# taz.de -- Reichtum und Armut in Deutschland: Brisante Zahlenspiele
       
       > Vermögen und Einkommen sind hierzulande immer ungleicher verteilt. Eine
       > gewerkschaftsnahe Studie belegt dies mit neuen Kennziffern.
       
 (IMG) Bild: Wer nichts hat, bleibt auch in Zukunft draußen.
       
       BERLIN taz | Werden die Reichen immer reicher, oder stagniert die
       Ungleichheit, wenn die Renditen auf dem Kapitalmarkt mickrig sind? Eine
       Antwort auf die politisch brisante Frage versucht das gewerkschaftsnahe
       Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in einer Erhebung
       zu geben. Dabei erweist sich, wie stark die Interpretation von der
       Datenbasis abhängt.
       
       Die IMK-Studie bezieht sich auf den Beststeller des Franzosen Thomas
       Piketty, der die Besitzverteilung in den kapitalistischen Ländern in den
       vergangenen Jahrhunderten untersuchte und dabei eine zunehmende
       Konzentration von Vermögen und Einkommen feststellte. Laut den hiesigen
       Statistiken aber war das Bild seit dem Jahr 2000 in Deutschland
       widersprüchlich.
       
       So stieg die Vermögensungleichheit in Deutschland nach den Daten des
       Sozioökonomischen Panels (SOEP) in den Jahren von 2002 bis 2007 an. Von
       2007 bis 2012 aber war der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit misst,
       bei den Vermögen wieder leicht gesunken. Experten führten dies unter
       anderem auf die Krise an den Aktienmärkten zurück, die den Reichen
       vorübergehend hohe Einbußen im Wert der Aktienbestände bescherten.
       
       ## „Überersparnis“ der Reichen
       
       Was die Einkommen betrifft, so gab es eine andere Tendenz: Die Ungleichheit
       hatte in der ersten Hälfte der 2000er Jahre kräftig zugenommen, stagnierte
       mit leicht rückläufiger Tendenz, bis im Jahr 2012 ein erneuter Anstieg
       erfolgte.
       
       Wie kann es aber sein, dass die Einkommensungleichheit im Zeitraum zwischen
       2000 bis 2012 stark ansteigt, aber die Vermögensungleichheit auf hohem
       Niveau verharrt?, fragen die IMK-Forscher Jan Behringer, Thomas Theobald
       und Till van Treeck. Eine Erklärung liege darin, „dass sich eine
       Veränderung in der Einkommensverteilung zunächst nur geringfügig in einer
       veränderten Vermögensverteilung niederschlägt, da Letztere zum einen auf
       einem deutlich höheren Niveau liegt und zum anderen die Akkumulation von
       Vermögen durch Ersparnisbildung Zeit benötigt“, schreiben die Forscher.
       
       Sie nutzen alternative Kennziffern, um Ungleichheit zu messen, und
       verbinden die Vermögensschichtung mit den Haushaltseinkommen. Den
       Berechnungen zufolge verfügten das vermögenste ein Prozent der Haushalte im
       Jahr 2012 im Durchschnitt mit ihrem Nettovermögen über das 80-Fache des
       mittleren Pro-Kopf-Einkommens für ein Jahr. Im Jahr 2002 hatte das
       Verhältnis erst beim 50-Fachen gelegen.
       
       Große Ungleichheit macht die Wirtschaft instabil. Denn der „Überersparnis“
       der Reichen stehe eine zunehmende Verschuldung unterer und mittlerer
       Einkommensklassen gegenüber, so die IMK-Forscher. „Die Debatte zur
       Wiedereinführung der Vermögenssteuer und zur Anhebung des
       Einkommensteuersatzes sollte viel stärker als bisher unter dem Aspekt
       geführt werden, dass eine Reduzierung der ökonomischen Ungleichheit auch
       die Gefahr zukünftiger Wirtschaftskrisen senkt“, heißt es in der Studie.
       
       23 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Reichtum
 (DIR) Schwerpunkt Armut
 (DIR) Einkommensverteilung
 (DIR) Vermögen
 (DIR) Vermögenssteuer
 (DIR) Thomas Piketty
 (DIR) Deutschland
 (DIR) Thomas Piketty
 (DIR) Statistik
 (DIR) Geld
 (DIR) Deutschland
 (DIR) Reichtum
 (DIR) Reiche
 (DIR) Erbschaftsteuer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Leben in Deutschland: Jeder Fünfte ist von Armut betroffen
       
       20 Prozent der Menschen in Deutschland sind sozialer Ausgrenzung oder Armut
       ausgesetzt. Damit liegt Deutschland deutlich unter dem europäischen
       Schnitt.
       
 (DIR) Ökonom Thomas Piketty im Berliner HKW: Wer hat, dem wird gegeben
       
       Vor vollem Haus sprach Piketty über die Konzentration von Vermögen. Klar
       wurde: Kapitalakkumulation funktioniert für ihn automatisch.
       
 (DIR) Wissenschaftliche Zahlenspiele: Wenn die Statistik schief ist
       
       Drei Wissenschaftler untersuchen auf windiger Statistik beruhende Aussagen.
       Sie fragen, was zuerst da war: das statistische Material oder die These?
       
 (DIR) Keine Lust auf Weltspartag: Schluss mit Weltmeister
       
       Die Bundesbürger geben ihr Geld lieber aus. Die Ökonomen freut das. Doch
       die Zahl derer, die nichts von ihrem Geld zurücklegen können, nimmt zu.
       
 (DIR) Lebensverhältnisse in Deutschland: Jeder Sechste lebt in Armut
       
       Deutschland ist ein sehr reiches Land. Trotzdem sind rund 13 Millionen
       Menschen von Armut bedroht. Einige Bevölkerungsgruppen sind besonders
       betroffen.
       
 (DIR) Kommentar Vermögen in Deutschland: Cooler Blick auf die Wohlhabenden
       
       Reichtumskritik ist zum erwartbaren Austausch von Klischees verkommen.
       Politische Konsequenzen fehlen. Eine nüchterne Betrachtung hilft.
       
 (DIR) Vermögen der Reichen: Billionen Euro gesucht
       
       Es gibt kaum gesicherte Daten über das Vermögen der Reichen. Auch die EZB
       weiß nichts Genaues. Denn ihre Untersuchung beruht auf Freiwilligkeit.
       
 (DIR) Erbschaftsteuer auf dem Prüfstand: Firmenerben müssen bangen
       
       Das Verfassungsgericht nimmt sich die Erbschaftsteuer zur Brust. Der
       Bundesfinanzhof moniert an ihr die „Überprivilegierung“ von Unternehmern.