# taz.de -- EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: Eklat bei deutscher Knesset-Rede
       
       > Mehrere Abgeordnete verließen den Saal und bezichtigen SPD-Politiker
       > Schulz der Lüge. Der hatte gesagt, dass Palästinensern weniger Wasser zur
       > Verfügung steht.
       
 (IMG) Bild: Seit Sonntag in Israel: Martin Schulz, hier in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
       
       JERUSALEM dpa/afp | Bei einer Rede des Präsidenten des EU-Parlaments,
       Martin Schulz (SPD), auf Deutsch im israelischen Parlament ist es zu einem
       Eklat gekommen. Abgeordnete der rechten Siedlerpartei von
       Wirtschaftsminister Naftali Bennett riefen „Schande“ und verließen unter
       Protest den Saal, wie israelische Medien am Mittwoch berichteten. Sie
       bezichtigten Schulz der Lüge.
       
       Bennett schrieb auf seiner Facebook-Seite, Schulz habe gelogen, als er
       sagte, Palästinensern stehe weniger Wasser zur Verfügung als Israelis.
       Außerdem habe Schulz von einer Blockade des Gazastreifens durch Israel
       gesprochen. „Ich fordere den Präsidenten des Europäischen Parlaments auf,
       sich von seinen beiden lügnerischen Äußerungen zu distanzieren“, schrieb
       Bennett weiter. „Ich akzeptiere keine Lügen von einem Deutschen“, wurde der
       Minister zitiert.
       
       Moshe Feiglin, Mitglied der Likud-Partei von Regierungschef Benjamin
       Netanjahu, war der auf Deutsch gehaltenen Rede ganz fern geblieben. „Ich
       werde während der Rede abwesend sein, weil es unpassend ist, dass im
       Parlament des jüdischen Staates eine Rede in der Sprache gehalten wird, in
       der unsere Eltern in die Eisenbahnwaggons und in die Krematorien gestoßen
       wurden“, schrieb er auf Facebook.
       
       ## Kritik an Überempfindlichkeit
       
       Zuvor hatte Schulz eine bisweilen übergroße Empfindlichkeit in Israel
       gegenüber Kritik aus Europa beklagt. „Gegenseitige Kritik ist in
       Demokratien ganz normal“, entgegnete er am Mittwoch in Jerusalem auf
       Vorhaltungen israelischer Journalisten.
       
       Sie warfen Europa vor, Israels Besatzungs- und Siedlungspolitik in den
       Palästinensergebieten zu kritisieren, Menschenrechtsverbrechen wie in
       Syrien aber nur am Rande zu erwähnen. „Die EU steht zu ihren besonderen
       Beziehungen zu Israel, aber das bedeutet nicht, dass sie mit jeder
       Entscheidung der israelischen Regierung einverstanden sein muss“, betonte
       Schulz.
       
       Beim Friedensprozess plädierte der EU-Politiker für Pragmatismus. „Die
       israelischen Siedlungen sind nach der Genfer Konvention illegal, aber sie
       sind auch real“, sagte er. „Wir brauchen keine Diskussion, ob sie legal
       oder illegal sind, sondern über praktische Lösungen“.
       
       Einem Boykott Israels erteilte Schulz eine klare Absage. „Es gibt keinen
       Boykott. Im Europäischen Parlament gibt es dafür sicherlich auch keine
       Mehrheit“, sagte Schulz am Dienstagabend in der Hebräischen Universität von
       Jerusalem. „Wir führen eine Debatte, ob Erzeugnisse aus den Siedlungen in
       besetzten Gebieten auf den EU-Markt gelangen können, ohne die Regeln der
       Europäischen Union zu verletzen. Der Ausgang ist offen.“
       
       Schulz, der sich seit Sonntag in der Region aufhält, hielt an der
       bedeutendsten israelischen Universität eine Gastvorlesung, nachdem ihm
       zuvor die Ehrendoktorwürde verliehen worden war. Die Universität würdigte
       damit nach Aussage ihres Präsidenten Menachem Ben-Sasson den Einsatz des
       deutschen Sozialdemokraten gegen Antisemitismus und Intoleranz.
       
       ## Sanktionen sind Ländersache
       
       Auf entsprechende Fragen antwortete Schulz: „Boykott ist ein sehr hartes
       Wort und bedeutet, dass Kooperation und Handel zwischen Ländern total
       geblockt werden. Davon ist keine Rede.“ Sofern es Überlegungen gebe,
       Sanktionen gegen israelische Produkte oder Einrichtungen zu beschließen,
       gingen diese nicht von der EU oder ihren Institutionen aus, sondern von
       einzelnen europäischen Ländern. Er persönlich trete dafür ein, „die
       fruchtbare Zusammenarbeit der EU mit Israel zu vertiefen“.
       
       Zur Frage einer Kennzeichnungspflicht in der EU für Siedler-Produkte meinte
       er: „Ich bin mir nicht sicher, ob das helfen würde“. Die Hälfte seiner
       Gesprächspartner habe mehr wirtschaftlichen Druck auf Israel gefordert, die
       andere Hälfte davor gewarnt. Sollten die Friedensgespräche hingegen
       scheitern, werde die EU ihre Hilfen für die Palästinenser vermutlich sogar
       noch ausweiten müssen.
       
       Die EU-Kommission hatte Mitte 2013 Leitlinien beschlossen, die verhindern
       sollen, dass europäische Beihilfen an israelische Forschungsstätten auch in
       die Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten fließen; diese werden
       von der EU als völkerrechtswidrig eingestuft. Auch die Durchsetzung der
       korrekten Herkunftsbezeichnung von Siedlerprodukten wird auf EU-Ebene
       derzeit vorbereitet; dies soll für Transparenz bei der Kaufentscheidung
       sorgen.
       
       Am Montag hatte sich Schulz in Ramallah mit Palästinenserpräsident Mahmud
       Abbas über die laufenden Friedensverhandlungen gesprochen. Dabei habe er
       „direkte Friedensgespräche ohne Vorurteile und Vorbedingungen befürwortet“,
       sagte Schulz. Am Mittwoch will er eine Rede vor dem israelischen Parlament
       halten, bevor er am Nachmittag Staatschef Schimon Peres trifft.
       
       12 Feb 2014
       
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