# taz.de -- Blogger in Vietnam: Kampf gegen „die andere Sicht“
       
       > Die vietnamesische Regierung versucht Blogger, die das Meinungsmonopol
       > der KP herausfordern, mit Haftstrafen zum Schweigen zu bringen.
       
 (IMG) Bild: Der Ex-Journalist und Blogger Truong Duy Nhat am 4. März vor Gericht in der zentralvietnamesischen Stadt Danang.
       
       BERLIN taz | Der 50-jährige Journalist Truong Duy Nhat aus der
       zentralvietnamesischen Stadt Danang hat seit 1987 nacheinander für zwei
       offizielle Tageszeitungen gearbeitet, darunter ein Regionalblatt der
       Polizei. Doch in diesen von Vietnams Kommunistischer Partei kontrollierten
       Medien konnte Truong nur schreiben, was die autoritär allein herrschende
       Partei vorgab.
       
       Private und unabhängige Medien gibt es in Vietnam nicht. Deshalb wurde
       Truong, als er 2011 die Zensur und Selbstzensur leid war, zum Blogger. „Ich
       möchte über Dinge schreiben, über die ich schreiben will", erklärte Truong
       bei der Gründung seiner Seite „Die andere Sicht".
       
       Blogs fordern in Vietnam die offiziellen Medien, die Zensur und die
       dahinterstehende Partei heraus. Blogs sind das Hauptkampfgebiet um
       Information zwischen kritischen Bürgern und der Partei.
       
       Vielfach schreiben Journalisten in Blogs, was sie offiziell nicht schreiben
       dürfen. Umgekehrt versucht die Partei immer wieder wieder mit Härte, den
       Einfluss der Blogger zurückzudrängen. Am 27. Mai letzten Jahres war auch
       für den Blog „Die andere Sicht" Schluss. Truong wurde festgenommen und
       seine mittlerweile populäre Seite geschlossen.
       
       Am Dienstag dieser Woche wurde Truong dann zu zwei Jahren Gefängnis
       verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, gegen den berüchtigten Paragrafen 258
       des Strafgesetzbuches verstoßen zu haben. Der bestraft den „Missbrauch
       demokratischer Freiheiten".
       
       ## Vietnams Führung in schlechtes Licht gerückt
       
       Truong soll mit seinen Berichten Vietnams Führung in schlechtes Licht
       gerückt haben. So hatte er den Rücktritt von Parteichef Ngyuen Phu Trong
       und Ministerpräsident Nguyen Tan Dung gefordert, die für „politisches
       Chaos", „die schlechte Wirtschaftslage" und das Versagen der
       Korruptionsbekämpfung verantwortlich seien.
       
       Truongs Artikel würden in westlichen Demokratien als freie Meinungsäußerung
       gelten. In Vietnam ist zwar das Lästern über die verbreitete Korruption ein
       beliebter Volkssport, aber die dafür Verantwortlichen zu benennen und auch
       noch Konsequenzen zu fordern, ist so brisant, dass dies in der Regel
       ausbleibt.
       
       Truong ist nur der letzte Fall einer Reihe von Bloggern, die seit 2011 von
       den Behörden inhaftiert wurden, obwohl auch die zum Jahreswechsel in Kraft
       getretene neue Verfassung wieder Meinungsfreiheit verspricht. Doch im Index
       der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt Vietnam nur auf dem 172.
       Rang von 179 Staaten.
       
       ## Die Lage in Vietnam ist noch schlimmer als in China
       
       Vietnam ist laut Reporter ohne Grenzen nach China das größte Gefängnis für
       Blogger der Welt, wobei gemessen an der Bevölkerungsgröße die Lage in
       Vietnam schlimmer sei. Ein Bericht der Organisation vom September 2013
       zählte 35 inhaftierte Blogger. Human Rights Watch zählt nur für das Jahr
       2013 63 Verhaftungen wegen kritischer Meinungsäußerungen.
       
       Im September 2013 trat mit dem Dekret 72 eine weitere Verschärfung in
       Kraft, die es Internetnutzern untersagt, in privaten Mails und sozialen
       Netzwerken politische Informationen zu verbreiten.
       
       Anders als im großen China, wo die Regierung den Zugang zu sozialen
       Netzwerken westlicher Internetkonzerne ganz sperrt und hinter einer großen
       Firewall nur Kopien parteinaher nationaler Konzerne zulässt, auf deren
       Server sie stets Zugriff hat, ist Vietnam für so einen Ansatz zu klein.
       
       ## 30 Millionen nutzen das Internet, 20 Millionen Facebook
       
       Von den 90 Millionen Einwohnern Vietnams haben gut ein Drittel Internet, 20
       Millionen nutzen Facebook. Zwar versucht die Regierung in Hanoi mit
       geringem Erfolg westliche Webfirmen zu zwingen, ihre Server in Vietnam
       aufzustellen. Aber ansonsten schwankt sie zwischen relativ freiem
       Netzzugang und periodischen Sperrungen von zum Beispiel Facebook.
       
       Gesetze wie das Dekret 72 wirken vor allem einschüchternd und bieten den
       Behörden die Möglichkeit, Exempel zu statuieren.
       
       4 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
       
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