# taz.de -- Die Wahrheit: Regenschirm statt Rettungsschirm
       
       > Endlich wird alles gut. Irland steht wieder auf eigenen Finanzfüßen und
       > muss feststellen: Gar nichts ist gut.
       
 (IMG) Bild: Druckbetankung: Wer braucht schon Gläser?
       
       Das neue Jahr hat begonnen, und Irland ist obenauf. Seit drei Wochen ist
       das Land wieder unabhängig: Troika-Rettungsschirm adieu! Eine Kreditlinie
       als Sicherheitsnetz? Pah, brauchen wir nicht, höchstens einen Regenschirm
       gegen das Unwetter, das Irland seit Weihnachten beutelt. Angela Merkel
       liebt uns. Wir sind die Musterknaben der Europäischen Union, weil wir nun
       wieder auf eigenen Füßen stehen. Jubel!
       
       José Manuel Barroso, Präsident der EU-Kommission, und
       EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn wollten gern in Dublin mitfeiern.
       Schließlich habe Europa ein irisches Problem gelöst, meinte Barroso.
       Irlands Premierminister Enda Kenny winkte jedoch ab. Sie mögen bitte zu
       Hause bleiben, denn die Anwesenheit von zwei hochrangigen Politikern, deren
       Namen so eng mit der Troika verbunden seien, würde das falsche Signal
       aussenden. „Irland ist jetzt wieder auf Augenhöhe mit jedem anderen Land in
       der Eurozone“, prahlte Kenny.
       
       Ja, es ist wie in alten Zeiten. Ein Politiker, der bereits wegen Korruption
       verurteilt wurde, ist nun wegen Steuerhinterziehung angeklagt. In Limerick
       blüht die Vetternwirtschaft, denn der Bürgermeister hat seine ehemalige
       Mitarbeiterin zur Chefin des Kulturhauptstadtkomitees gemacht, woraufhin
       der Rest des Teams die Brocken hinwarf. Die Bankiers der Pleitebanken
       bekommen wieder anständige Boni. Dem Geschäftsführer eines Krankenhauses
       wurde das Gehalt auf 300.000 Euro im Jahr aufgestockt. Und die staatliche
       Klinik für Behinderte hat Spendengelder veruntreut und dem Führungspersonal
       zugeschanzt.
       
       Nur die große Mehrheit der Bevölkerung darf an der Irland-Erfolgsshow nicht
       teilnehmen, sie hat vom irischen Wunder gar nichts gemerkt. Aber sie muss
       nach wie vor die Suppe auslöffeln, die ihr Politiker und Banken eingebrockt
       haben. Gerade hat man ihr den siebten Sparhaushalt binnen fünf Jahren
       aufgedrückt, erneut wurde allenthalben gekürzt, neue Steuern wurden
       erfunden. Aber 2042 sollen die Schulden bezahlt sein, wenn alles glatt
       geht. Das wird es aber nicht. In diesem Jahr werden die Staatsschulden auf
       mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung klettern, die
       Verschuldungsquote der Privathaushalte ist die höchste der Welt.
       
       Nur die Arbeitslosigkeit ist auf gut 13 Prozent gesunken. Das liegt aber
       nicht an neuen Jobs, sondern an der Auswanderung: Täglich verlassen 100
       meist junge Leute die Grüne Insel. Finanzminister Michael Noonan findet das
       prima. Die Auswanderung habe nichts mit der Wirtschaftskrise zu tun, es sei
       ein „selbst gewählter Lebensstil“, salbaderte er unbelastet von jeglichem
       Realitätssinn. Seine vier Kinder lebten schließlich freiwillig im Ausland,
       sagte der Mann, dessen Gehalt nicht wesentlich geringer ist als das des
       US-Präsidenten. Ist es Blödheit oder Zynismus?
       
       Außerdem habe man eine Webseite für Arbeitssuchende eingerichtet, meinte
       Noonan gönnerhaft. Wenn man den Link anklickt, wird man direkt auf eine
       Ryanair-Seite umgeleitet. Dort werden allerdings nur einfache Flüge
       angeboten, Rückflugtickets gibt es nicht.
       
       6 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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