hintergrund und drei französischen Fahnen ohne
       Parteilogo platziert, beginnt sie ihre Rede mit einem Verweis auf die
       Einigkeit Frankreichs: „Liebe Landsleute, […] unsere Nation ist vereint in
       der Verurteilung dieses Anschlags auf Gott […]. Die Nation ist tief vereint
       in der Verteidigung der Informations- und Pressefreiheit.“ Die Zeit des
       Schweigens und der Heuchelei müsse vorbei sein.
       
       Le Pen, die selbst mehrfach Zielscheibe des Spottes der Karikaturisten
       gewesen ist, inszeniert sich als Teil eines für die Verteidigung
       demokratischer Werte einstehenden Frankreichs. Im Jahr 2011 hatte sie nach
       einem Anschlag auf die Redaktionsräume von Charlie Hebdo in einem
       TV-Interview gesagt: „Kann ich zulassen, dass mein Land in Schutt und Asche
       gelegt wird, nur weil einer von rund 9.000 Titeln, die in Frankreich
       erscheinen, eine Karikatur veröffentlicht?“ Das fand der nun ermordete
       Chefredakteur Stephane Charbonnier „lachhaft“.
       
       In ihrer Rede suggeriert Le Pen, dass Terrorakte insgesamt vor allem von
       Islamisten ausgingen – und verschweigt, dass die (westliche) Welt sowohl
       von islamistischen als auch säkularen Terroristen bedroht wird: siehe die
       islamistischen Anschläge auf die U-Bahnen in Madrid und London als auch den
       Terroranschlag des Neonazis Anders Behring Breivik in Norwegen im Jahr 2011
       oder die NSU-Mordserie in Deutschland.
       
       Die Wahlkämpferin Le Pen beschwört den Kriegszustand zur Eigenwerbung
       herauf: An die Deutung, dass ein Terroranschlag einer Kriegserklärung an
       die Nation gleichkomme, schließt sie geschickt die Unterscheidung zwischen
       patriotischen Muslimen an, und denen, „die im Namen des Islams töten“.
       Wichtig ist der Satz, der auf diese richtige Differenzierung folgt: „Diese
       zurückgewiesene Gleichsetzung darf nicht als Entschuldigung für Anarchie
       und Verleugnung dienen.“
       
       Würde man dieses rhetorische Muster etwa auf die katholische Kirche
       übertragen, dann rechtfertigte der von katholischen Priestern vielfach
       begangene sexuelle Missbrauch auch eine generalisierende Verdächtigung von
       Katholiken. Dies nicht zu tun, ist kein Ausdruck von Anarchie, sondern
       demokratischer Gesinnung. Das Gleiche muss für Muslime gelten.
       
       Terror, ob im Namen einer säkularen oder religiösen Ideologie, ist per
       Definition ein Anschlag auf die Demokratie. Der Rechtsstaat hält dafür das
       Mittel der Strafverfolgung möglicher Täter bereit. Wer behauptet, ein
       Anschlag reiche aus, um ein Land in den Kriegszustand zu versetzen, will
       den Rechtsstaat zugunsten von Vergeltungsschlägen aushebeln. So
       argumentierte im Anschluss an 9/11 auch Präsident George W. Bush. Die
       katastrophalen Folgen hat der unlängst vorgelegte Folterbericht zur CIA
       dokumentiert.
       
       8 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ines Kappert
       
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