# taz.de -- Rechtsstreit um Buch über Helmut Kohl: Abrechnung mit Parteifreunden
       
       > Die umstrittenen Gesprächsprotokolle mit dem Altkanzler werden am
       > Dienstag der Öffentlichkeit präsentiert – ungeachtet der Androhung
       > juristischer Schritte.
       
 (IMG) Bild: Wem gehört das historische Vermächtnis von Helmut Kohl?
       
       BERLIN dpa | An Helmut Kohl scheiden sich die Geister. Nach wie vor. Der
       Kanzler der Einheit und Wegbereiter des Euro, abgewählt nach einer
       Rekordamtszeit von 16 Jahren. Die Machtmaschine. Der einstige
       christdemokratische Patriarch, dessen Verhältnis zu seiner CDU über eine
       Parteispendenaffäre unkittbar zerbrach. Was davon wird prägend sein für
       Kohls Bild in der Geschichte?
       
       Das Lebenswerk des heute 84-Jährigen begleiten auch Verletzungen,
       Enttäuschungen und Bitterkeit – daraus hat er oft genug keinen Hehl
       gemacht. Nun geht ein schwelender Streit um Dokumente und
       Gesprächsäußerungen in die nächste Runde. Wem gehört das historische
       Vermächtnis Helmut Kohls?
       
       Den Konflikt befeuert ein Buch, das der Publizist Heribert Schwan an diesem
       Dienstag um 11 Uhr in Berlin präsentieren will. Als Moderator der
       Präsentation ist der Journalist Fritz Pleitgen angekündigt. „Die
       Kohl-Protokolle“ lautet der Untertitel, und gemeint sind damit
       Aufzeichnungen über 630 Gesprächsstunden des Altkanzlers mit dem damaligen
       Ghostwriter seiner Memoiren in den Jahren 2001 und 2002 – eigentlich
       mitgeschnitten auf Kassette. Zwischen beiden kam es aber zum Zerwürfnis und
       schließlich zum Rechtsstreit über die Frage, in wessen Hände die 200
       Tonbänder gehören. Das Oberlandesgericht Köln sprach sie Kohl zu, Schwan
       will die Sache noch vor den Bundesgerichtshof bringen.
       
       Vorher veröffentlicht er jetzt aber ein Buch, das auf Abschriften der
       Tonbänder beruht – und auch eine „Abrechnung“ Kohls mit Weggefährten
       darstellt, wie der Spiegel formulierte. Das Magazin zitierte vorab mehrere
       Passagen, in denen Kohl in der Gemütsverfassung von 2001/2002 harsch über
       Parteifreunde urteilt – da hatte seine bis heute währende Weigerung, Namen
       anonymer Spender zu offenbaren, gerade zum offenen Bruch mit der CDU
       geführt.
       
       Im Visier stehen etwa sein langjähriger Arbeitsminister Norbert Blüm
       („Verräter“), Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker („hält sich für den
       Klügsten“) und auch Angela Merkel („hat keine Ahnung“), die Kohl in
       Kanzleramt und CDU-Vorsitz beerbte.
       
       ## Ein weiterer Rechtssstreit?
       
       Dass Schwan mit diesen Zitaten herauskommt, könnte einen weiteren
       Rechtsstreit auslösen. Laut Focus will der Altkanzler Anwälte gegen die
       Buchveröffentlichung in Stellung bringen. Kohls Berliner Büro äußerte sich
       auf Anfrage vorerst nicht dazu, der Verlag startete am Montag jedenfalls
       mit der Auslieferung. Ohnehin wird seit längerem diskutiert, wie der
       Nachlass der zeitgeschichtlichen Persönlichkeit Helmut Kohl einmal zu
       verwahren ist, um der Forschung bestmöglichen Zugang zu sichern. Ein
       Bestand mit persönlichen Unterlagen ging 2010 von der CDU-nahen
       Konrad-Adenauer-Stiftung zunächst zurück an Kohl.
       
       Dass dessen Bungalow in Ludwigshafen-Oggersheim nicht der dauerhafte
       Archivort sein sollte, sehen aber auch Christdemokraten so. Der frühere
       CDU-Generalsekretär Volker Rühe regte bei Spiegel Online die Gründung einer
       Helmut-Kohl-Stiftung an. Die Bundesregierung hat vorerst aber keine Pläne
       für eine solche Gedenkstiftung, wie sie unter anderem für den 1992
       gestorbenen Ex-Kanzler Willy Brandt (SPD) existiert.
       
       Mit Argwohn sehen manche den Einfluss Maike Kohl-Richters, der 34 Jahre
       jüngeren zweiten Ehefrau Kohls. Ihr Mann habe festgelegt, „dass ich die
       alleinige Entscheidungsbefugnis über seinen historischen Nachlass haben
       sollte“, sagte Kohl-Richter im Frühjahr der Welt am Sonntag. Alles allein
       verwalten könne sie aber nicht.
       
       ## Kanzlerin: „Kein Kommentar“
       
       Unter den von Kohl Gescholtenen herrscht indes keine Neigung, sich erneut
       mit Anwürfen auseinanderzusetzen. Schlicht nicht äußern wollte sich etwa
       das Büro von Ex-Bundespräsident Christian Wulff. „Auf dem Niveau diskutiere
       ich nicht“, ließ Blüm via Kölner Express wissen. „Kein Kommentar“, sagte
       Regierungssprecher Steffen Seibert für die Kanzlerin.
       
       Merkels Verhältnis zu Kohl ist ohnehin beschädigt, seitdem die damalige
       Generalsekretärin ihre Partei 1999 aufforderte, sich wegen der
       Spendenaffäre von ihm zu lösen. Zum 30. Jahrestag des Beginns seiner
       Kanzlerschaft hielt Merkel 2012 aber die Festrede, Kohl kam auch erstmals
       wieder zu einem Kurzbesuch in die Unionsfraktion. Dass ihm der 2000
       zurückgegebene CDU-Ehrenvorsitz erneut angetragen werden könnte, erwartet
       dennoch niemand.
       
       Nur einen Tag nach der Buchvorstellung Schwans plant Kohl an diesem
       Mittwoch einen seiner selten gewordenen öffentlichen Auftritte. Seit einem
       Sturz mit einem schwerem Schädel-Hirn-Trauma sitzt er in einem Rollstuhl,
       kann nur noch mühsam sprechen. Thema des Termins auf der Frankfurter
       Buchmesse sind ganz unabhängig vom aktuellen Wirbel Kohls Erinnerungen an
       die Wende 1989/90, genau 25 Jahre nach dem Mauerfall.
       
       7 Oct 2014
       
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