# taz.de -- Erste Opernregie von Christoph Waltz: Von Wien träumen
       
       > In „Django Unchained“ trug er Wagner in den Wilden Westen, jetzt
       > inszeniert Christoph Waltz tatsächlich Oper: Den „Rosenkavalier“ von
       > Richard Strauss.
       
 (IMG) Bild: Sekundengenau choreografierte Szenen erfreuen im „Rosenkavalier“ von Christoph Waltz in Antwerpen.
       
       Großer Auftrieb an der Vlaamse Opera in Antwerpen: Heerscharen von
       Kritikern, Dramaturgen und Intendanten, die halbe Opernwelt fiel am Sonntag
       in das kleine, aber feine Haus in Antwerpen ein, um das seit Monaten mit
       Spannung erwartete Regiedebüt von Christoph Waltz zu erleben.
       
       Bloß Quentin Tarantino, dessen schillernden Filmfiguren in „Inglorious
       Basterds“ und „Django Unchained“ der 57-jährige Waltz seine beiden Oscars,
       und damit seine Star-Prominenz verdankt, war zwischen all dem Szene- und
       Medienvolk nicht zu entdecken.
       
       Aviel Kahn, der umtriebige Intendant der flämischen Oper, hat ein Händchen
       dafür, wie er mit Coups wie diesem die internationale Aufmerksamkeit auf
       sein vergleichsweise mit geringen finanziellen Mitteln ausgestattetes,
       geschickt programmiertes Haus lenkt. Dabei ist die Mode, Film-Größen auf
       die Oper loszulassen, eigentlich schon wieder abgeflaut, nachdem
       Operndebütanten wie Doris Dörrie oder Bernd Eichinger an dem Genre so
       spektakulär scheiterten.
       
       Christoph Waltz freilich ist ein anderes Kaliber: Bekennender
       Opernliebhaber und -Besucher, gebürtiger Wiener mit Notenkenntnissen und
       überhaupt ein Künstler der raffinierten Zwischentöne und des virtuosen
       Handwerks. Schon im Vorfeld hatte Waltz in raren Interviews die Richtung
       ahnen lassen: Er vermisse in aktuellen Inszenierungen häufig die
       Transparenz und fühle sich durch dominante Regie-Einfälle von der Musik
       abgelenkt, die doch die Hauptsache in der Oper sei, gab er zu Protokoll.
       "Prima la musica" also und eine diskrete Absage ans Regietheater.
       
       ## Traum von vergangener Größe
       
       In Antwerpen wagt er sich nun ausgerechnet an Richard Strauss'
       „Rosenkavalier“, an jenes als gefällig, ja süßlich geltendes Schmankerl für
       Stimmfetischisten und Ausstattungs-Kulinariker von 1911, in dem Strauss und
       sein Librettist Hugo von Hofmannsthal sich ein ziemlich artifizielles
       Maria-Theresia-Wien herbei träumten und der Komponist seinen Hut tief vor
       Mozart, besser gesagt vor seinem Verständnis von Mozart zog.
       
       Auf der Antwerpener Bühne ist ein weitgehend klassisches, wenn auch stark
       reduziertes Setting zu sehen: Annette Murschetz hat eine variable
       Salon-Architektur mit eierschalfarbenen Wänden gebaut, die als Schlafgemach
       der Feldmarschallin ebenso taugt wie als Saal bei den Faninals und zuletzt
       als Beisel. Eva Desseckers Kostüme zitieren dezent sowohl Rokoko-Merkmale,
       als auch die schwingenden Röcke der 1950er Jahre.
       
       ## Delikatesse und subtile Präzision
       
       Waltz fasst die „Komödie für Musik“ vorsichtig an und ist spürbar bemüht,
       die üblichen Konventionen, das rührselig Behagliche des populären Stücks zu
       vermeiden. Es geht ihm um Feinheiten, um Delikatesse und subtile Präzision.
       Waltz liefert keine lauten Einfälle, keine robusten Charakterisierungen,
       sondern spielt klug mit Blicken, zurückhaltenden Gesten, Haltungen und
       filigranen Kleinigkeiten, die sich schließlich fügen. So als würde man
       einen von Max Ophüls Filmen aus größerer Distanz betrachten.
       
       Diese Dezenz ist selbst auf der zu intimen Räumlichkeiten verkleinerten
       Bühne nicht ungefährlich, denn wenn sich viel Personal wie in der
       Léver-Szene tummelt, gerinnen die Tableaus zu statischen Arrangements. Dann
       aber wieder gelingen sekundengenau choreographierte Personalszenen und
       messerscharfe Beobachtungen.
       
       Sehr schön sind auch die kleinen Ernüchterungen, die Waltz gerade in den
       sakrosankten Szenen einbaut: Wenn sich etwa Octavian als Brautwerber bei
       der Rosenüberreichung aus Versehen vor der Leitmetzerin statt vor Sophie
       verneigt, bevor Erstere ihm verstohlen die richtige Richtung weist. Oder
       wenn Sophie und Octavian sich am Schluss eben nicht stürmisch in die Arme
       fallen, sondern ziemlich sachlich einander an den Händen fassen und
       wackeren Schrittes abgehen.
       
       ## Leicht unterkühlt
       
       Die vom „Rosenkavalier“ ersehnten Rühr-Momente beschränken sich in Waltz'
       leicht unterkühlter Version vor allem auf die Szenen der Feldmarschallin im
       ersten Akt, in denen Maria Bengtsson mit Catherine-Deneuve-Grandezza schon
       früh resigniert und auch am Schluss weniger großmütig als todtraurig
       scheint. Einen echten Fiesling gibt Albert Pesendorfer als übergriffiger,
       ungewohnt brutaler Baron Ochs auf Lerchenau.
       
       Christiane Karg zeigt die Sophie mit silbrig leichtem Sopran als durchaus
       selbstbewusstes, vor Männer-, bzw. Vätergewalt jedoch zitterndes Geschöpf,
       das sich verschachert fühlt. Octavian ist bei Stella Doufexis ein Jüngling
       mit gebremstem Geschlechtsdrang, eher fragil und womöglich untauglich, ein
       echter Draufgänger zu werden.
       
       Gesungen wird insgesamt hinreißend in Antwerpen, insbesondere das Damentrio
       angeführt von Maria Bengtssons Feldmarschallin ist famos.
       Generalmusikdirektor Dmitri Jurowsky verfehlt dagegen im Graben die
       optimale Balance, trumpft oft allzu grob auf und konterkariert den
       Feinschliff auf der Bühne bisweilen schmerzlich. Dennoch: Ovationen für
       alle Beteiligten.
       
       17 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Regine Müller
       
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