# taz.de -- BKA-Chef Ziercke in der Kritik: Wenn die Affäre zum Fall wird
       
       > Die Version des Bundeskriminalamtes zum Fall Edathy ist
       > widersprüchchlich. Für den Chef Jörg Ziercke wird die Geschichte
       > zunehmend zum Problem.
       
 (IMG) Bild: Alarmstufe rot für Jörg Ziercke.
       
       Die Wut auf BKA-Chef Jörg Ziercke wächst. Und die Vorgänge im
       Bundeskriminalamt im Zusammenhang mit dem Fall Edathy werden immer
       undurchsichtiger. Die oberste Polizeibehörde hält nach wie vor an ihrer
       Darstellung fest, wonach ihr erst im Oktober 2013 klar geworden sei, dass
       der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy auf einer Kundenliste eines
       kanadischen Anbieters von kinderpornografischem Material gestanden habe.
       Was nach den jüngsten Zeitungsberichten in dieser Woche gründlich
       irritiert: Bereits zwischen dem Oktober 2012 und dem Oktober 2013 sollen
       vier Beamte des BKA zum Abgeordneten Edathy recherchiert haben – und sie
       sollen dabei auch auf den Begriff „Kinderpornografie“ gestoßen sein.
       
       BKA-Chef Ziercke steht wieder einmal in der Kritik. Noch ist die Frage
       nicht beantwortet, ob er seinem Dienstherren, dem damaligen
       Bundesinnenminister Friedrich, über den Kinderpornoverdacht gegen Edathy
       überhaupt hätte unterrichten dürfen (schließlich war zu diesem Zeitpunkt
       gar kein Strafverfahren gegen Edathy eingeleitet). Dann musste Ziercke den
       empörten Innenpolitikern aller Fraktionen erklären, warum er dem
       Innenausschuss den Rauswurf eines ranghohen Beamten verschwiegen hatte, der
       auf derselben Kundenliste wie Edathy gestanden hatte.
       
       So wie es aussieht, wird Zierke am Mittwoch erneut vor den Innenausschuss
       zitiert (bereits zum vierten Mal in dieser Sache). Dem BKA-Chef dürfte
       schwerfallen, den Unmut der Fachpolitiker über ständig neue und sich
       widersprechende Enthüllungen und Ungereimtheiten zu besänftigen.
       
       Folgen wir zunächst der Version des BKA, die so auch von der
       Bundesregierung mitgetragen wird. Danach ging es bei den jetzt bekannt
       gewordenen Recherchen der Jahre 2012 und 2013 nicht um etwaige Bestellungen
       von Bildern nackter Kinder. Die Abfragen erfolgten vielmehr im Zuge der
       Bearbeitung eines „vermeintlichen Sprengstoffanschlags auf den Briefkasten
       des Büros von Sebastian Edathy im Dezember 2012 sowie der Bearbeitung von
       Gefährdungssachverhalten zum Nachteil der Schutzperson Edathy im August und
       September 2013“. So teilt es das BKA schriftlich mit.
       
       Bei Anfragen nach einem bestimmten Namen würden sämtliche Vorgänge im
       System als Fundstellen angezeigt, in denen dieser Name eine Rolle spielt.
       Der Vorgangsnachweis im konkreten Fall hätte zwar die Vorgangsnummer und
       den Betreff „Besitz/Erwerb von Kinder-/Jugendpornografie – OP Selm“
       enthalten. OP Selm steht für die Ermittlungen gegen den kanadische
       Kinderpornoring. Weitere Informationen zum konkreten Sachverhalt, ein Bezug
       zum Bundestagsabgeordneten Edathy sowie dessen Rolle in dem entsprechenden
       Vorgang seien aber nicht zu entnehmen gewesen.
       
       Diese Darstellung ist, vorsichtig gesagt, schwer verdaulich. Professionelle
       Ermittler recherchieren nach einer Anzeige zu einem möglichen Anschlag nach
       einer konkreten, namentlich bekannten Person. Nicht nur, dass sie den
       Hinweis auf den möglichen Erwerb von Kinderpornografie ignorieren. Sie
       sollen nicht einmal bemerkt haben, dass es sich bei dem potenziellen
       Anschlagsopfer um einen Bundestagsabgeordneten, noch dazu einen bekannten,
       gehandelt hat. Schließlich war Edathy zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender des
       NSU-Untersuchungsausschusses. Und in dieser Funktion hatte er die Arbeit
       des BKA wiederholt hart kritisiert.
       
       Ziercke galt lange Zeit als schwer ersetzbarer Profi im Bundeskriminalamt.
       Das ist vorbei. Mit jeder Woche mutiert die Affäre Edathy etwas mehr zur
       Affäre Ziercke. Immer wahrscheinlicher wird die Einsetzung eines neuen
       Untersuchungsausschusses. Und immer fraglicher wird auch, ob Ziercke noch
       bis zum Herbst – dann soll der 66-jährige BKA-Chef in den Ruhestand treten
       – im Amt zu halten ist. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang
       Boßbach, hat recht: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir noch längst
       nicht alles wissen, was wir wissen müssten.“
       
       2 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolfgang Gast
       
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