# taz.de -- Berliner Konferenz zum Kulturgutschutz: Kriminelle Schatzsuche
       
       > In Berlin trafen sich Experten, um über Wege zum Schutz des weltweiten
       > Kulturguts nachzudenken. Der illegale Handel boomt mehr denn je.
       
 (IMG) Bild: Raubgrabungslöcher in der mesopotamischen Stadt Isin 200 Kilometer südlich von Bagdad.
       
       Zahlen gibt es leider nicht. Aber klar ist, dass Raubgrabungen und der
       illegale Handel mit Kulturgütern einen immensen, nicht wieder gut zu
       machenden Schaden am kulturellen Erbe vieler Nationen und Völker anrichten.
       Nirgendwo ist das Risiko, für die eigene strafbare Handlung belangt zu
       werden, so gering und die Gewinnspanne so hoch wie beim Handeln mit antiken
       Artefakten.
       
       Entsprechend boomt der Markt, der in der internationalen
       Kriminalitätsstatistik gleich hinter dem Waffen- und Drogenhandel folgt.
       Bürgerkriege wie in Syrien und die instabile Situation in Staaten wie Irak,
       Afghanistan oder Pakistan befördern diese katastrophale Entwicklung.
       
       Grund genug für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), das deutsche
       Archäologische Institut (DAI) und den Deutschen Verband für Archäologie
       eine internationale Tagung einzuberufen. Um, wie der Präsident der SPK, der
       Archäologe Hermann Parzinger, in seiner Begrüßungsrede am Donnerstag sagte,
       die bedrohliche Lage in verschiedenen Region der Welt aufzuzeigen und Wege
       zu einem effektiven Kulturgutschutz zu skizzieren.
       
       ## Die Novellierung des deutschen Kulturgutschutzgesetztes von 2007
       
       Die Unterstützung der Tagung durch das Auswärtige Amt und vor allem durch
       die Beauftragte der Bundesregierung für Kutur und Medien, Monika Grütters,
       war auch Anlass der Zusammenkunft: Denn es steht die Novellierung des seit
       Jahr und Tag als vollkommen untauglich kritisierten deutschen
       Kulturgutschutzgesetzes von 2007 an.
       
       Um den illegalen Handel zu unterbinden und mögliche Rückführungen zu
       ermöglichen, soll die Beweislast endlich umgekehrt werden: Nicht der
       beraubte Staat muss nachweisen, dass ihm das Kulturgut ungerechtfertigt
       entwendet wurde, sondern der Händler beziehungsweise der Käufer muss eine
       Exportgenehmigung vor- und eine stimmige Provenienz nachweisen können.
       
       Die Neuerung, mit der sich Monika Grütters unvergängliche Verdienste
       erwerben wird, kommt verspätet auf den Weg. Längst ist Deutschland als eine
       der ganz wesentlichen Plattformen des internationalen illegalen Handels mit
       geschütztem Kulturgut bekannt. Interessant war darum auch, von der
       Konstzanzer Staats- und Verwaltungsrechtlerin Sophie Lenski zu hören, warum
       das so ist und wie der defizitäre Schutz von illegalem Kulturgut im
       öffentlichen Recht inzwischen auch auf das Zivilrecht durchschlägt.
       
       ## Handel mit Raubgut ist nicht sittenwidrig
       
       In zivilrechtlichen Verfahren können Richter mit Verweis auf das
       öffentliche Recht beim Handeln mit Raubgut inzwischen keine
       Sittenwidrigkeit mehr erkennen. Für eine Juristin geradezu verwegen,
       plädierte Lenski für eine generelle Reform des bürgerlichen Gesetzbuches.
       
       Für eine Reform des Nachdenkens über Raubgrabungen, Schatzsuche und den
       illegalen Kulturguthandel würde man auch als Beobachterin der Berliner
       Konferenz plädieren. Denn dort wurde deutlich: der Sammler ist nicht nur
       „keine Figur der Rechtssprechung“ wie Sophie Lenski sagte. Er ist auch
       keine Figur wissenschaftlicher Reflektion. Und dabei ist doch er die
       zentrale Figur im Geschäft mit dem Kulturgut, auf die am Ende alles
       zuläuft.
       
       Unter die Sammler fielen und fallen noch immer auch die Museen und ihre
       Mäzene. Es ist zwar schön, dass die staatlichen Museen zu Berlin, deren
       Depots gut gefüllt sind, nicht mehr ankaufen und Bewegung sowie Aktualität
       ihrer Sammlung durch Leihgaben sicherstellen wollen. Aber das besagt wenig
       über das Gebaren anderer Sammlungen. Die Anklage gegen Marion True, die
       Kuratorin für antike Kunst im Getty Museum in Malibu, durch den
       italienischen Staat 2005, zeigte die Verstrickung wohlangesehener
       Institutionen noch im 21. Jahrhundert in die kriminellen Geschäfte mit
       Antiken.
       
       ## War on Drugs sollte Warnung sein
       
       Schon in Hinblick auf die eigene Geschichte greift es zu kurz, wie auf der
       Tagung geschehen, immer wieder darauf zu bestehen, dass es keinen illegalen
       Handel gäbe, wären da nicht die Abnehmer des kostbaren Guts. Das Beispiel
       des „War on Drugs“ sollte Warnung sein. Denn man sorgt ja selbst für die
       kriminellen Strukturen und hoch lukrativen Märkte, gegen die man dann nicht
       mehr ankommt, weil man den Leuten die Drogen legal nicht gönnt, die sie
       sich illegal trotzdem zu beschaffen wissen.
       
       Ein Handel, der, wie es sich der Archäologe Michael Müller-Karpe vom
       Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz erträumt, dank eines
       „Antikenpasses“ also eines lückenlosen Provenienznachweises jedes Stücks,
       zum Erliegen kommt, ist nicht unbedingt ein Bild des Fortschritts. Wohl
       aber ein Handel, der anders strukturiert ist.
       
       Es gilt, die Idee des Leihgabenverkehrs von Andreas Scholl, dem Direktor
       der Antikensammlung in Berlin, über die Museen und Archäologischen
       Institute hinaus ins Zeitalter der Sharing Community von Algorithmen und
       Apps fortzuschreiben.
       
       ## Agenturen für Antikenausleihe als Geschäftsmodell
       
       Dank Computer und Internet ist die Ausleihe anstelle des Kaufs längst ein
       profitables Geschäftsmodell, ähnlich wie das airbnb-Portal. Die Ausleihe
       auch im privaten Rahmen wäre dem Bewußtwerdungsprozess in der Bevölkerung
       hinsichtlich des Wertes des Kulturgutes, den die Wissenschaft für dessen
       Schutz für unerlässlich hält, mit Sicherheit förderlich.
       
       Gleichzeitig zeigt sich, dass dem kulturellen Erbe der Menschheit nicht
       allein durch den Ankauf Gefahr droht. Hochproblematisch kann auch der
       Verkauf sein. Im Juli 2014 erzielte das Northampton Museum in
       Großbritannien einen neuen Weltrekordpreis für ägyptische Altertümer, als
       es die Statue des Sekhemka mit seiner Frau Sitmerit für knapp 20 Millionen
       Euro an einen unbekannten Sammler verkaufte. Ein größeres Signal an
       Raubgräber, ihr Glück im krisengeschüttelten Ägypten zu versuchen, ist bei
       solchen Geldsummen wohl kaum denkbar.
       
       Sehr viel größere Geldsummen werden allerdings bei der Schatzsuche
       vernichtet, gar nicht zu reden vom immateriellen Schaden für die
       Wissenschaft, also für die Kenntnis von den kulturellen Errungenschaften
       vorangegangener Zivilisationen. Um wenige verkäufliche Artefakte zu finden,
       müssen im Irak, der Türkei oder in Ägypten riesige Flächen umgegraben
       werden, wobei große Mengen an fragmentierten, gleichwohl für Archäologen
       wertvollen Funden unwiderbringlich verloren gehen.
       
       ## Der Silberschatz aus Afghanistan
       
       Auch der UNESCO-Repräsentant in Nepal, Christian Manhart, berichtet von
       unermesslichen Schäden. Seiner Organisation wurde ein drei Tonnen schwerer
       Silberschatz aus Afghanistan zum Kauf angeboten. Auf den Münzen fanden sich
       Porträts von bis dato völlig unbekannten Königen. Da weder die UNESCO noch
       potentiell andere Käufer auf das Angebot eingingen, ist anzunehmen, dass
       der Schatz inzwischen zum größten Teil eingeschmolzen wurde, um in Form von
       Silberschmuck verkauft zu werden.
       
       Die Herausforderungen an die internationale Gemeinschaft sind enorm, das
       machte auch das Panel mit Mua Oluwaseyi Hambolu aus Nigeria sowie Solange
       L. Macamo und Décio Muianga aus Mozambik deutlich. Vor Mozambiks Küste
       liegen die Schätze in untergegangenen Schiffen. Schon vor dem Eintreffen
       der Europäer hatten die Araber von Südostafrika aus Handel mit Indien und
       China getrieben, der sich mit der Ankunft der Portugiesen noch verstärkte.
       
       Es brauchte eine spezielle Unterwasserarchäologie um die Bestände zu
       kartografieren und zu bewerten, von schützen noch gar nicht zu reden. Es
       existiert im übrigen eine UNESCO-Konvention zum Schutz des Kulturerbes
       unter Wasser aus dem Jahr 2001. Das Übereinkommen untersagt jeglichen
       Handel mit Artefakten von Schiffswracks, die älter als 100 Jahre sind.
       Deutschland hat es bislang nicht ratifiziert.
       
       14 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Illegaler Handel
 (DIR) Schwerpunkt Türkei
 (DIR) Datenbank
       
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