# taz.de -- Regeln für Hartz-IV: Fordern, fördern, strafen
       
       > Die Regeln für den Hartz-IV-Bezug sollen vereinfacht werden. Jede dritte
       > Klage gegen Sanktionen hatte im vergangenen Jahr Erfolg.
       
 (IMG) Bild: Von 6.367 entschiedenen Klagen wurden im vergangenen Jahr 2.708 zugunsten der Betroffenen entschieden.
       
       BERLIN taz | Das Bundesarbeitsministerium wiegelt ab. Am Dienstag
       dementierte es einen Bericht der Bild-Zeitung, wonach schärfere Sanktionen
       für säumige Hartz-IV-Empfänger bereits beschlossene Sache wären. Der
       Hintergrund: Seit 2013 arbeitetet eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern
       zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen zwar an
       Vorschlägen, um die Hartz-IV-Gesetze zu vereinfachen. Es sei aber „explizit
       nicht Ziel der Änderungen, den Leistungsbezug restriktiver zu gestalten“,
       erklärte das Arbeitsministerium jetzt.
       
       Die Kommunen drängen darauf, die Regeln über Hartz-IV-Leistungen einfacher
       und transparenter zu gestalten. „Nach wie vor sind die Regelungen sowohl
       für die Betroffenen als auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
       den Jobcentern zu kompliziert und bürokratisch“, klagte der
       Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd
       Landsberg, am Dienstag gegenüber der Passauer Neuen Presse. Würden die
       Berechnungen der Einzelansprüche „durch die Möglichkeit der Pauschalierung
       vereinfacht“, so Landsberg, könnten sich die Jobcenter „auf ihre
       eigentliche Aufgabe konzentrieren, nämlich Menschen wieder in Arbeit zu
       bringen“.
       
       Jobcenter und Sozialgerichte werden derzeit von einer Klagewelle überrollt.
       Denn je mehr Sanktionen die Arbeitsämter gegen Hartz-IV-Empfänger
       aussprechen, desto öfter wehren die sich dagegen – und haben damit Erfolg.
       42,5 Prozent aller Klagen wurde im vergangenen Jahr von den Sozialgerichten
       stattgegeben. Diese Zahl war am Montag bekannt geworden. Von 6.367
       entschiedenen Klagen wurden 2.708 vollständig oder teilweise zugunsten der
       Betroffenen entschieden. Ende 2013 waren noch rund 200.000 Klagen von
       Hilfsempfängern anhängig.
       
       Sanktionen können nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) verhängt werden,
       wenn Hartz-IV-Bezieher Termine im Jobcenter verpassen, gegen Auflagen
       verstoßen oder ihnen angebotene Arbeit verweigern. Dann drohen ihnen Abzüge
       vom Arbeitslosengeld II, gewöhnlich für die Dauer von drei Monaten. 2013
       waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 3,3 Prozent aller Empfänger
       davon betroffen.
       
       ## Sanktionen meist wegen versäumter Termine
       
       Dass Hartz-IV-Empfängern schon beim ersten Anlass vom Jobcenter das Geld
       gekürzt werden könne, wie Bild als Beispiel für eine geplante Verschärfung
       nannte, sei nichts Neues, sondern geltendes Recht, stellte das
       Arbeitsministerium jetzt klar. Lehnen Hartz-IV-Bezieher eine vom Jobcenter
       angebotene Arbeit ab oder weigern sie sich, einen Fort- oder
       Weiterbildungskurs zu besuchen, kann das Arbeitslosengeld II in einem
       ersten Schritt um 30 Prozent gekürzt werden.
       
       Weigert sich der Leistungsempfänger ein zweites Mal, ist eine Kürzung um 60
       Prozent vorgesehen. Danach verliert er den Anspruch ganz. Für unter
       25-Jährige werden schon beim ersten Verstoß gegen ihre Pflichten für drei
       Monate nur noch die Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen, im
       Wiederholungsfall auch das nicht mehr.
       
       Am häufigsten verhängen Jobcenter aber Sanktionen wegen versäumter Termine.
       2013 betraf das fast drei Viertel der insgesamt gut eine Million Fälle. Die
       Linkspartei nutzte die hohe Zahl der erfolgreichen Klagen, um einmal mehr
       zu fordern, sämtliche Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher abzuschaffen. „Ein
       Grundrecht kann man nicht kürzen“, erklärte deren Vorsitzende Katja Kipping
       kategorisch. Ähnlich äußerte sich der Sozialverband Deutschland.
       
       Gemeindebund-Geschäftsführer Gerd Landsberg findet dagegen, das Motto
       „Fördern und Fordern“ habe sich grundsätzlich bewährt. Die
       Bund-Länder-Arbeitsgruppe will ihre Ergebnisse im Herbst vorlegen.
       
       17 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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