# taz.de -- Israel fürchtet Boykottwelle: Exporte und Investitionen in Gefahr
       
       > Aufgrund der israelischen Siedlungspolitik stellen Wirtschaftspartner aus
       > Europa zunehmend ihre Geschäfte ein. Regierungsmitglieder warnen vor
       > Boykottwelle.
       
 (IMG) Bild: Ein hohe Mauer schützt diese israelische Siedlung bei Jerusalem.
       
       JERUSALEM afp | Die israelische Regierung reagiert mit wachsender
       Nervosität auf europäische Boykottmaßnahmen gegen ihre Siedlungspolitik in
       den besetzten Palästinensergebieten. Am Sonntag verwahrte sich
       Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gegen Aussagen von US-Außenminister
       John Kerry, der auf der Münchner Sicherheitskonferenz angesichts der
       Boykotte die dramatischen Konsequenzen eines Scheiterns seiner aktuellen
       Friedensinitiative beschworen hatte.
       
       Kerry hatte am Samstag in München gewarnt, es gebe eine wachsende Kampagne,
       um Israel zu delegitimieren. „Es wird über Boykotte und ähnliche Dinge
       gesprochen“, sagte der US-Außenminister. Der Ist-Zustand im
       israelisch-palästinensischen Konflikt sei deshalb „unhaltbar, illusorisch“.
       In Israel gebe es „momentanen Wohlstand, momentanen Frieden“. Aber es sei
       eine Tatsache, „dass der Status Quo sich ändern wird“, wenn der
       Friedensprozess scheitere.
       
       Netanjahu wies die Boykottwarnungen zu Beginn der wöchentlichen
       Kabinettssitzung scharf zurück: „Erstens veranlassen sie die Palästinenser
       nur, unbeweglich auf ihren Positionen zu verharren, was den Frieden
       unerreichbarer macht. Zweitens wird mich keinerlei Druck dazu bewegen, die
       vitalen Interessen Israels aufzugeben, wozu in erster Linie die Sicherheit
       seiner Bürger gehört.“
       
       Wirtschaftsminister Naftali Bennett, Gründer der Siedlerpartei „Jüdisches
       Heim“, griff Kerry direkt an: „Unsere Freunde in der Welt sollten uns gegen
       antisemitische Boykottanstrengungen zur Seite stehen und nicht als deren
       Verstärker dienen. Nur Sicherheit bringt wirtschaftliche Stabilität und
       nicht ein Terrorstaat in der Nachbarschaft des Ben Gurion-Flughafens“,
       kommentierte der entschiedene Gegner einer Zweistaatenlösung.
       
       ## Kränkend und ungerecht
       
       Auch Strategieminister Juval Steinitz kritisierte „kränkende, ungerechte
       und unerträgliche Wortmeldungen“. Israel dürfe „nicht gezwungen werden, mit
       der Pistole auf der Brust über seine dringendsten Sicherheitsinteressen zu
       verhandeln“, sagte er in einem Radiointerview.
       
       Aber auch der liberale Finanzminister Jair Lapid warnt vor den Folgen einer
       Boykottwelle: Eine Studie der Chefökonomen seines Ministeriums ergebe, dass
       Israel massive Einbußen zu erwarten habe, wenn mit den Palästinensern kein
       Abkommen erreicht werde.
       
       Die Studie sage voraus, dass ein Fünftel der Exporte nach und der
       Investitionen aus Europa wegbrechen werde. Dadurch würden die Ausfuhrerlöse
       um rund fünf Milliarden Euro jährlich sinken und auf der Stelle 9.800
       Arbeitsplätze wegfallen, sagte der Finanzminister.
       
       ## Umgeleitete Finanzen
       
       Am Wochenende griff Lapid selbst zu Maßnahmen gegen die Siedlerlobby. Sein
       Ministerium blockierte die Zahlung von Beihilfen an Siedlungen im
       Westjordanland, nachdem der private TV-Senders „Kanal 2“ enthüllte, dass
       Gelder umgeleitet und für politische Kampagnen genutzt wurden.
       
       Boykottmaßnahmen hatten sich zuletzt stark ausgeweitet auf Firmen und
       Institutionen in Israel selbst, die in den nach internationalem Recht
       illegalen Siedlungen wirtschaftlich aktiv sind.
       
       Zuletzt entschied laut israelischen Presseberichten vom Sonntag die „Danske
       Bank“, das größte dänische Geldinstitut, „aus rechtlichen und ethischen
       Gründen“ nicht mehr mit der israelischen Großbank Bank „Hapoalim“ zu
       kooperieren.
       
       Die Tageszeitung Jediot Ahronot veröffentlichte am Freitag eine Liste mit
       zehn weiteren europäischen Fonds und Privatfirmen die ähnliche Beschlüsse
       fassten. Das israelische Kabinett will in dieser Woche auf einer
       Sondersitzung diskutieren, wie mit den Boykottdrohungen umzugehen ist.
       
       2 Feb 2014
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Israel
 (DIR) Westjordanland
 (DIR) Siedlungsbau
 (DIR) Boykott
 (DIR) Siedler
 (DIR) Martin Schulz
 (DIR) Israel
 (DIR) Israel
 (DIR) Benjamin Netanjahu
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Israel
 (DIR) Israel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: Eklat bei deutscher Knesset-Rede
       
       Mehrere Abgeordnete verließen den Saal und bezichtigen SPD-Politiker Schulz
       der Lüge. Der hatte gesagt, dass Palästinensern weniger Wasser zur
       Verfügung steht.
       
 (DIR) Friedensgespräche im Nahen Osten: Kerry verstärkt den Druck
       
       Der US-Außenminister wird bald seinen Rahmenplan für die
       Friedensverhandlungen vorlegen. Das macht Israelis und Palästinenser
       nervös.
       
 (DIR) Oberstes Gericht in Israel: Lücken im Grenzzaun
       
       Zwei historische Kulturstätten in der Nähe von Bethlehem sollen zerstört
       werden. Auch die israelische Naturbehörde unterstützt den Protest.
       
 (DIR) Siedlungsstreit zwischen Israel und EU: Netanjahu spricht von „Heuchelei“
       
       Mehrere europäische Botschafter wurden in Israel einbestellt.
       Ministerpräsident Netanjahu ist die Kritik am Siedlungsbau leid.
       
 (DIR) Friedensbemühungen in Nahost: Kerry erweitert seine Reiseroute
       
       Der US-Außenminister setzt seine Pendeldiplomatie zwischen Israel und
       Plästina fort. Er besuchte auch Saudi-Arabien und Jordanien.
       
 (DIR) Kommentar Kerry in Israel: Kerrys letzter Anlauf
       
       Der US-Außenminister zeigt Mut bei seiner Nahostmission. Wieder handelt es
       sich um die „letzte Chance“ – für die Zweistaatenlösung ist es bald zu
       spät.
       
 (DIR) Friedensbemühungen in Israel: Tausche Häftlinge gegen Siedlungen
       
       Die Regierung in Jerusalem lässt 26 Gefangene frei. Gleichzeitig will sie
       aber 1.400 neue Wohneinheiten in Siedlungen bauen.