# taz.de -- Proteste am WM-Eröffnungstag: Autonome werfen Kokosnüsse
       
       > An der Copacabana gucken 20.000 Fans das Auftaktspiel. Parallel kommt es
       > in mehreren Städten zu Verletzten, Festnahmen und Tränengaseinsätzen.
       
 (IMG) Bild: Demo gegen die WM an der Copacabana.
       
       RIO DE JANEIRO taz | Es ist die 11. Minute, in der Brasiliens Abwehrspieler
       Marcelo das Eigentor schießt und es ist jetzt ganz still an Rios
       Vorzeigestrand Copacabana. Rund 20.000 Menschen verschiedener
       Nationalitäten sehen hier beim offiziellen Fifa-Fanfest das Eröffnungsspiel
       der Fußball-WM der Herren. Die meisten drücken Brasiliens Mannschaft die
       Daumen, jetzt schweigen sie alle.
       
       Aber am Rande des Strandes, nur ein paar Meter weiter, gleich an der
       riesigen Prachtpromenade Avenida Atlântica, brechen hunderte Demonstranten
       in Jubel aus. Für ein paar Dutzend Autonome, vermummt, ganz in Schwarz,
       wirkt das Eigentor wie ein Startkommando. Brasilien könnte wirklich
       verlieren? Welch ein Symbol! Sie rennen los, werfen Mülltonnen um.
       
       Es ist die 13. Spielminute als an der Copacabana Kokosnüsse auf zwei
       Fußballfans fliegen, die wortmächtig gegen die Demonstranten antreten. „Was
       soll der Scheiß? Hier ist jetzt Party angesagt.“ Dann folgt ein
       Handgemenge, folgen fliegende Kokosnüsse, vereinzelt fliegen auch Steine.
       Kurz sieht es so aus, als ob es jetzt gleich eine mächtige Massenkeilerei
       gibt: Autonome gegen Fußballfans – die Polizei ist gar nicht da. Aber dann
       beruhigt sich die Situation, zumindest hier, wieder.
       
       In der Millionenstadt Belo Horizonte, wo am Samstag Kolumbien gegen
       Griechenland antreten wird, haben militante Demonstranten zu diesem
       Zeitpunkt schon in aller Ruhe einige Bankfilialen entglast und ein
       Polizeiauto in Brand gesteckt. Die Polizei ging dort, wie in vielen anderen
       Städten, am Tag der WM-Eröffnung ebenfalls offensiv zur Sache, setzte
       Gasgranaten, Pfefferspray und Gummigeschosse ein.
       
       ## Mindestens zehn Verletzte
       
       Internetvideos zeigen tumultartige Szenen bei Auseinandersetzungen zwischen
       Demonstranten und Polizei – nicht nur [1][in Belo Horizonte], sondern auch
       in der südbrasilianischen Millionenstadt Porto Alegre und der
       Wirtschaftsmetropole [2][São Paulo], wo eine CNN-Reporterin bei
       Auseinandersetzungen verletzt wurde und Spezialeinheiten der Polizei eine
       Gruppe von 20 Demonstranten mit Blendgranaten und sonstigem Schusswerk
       bedachte. Mindestens zehn Demonstranten wurden dabei verletzt.
       
       Bereits im Vorfeld der Weltmeisterschaft hatte die Polizei etwa in Rio de
       Janeiro am Mittwoch einige Aktivisten rein vorsorglich zu Hause besucht und
       vorübergehend mit auf die Wache genommen. Unter ihnen befand sich auch die
       Szenefigur Elisa Quadros, die als charmante, militante Aktivistin unter dem
       Spitznamen Sininho Prominentenstatus besitzt. Die Proteste kamen trotzdem.
       
       Auch innerhalb der offiziellen Fifa-Zone, im WM-Stadion von São Paulo, wo
       Brasiliens Elf auf Kroatiens Landesauswahl traf, wurde Brasiliens
       Staatspräsidentin Dilma Rousseff von Sprechchören empfangen und teils übel
       beschimpft. Nachdem Rousseff zur Eröffnung des Confed-Cups vor einem Jahr
       von den Fußballfans ausgepfiffen worden war, hatte sie diesmal darauf
       verzichtet, zur WM-Eröffnung eine eigene Rede zu halten. Weite Teile der
       Bevölkerung sind sauer, weil das Land mindestens acht Milliarden Euro in
       die WM gesteckt hat – aber es vor allem im Bildungs- und Gesundheitssystem
       an vielem mangelt.
       
       ## Festnahmen und bunte Demonstrationen
       
       Die Weltmeisterschaft in Brasilien – tatsächlich begann sie mit teils
       harten politischen Auseinandersetzungen auf den Straßen und Dutzenden
       Festnahmen. Aber auch mit zahlreichen friedlichen, bunten Demonstrationen.
       
       Ehe vor dem Eröffnungsspiel in Rios Stadtzentrum, am Fuße der anschaulichen
       Torbögen von Lapa, Gasgranaten und Steine flogen, waren hier einige tausend
       Menschen in bunten Fantasiekostümen und durchweg guter Laune unterwegs, um
       für mehr Sozialinvestitionen und gegen die hohen Ausgaben für die
       Fußball-WM zu demonstrieren – schön war's: Gay-Parade, Glamour-Demo und
       Lehrerstreik in einem.
       
       Für hunderttausende Brasilianer war die WM-Eröffnung – trotz teils
       gemischter Gefühle – aber vor allem ein riesiges Freudenfest. In Rio de
       Janeiro kam der Straßenverkehr während des Eröffnungsspiels zum Erliegen,
       allein hunderte Busse kurvten weitestgehend ohne Fahrgäste durch die leeren
       Straßen; so gut wie alle Geschäfte ließen während des Spiels ihre Türen
       geschlossen. Und als Neymar und nochmal Neymar und dann Oscar ein
       Fußballspiel gegen Kroatien gewannen, war für sehr viele Brasilianer die
       Welt für einen kurzen Moment sehr schön. Aber nicht für alle. Und sicher
       nicht für immer.
       
       13 Jun 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=5Ff6QYZoOJA
 (DIR) [2] http://www.youtube.com/watch?v=o5L434u-ZGE
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
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