# taz.de -- Kommentar EGMR-Urteil zu Flüchtlingen: Das europäische Regelwerk wankt > Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte trifft neben > Italien auch viele andere Länder: Die EU braucht humanitäre > Mindeststandards. (IMG) Bild: Flüchtlinge auf Lampedusa: menschenwürdige Verhältnisse? Flüchtlinge dürfen nicht aus der Schweiz nach Italien zurückgeschickt werden, [1][befand jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschrechte] (EGMR) in Straßburg. Formal ist der Verlierer im Prozess die Schweiz – das Urteil ist aber zugleich eine Ohrfeige für Italien. Mehr noch: Der Richterspruch bringt das gesamte europäische Regelwerk zur Flüchtlingsaufnahme ins Wanken. Italien muss sich damit nämlich bescheinigen lassen, dass es elementare Menschenrechte nicht wahrt. Wer immer sich in den letzten Jahren näher mit ihrer Situation befasst hat, weiß es schon lange: Den Menschen aus Syrien, Eritrea oder Afghanistan wird ein unwürdiges Leben zugemutet, Unterstützung bleibt meist aus. Eben davon wollten die anderen europäischen Staaten nichts wissen. Sie zogen sich bisher auf den Rechtsstandpunkt zurück, dass der Erstaufnahmestaat für Asylverfahren zuständig sei, so wie es die „Dublin“-Verordnungen der EU vorsehen. Auch das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ordnet immer wieder Abschiebungen nach Italien an – andere Urteile deutscher Gerichte, die den Flüchtlingen trotz Dublin Bleiberecht gewähren, tut man gern als bloße „Einzelfallentscheidungen“ ab. Das Dublin-System könnte jetzt allerdings ins Wanken geraten. Es reicht eben nicht, dass ein Flüchtling formal Zugang zu einem regulären Asylverfahren hat, um behaupten zu können, seine Menschenrechte würden gewahrt. Der Schutz der Menschenrechte ist ohne menschenwürdige Behandlung schlicht nicht zu haben – genau das hält das Urteil fest. Die EU wird um die Festlegung humanitärer Mindeststandards nicht mehr herumkommen. Und solange diese im Falle Italiens nicht gewährleistet sind, täte Deutschland gut daran, einen generellen Stopp der Flüchtlingsabschiebungen dorthin zu verfügen. 6 Nov 2014 ## LINKS (DIR) [1] /EU-Urteil-zu-Afghanen-in-der-Schweiz/!148951/ ## AUTOREN (DIR) Michael Braun ## TAGS (DIR) Flüchtlinge (DIR) Italien (DIR) Asylsuchende (DIR) EGMR (DIR) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (DIR) Urteil (DIR) Italien (DIR) Italien (DIR) Schweiß (DIR) Flüchtlingspolitik (DIR) Libyen (DIR) Flüchtlinge (DIR) Gerhart-Hauptmann-Schule ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) EGMR-Urteil gegen Russland: Staat soll Soldaten entschädigen Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Russland wegen der menschenunwürdigen Behandlung eines Soldaten und spricht ihm Entschädigung zu. (DIR) Gericht über „Dublin-Verfahren“: Abschiebung nach Italien ist möglich Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Abschiebung von Flüchtlingen nach Italien zulässig. Das entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. (DIR) Vor Präsidentenwahl in Italien: Bewährungsprobe für Matteo Renzi 2015 verabschiedet sich Präsident Napolitano vorzeitig aus dem Amt. Die Wahl eines Nachfolgers wird zur Nagelprobe für die Regierung. (DIR) Schweizer Ecopop-Volksabstimmung: Fremdenhass, ökologisch fundiert Am Sonntag stimmen die Schweizer über die Initiative „Ecopop“ ab, die den Zuzug von Ausländern begrenzen will – angeblich aus ökologischen Gründen. (DIR) Urteil zu Afghanen in der Schweiz: Flüchtlings-Lotterie vor Gericht Der EGMR hat der Schweiz untersagt, Afghanen in ihr Ersteinreiseland Italien abzuschieben. Deutsche Gerichte urteilen ähnlich – aber nicht immer. (DIR) Flüchtlinge aus Libyen: Der letzte Ausweg heißt Zuwara In der Hafenstadt sammeln sich Flüchtlinge aus dem Süden, denn hier legen die Schmuggler-Schiffe ab. Derzeit herrscht Hochbetrieb Richtung Italien. (DIR) Kommentar Flüchtlingspolitik: Grünes Dilemma Der Konflikt um die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule ist ein Ergebnis verfehlter Flüchtlingspolitik. Lokalpolitiker sind dabei zum Scheitern verurteilt. (DIR) Flüchtlinge in Berliner Schule: „Wir gehen wieder aufs Dach“ Die Grünen wollen, dass alle Flüchtlinge die Gerhart-Hauptmann-Schule verlassen. Die 45 Bewohner stellen sich auf eine Räumung durch die Polizei ein.