# taz.de -- Kinostart „Divergent – Die Bestimmung“: Posterwechsel im Mädchenzimmer
       
       > Ein Mädchen rebelliert: In „Divergent – Die Bestimmung“ trifft der
       > Groschenroman auf Öko-Agitprop, Teenie-Horror aufs Martial-Arts-Drama.
       
 (IMG) Bild: Action, garniert mit schmachtenden Blicken: Shailene Woodley als Beatrice Prior und Theo James als Four in „Divergent“.
       
       Die USA, zerstört von einem Krieg der Zukunft. Eine Gesellschaft, die sich
       nach einer strengen Ordnung neu formiert hat. Ein Mädchen, das zuerst in
       dieser Ordnung aufsteigt und dann gegen sie zu rebellieren beginnt. – In
       der oberflächlichen Beschreibung klingt „Divergent – Die Bestimmung“ nach
       etwas, was man schon mal gesehen hat.
       
       Von vorzeitigem Abwinken wird jedoch abgeraten: denn die Ähnlichkeit der
       Elemente macht die Sache eher interessant. Wer sich bei den „Tributen von
       Panem“ eingesehen hat in die Welt der Dystopien, in denen junge Heldinnen
       ihre Taffness unter Beweis stellen und sich von gut gebauten Jungs
       bewundern lassen, kommt in „Divergent“ auf seine Kosten.
       
       Die Autorin Veronica Roth, deren Buchtrilogie das angekündigte Franchise
       (es folgen „Insurgent“ und „Allegiant“) zur Vorlage hat, hat ihre Dystopie
       in bewährter Weise als Antwort auf eine Grundfrage ihrer „Young
       Adult“-Leserschaft aufgebaut.
       
       „Divergent“ arbeitet sich an der Identitäts- und Charakterbildung ab: Wer
       bin ich und was kann ich? Im Chicago der Zukunft, das von einer Mauer
       umgeben ist, hinter der sich ein zerstörtes Umland erstreckt, sind
       „Tugenden“ zur Struktur erhoben worden. Die Menschen der Stadt leben in
       fünf Charakter-Fraktionen unterteilt, die getrennt ihren jeweiligen
       Aufgaben nachgehen: die Furchtlosen verteidigen, die Altruisten regieren,
       die Gelehrten geben Rat, die Freimütigen sprechen Recht und die
       Freundlichen bestellen das Land.
       
       ## Angenehm physische Action
       
       Alle 16-Jährigen werden jedes Jahr auf ihre „Bestimmung“ hin getestet.
       Dabei geschieht das Unvermeidliche: Unsere Heldin Beatrice (Shailene
       Woodley) erweist sich als „unbestimmt“ (divergent) und passt nicht ins
       System. Ihre wahre Identität verbergend, entscheidet sie sich für die
       Fraktion der Furchtlosen. Dort muss sie sich erst in körperlicher Stärke
       bewähren, um dann an der Seite ihres Trainers Four (Theo James) eine
       schreckliche Verschwörung aufzudecken.
       
       Wie gesagt ist es nicht die Originalität der Handlung, die an „Divergent“
       die Aufmerksamkeit fesselt. Vielmehr ist es das eigenartige Amalgam von
       Genres, die einst streng getrennt waren. Der Groschenroman trifft auf den
       ökologischen Agitpropfilm, der Teenie-Horror aufs Martial-Arts-Drama, eine
       Rosamunde Pilcher für 16-Jährige kommt in eine Science-Fiction-Welt, die
       dementsprechend wenig vom Technik-Schnickschnack geprägt ist.
       
       Zwar gibt es auch in „Divergent“ eine allmächtige Elektronik, die –
       angeleitet von Kate Winslet als „gelehrte“ Übermutter – mittels einer nie
       geklärten Mischung aus Programmierung und Serumsspritzen Menschen steuert.
       Das Angenehme und Überraschende ist aber, wie physisch es zugeht: die
       Action besteht zum größten Teil aus Rennen, Schlagen, Springen, Schießen.
       Das allerdings garniert mit den fürs Mädchengenre obligatorischen
       Blickwechseln – mal hasserfüllt, mal grüblerisch, mal sehnsüchtig und auch
       mal richtig schmachtend.
       
       ## Neuer Poster-Boy
       
       Mit Shailene Woodley (als Clooney-Tochter in „The Descendants“ zu sehen)
       haben die Produzenten einen Glücksgriff getan. Ähnlich wie Jennifer
       Lawrence und doch noch mal anders verkörpert Woodley geradlinig das
       Mädchenideal: nicht zu hübsch und nicht zu hässlich, unsicher, wenn es um
       sie selbst, aber taff, wenn es um die Sache geht, tierlieb und voller
       Gerechtigkeitsempfinden.
       
       Die vielleicht noch größere Entdeckung stellt Theo James dar, der das
       männliche Sexobjekt an ihrer Seite gibt: Zu Beginn mag man ihn noch für
       eines der ununterscheidbaren Hübschgesichter mit trainiertem Oberkörper
       halten, die offenbar an einem geheimen Ort für Hollywood geklont werden, am
       Ende aber hört man förmlich, wie in Tausenden von Mädchenzimmern die alten
       Poster von der Wand gerissen werden, um sie durch sein Konterfei zu
       ersetzen.
       
       9 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Schweizerhof
       
       ## TAGS
       
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