# taz.de -- Tagung über die Lage am Kunstmarkt: Decision-maker und Powerplayer
       
       > Gehöre für einen Tag zu einem illustren Kreis: In Berlin analysierte eine
       > von der „FAZ“ ausgerichtete Konferenz Hypes und die Rolle der Kuratoren.
       
 (IMG) Bild: War auch mit dabei: Philipp Demandt, Leiter der Alten Nationalgalerie, mit einer Nilpferdskulptur von Rembrandt Bugatti.
       
       BERLIN taz | Als der russische Kunstsammler Roman Abramowitsch 2011 Venedig
       besuchte, wurde das sogleich symbolisch gedeutet. Seine Luxusjacht schob
       sich so neben das Gelände der Kunstbiennale in den Giardini, dass sich das
       Bild formlich aufdrängte: Der Sammler stellt die öffentliche Kultur in den
       Schatten. Die Öffentlichkeit hat sich auf die neuen Machtverhältnisse
       eingeschossen. „Geld frisst Kunst“ überschrieb der Kritiker Georg Seeßlen
       jüngst [1][sein „Pamphlet“] gegen die Kapitalisierung des Kunstbetriebs.
       
       Da lässt es aufhorchen, wenn andere des ästhetisch-spekulativen Komplexes
       die Lage gelassener sehen. So ließe sich nämlich [2][die 3. Kunstkonferenz]
       der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bilanzieren, die vergangene Woche in
       Berlin unter dem Titel „Sammeln und Kuratieren“ nach
       „Positionsverschiebungen im Kunstbetrieb“ fragte. Niemand von den rund 200
       Teilnehmern aus Museen, Akademien, der Universität bestritt die Existenz
       der neuen „Powerplayer“.
       
       Niemand bestritt auch, dass bestimmte „Trends“ genau so gemacht werden, wie
       Klein-Erna sich den Manipulationsbetrieb Kunst gern vorstellt. Für den
       Berliner Sammler und Galeristen Daniel Marzona war das aktuelle Revival
       [3][Revival der Zero-Kunst] jüngstes Beispiel für die stille Allianz von
       Händlern und Sammlern, die solche Entwicklungen strategisch lenkt – und im
       Oktober ihren wertsteigernden Abschluss in [4][einer Retrospektive] im New
       Yorker Guggenheim-Museum fand. Trotzdem glaubt Marzona, dass der Einfluss
       von Sammlern und ihrer Privatmuseen auf die Massenrezeption von Kunst
       überschätzt wird. „Diese Häuser werden von Beratern gemacht, sie sehen
       überall gleich aus“, beschwor er die Originalität der in Jahrhunderten
       gewachsenen Museumssammlungen.
       
       Philipp Demandt, 43-jähriger Leiter der Alten Nationalgalerie Berlin,
       relativierte das Argument, gegen die märchenhafte Kaufkraft der Sammler
       kämen öffentliche Museen nicht mehr an. „Ich habe noch nie einen Kollegen
       gesehen, der auf einer Auktion traurig gewesen wäre, weil er sich einen
       Damien Hirst nicht leisten konnte“, scherzte der Kunsthistoriker.
       
       ## Eingeschliffene Sehgewohnheiten herausfordern
       
       Für Demandt können die Museen im Windschatten des Kunstmarkthypes durchaus
       sinnvoll arbeiten. Wenn sie sich auf ihre eigenen Stärken be- und
       unkonventionelle Ausstellungen ersännen. Der eloquente Museumsboss bewies
       selbst, wie man eingeschliffene Sehgewohnheiten herausfordert. [5][Seine
       Schau von Tierplastiken] des nahezu unbekannten Bildhauers Rembrandt
       Bugatti zog in diesem Sommer mehr als 115.000 Zuschauer an.
       
       Ähnlich milde betrachteten die Konferenzteilnehmer auch das zweite
       Sorgenkind des Betriebs, den Kurator. Für die Leipziger Kunsthistorikerin
       Beatrice von Bismarck erzwang die Ausweitung der Kunstzone seit den
       sechziger Jahren eine neue Vermittlungsinstanz, die mehr war als der
       Kurator als Kustos, der im Museumsdepot seine Schätze hütet. Der tritt
       inzwischen selbst gelegentlich wie ein Künstler auf.
       
       Schwerer wiegt für die Frankfurter Kunsttheoretikerin Isabelle Graw aber,
       dass sich mit dieser Figur eine Errungenschaft in einen Fluch verwandelt
       hat. Der Mann, der noch bis vor Kurzem die „poröse Materialität“ der
       zeitgenössischen Kunst zu ordnen verstand, sei mit dem
       künstlerisch-ökonomischen Multitasking, das ihm heute abverlangt wird, zum
       bedauernswerten Prototyp des „Neuen Geistes des Kapitalismus“ geworden, wie
       ihn die französischen Sozialwissenschaftler Luc Boltanski und Ève Chiapello
       beschrieben haben.
       
       Wer dann noch den Seufzer von Ellen Blumenstein, Chefkuratorin der Berliner
       Kunst Werke, über die tägliche Gratwanderung zwischen Inhalten und
       Administration hörte, für den schrumpfte das Bild des mächtigen
       Kunstdompteurs, der das Primäre in Gestalt der Kunst und des Künstlers
       unter seine (Selbst-) Inszenierungsinteressen zwingt, zum Jammerbild eines
       im Hamsterrad Getriebenen.
       
       ## Bizarre Lecture der Documenta-Leiterin
       
       Wahrscheinlich endet er gelegentlich so wie Carolyn Christov-Bakargiev. Nur
       am Jetlag kann es nicht gelegen haben, dass die einstige
       Documenta-Leiterin, 2012 zur „mächtigsten Frau“ des Kunstbetriebs gewählt,
       wie ein Schatten ihrer selbst wirkte. Mit ihrer Lecture, einer bizarren
       Mixtur aus Documenta-13-Nostalgie und Gertrude-Stein-Anrufung, unterbrochen
       von erratischen Bewusstseinsschüben, trieb die Frau, die im Herbst 2015 die
       Istanbul-Biennale kuratiert, die Zuhörenden aus dem Saal.
       
       So erkenntnisreich die eintägige Konferenz war, so sehr bot sie ein
       bemerkenswertes Beispiel strategischen Marketings. Sich im Kunstfeld zu
       vernetzen ist für ein kränkelndes Leitmedium wie die FAZ gewiss nicht die
       schlechteste Idee. Schließlich ist dort viel Geld, Macht und Kreativität im
       Spiel. „Schafft Kunst Neues Handeln?“ fragte die Debütkonferenz 2012,
       vergangenes Jahr ging es um „Museum reloaded“.
       
       Schade nur, dass es der Kultur-NGO FAZ mehr um die arrivierten
       decision-maker geht als um die in Berlin überreich vorhandene freie Szene.
       750 Euro mussten Interessierte hinblättern, um an dem Wissenstransfer der
       hochkarätigen „Knowledge-Partner“ zu partizipieren. Diese erhielten für
       ihre Vorträge kein Honorar, sondern wurden mit dem symbolischen Kapital
       geködert, für einen Tag einem illustren Kreis anzugehören.
       
       Immerhin da glich die Konferenz den prekären Arbeitsbedingungen, auf der
       die gemeine Kunstwelt weithin gründet. Symbolisch unproblematisch schien
       den Veranstaltern auch der Ort ihres Austauschs. Über die Macht der Sammler
       und Kuratoren diskutierten sie im Café Moskau an der Karl-Marx-Allee. In
       der Nachwendezeit war das Juwel der DDR-Moderne ein Treffpunkt der Berliner
       Subkultur. Heute wird es von einem Mann als edle Eventlocation vermietet,
       der zwar auch Kunstsammler, in erster Linie aber doch Spekulant ist:
       Nicolas Berggruen.
       
       30 Nov 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.suhrkamp.de/buecher/geld_frisst_kunst_kunst_frisst_geld-markus_metz_12675.html
 (DIR) [2] http://www.faz-forum.com/sammeln_kuratieren/index.php
 (DIR) [3] http://www.monopol-magazin.de/artikel/20109024/Grosser-Bahnhof-fuer-ZERO-Bewegung-New-York--Berlin--Amsterdam.html
 (DIR) [4] http://www.guggenheim.org/new-york/exhibitions/on-view/zero-countdown-to-tomorrow-1950s-60s
 (DIR) [5] /Retrospektive-Rembrandt-Bugatti/!136373/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arend
       
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