# taz.de -- Kommentar Strafanzeige gegen Henkel: Ganz schön kleinlich
       
       > Weil er sich öffentlich kritisch über sie geäußert hat, wollen die
       > Kunstaktivisten vom „Zentrum für Politische Schönheit” jetzt Berlins
       > Innensenator Henkel anzeigen.
       
 (IMG) Bild: Da waren sie weg. Jetzt sind sie wieder da: besagte Gedenkkreuze.
       
       Wie schade: Es war doch gerade so schön gewesen. Aber jetzt - abschnallen,
       locker machen, Füße ausstrecken - wird es leider etwas einfältig und auch
       ein bisschen banal. Weil Berlins Innensenator Frank Henkel sich kritisch
       über die Kunstaktion des Zentrums für Politische Schönheit geäußert hat,
       haben die Kunstaktivisten nun Strafanzeige gegen ihn erstattet. Wie
       peinlich.
       
       Gerade erst hatte die Gruppe um ihren künstlerischen Leiter Philipp Ruch
       die Republik auf intelligente Weise in Wallung gebracht, indem sie
       Gedenkkreuze, die an die Mauertoten erinnerten, in einen neuen Kontext
       setzten. Plötzlich hingen die weißen Kreuze nicht mehr an der Spree vor dem
       Deutschen Bundestag, sondern befanden sich in den Händen von Flüchtlingen
       an Europas Außengrenzen.
       
       Die Reaktionen darauf sprachen für sich – als seien heutige Flüchtlinge
       keine berechtigten Gedenkenträger, als seien sie Menschen zweiter Klasse,
       als könne man sie ignorieren. Das war eine intelligente, provokante und
       künstlerische Intervention – und sie hatte ihren Effekt. Strafanzeigen
       gegen Obrigkeiten aber – das war schon immer die langweiligste Art
       sogenannten Widerstands.
       
       Das Zentrum für politische Schönheit will mit einer Unterlassungserklärung
       erwirken, dass Berlins Innensenator nicht mehr behaupten darf, die Gruppe
       hätte die Bilder „gestohlen“. Henkel, so argumentiert die Gruppe, habe sie
       öffentlich vorverurteilt, als Diebe gebrandmarkt, zu einem Zeitpunkt, zu
       dem er als oberster Dienstherr ein entscheidendes Detail hätte wissen
       müssen: Dass die Gruppe von Beginn an das Ziel hatte, die Kreuze
       zurückzugeben. Im Juristendeutsch heißt es: Es hat die Zueignungsabsicht
       gefehlt. Und so sagen die Künstler von sich: Wir sind alles, aber sicher
       keine Diebe.
       
       Dass sie das betonen, liegt in der Natur der Sache – und schadet der
       Debatte über Kunstfreiheit und über deren Grenzen nicht. Als politische
       Aktionsform ist das dagegen albern: Gerade erst hatte die Gruppe gezeigt,
       wie sich mit gezielter Symbolpolitik – im wahrsten Sinne des Wortes – neue
       Grenzen überschreiten lassen. Und nun wollen sie ihren Lieblingsfeinden
       diese Grenzen setzen? Mit Jura-Kleinlichkeiten? Weinerlich sein, weil sie
       doch eigentlich das bekamen, was sie wollten: Reaktionen von ganz oben
       
       Nein. Subversion geht anders. Sie lässt Frank Henkel dort, wo er zuvor
       schon stand, in der Meckerecke der Zuschauer, die das Stück nicht
       verstanden haben. Subversion darf stolz sein. Nein, nein, besser:
       Subversion muss stolz sein.
       
       12 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
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