# taz.de -- Nach NSA-Netzspionage: „Balkanisierung“ des Netzes droht
       
       > Die NSA-Spitzelaffäre sorgt für Ärger zwischen Brasilien und den USA. Das
       > südamerikanische Land will sich im Netz von US-Anbietern lösen.
       
 (IMG) Bild: Seit Jahren bespitzelt? Brasilianisches Internetforum von 2007.
       
       RIO DE JANEIRO ap | Wegen der Onlinespionage durch den Geheimdienst NSA
       will sich Brasilien vom derzeit US-zentrierten Internet unabhängiger
       machen. Unter anderem will die Regierung US-Firmen dazu zwingen, Daten von
       Brasilianern im Land aufzubewahren, sowie eigene Kabelverbindungen mit
       anderen Ländern aufbauen.
       
       Kürzlich war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst Mail-Nachrichten
       der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff abgefangen hat, in das
       Netzwerk des staatlichen Ölkonzerns Petrobras eingedrungen war und
       Brasilianer ausspioniert hat, die US-Dienste wie Facebook und Google
       nutzen.
       
       Rousseff verschob deshalb nicht nur ihren für Oktober geplanten
       Staatsbesuch in den USA, sie drängt auch das brasilianische Parlament, die
       Firmen per Gesetz dazu zu verpflichten, Daten von brasilianischen Nutzern
       im Land aufzubewahren. Die südamerikanischen Staaten sollen direkt
       miteinander verbunden werden und es soll ein Unterseekabel nach Europa
       gelegt werden, damit die Daten nicht wie bisher erst über die USA geleitet
       werden müssen, wo sie abgefangen werden könnten.
       
       Bereits im Dezember hatten einige Länder beim Treffen der Internationalen
       Fernmeldeunion in Dubai mehr staatliche Kontrolle über das Internet
       gefordert. Das hatten westliche Demokratien unter der Führung der USA und
       der EU abgelehnt. Inzwischen fordert Brasilien besonders aggressiv ein Ende
       der kommerziellen Vorherrschaft der USA im Internet. US-Firmen
       kontrollieren beispielsweise mehr als 80 Prozent der Onlinesuchen.
       
       ## Arbeit an Alternativen
       
       Brasilianer sind unter den aktivsten Nutzern von sozialen Medien im
       Internet und belegen bei Facebook den dritten Platz und bei Twitter und
       Youtube Platz 2. Um deren Daten vor Spionage zu schützen, will Brasilien
       jetzt mehr Internet-Knoten aufbauen, an denen große Datenmengen übertragen
       werden.
       
       „Brasilien will die Zahl der unabhängigen Internetverbindungen mit anderen
       Ländern erhöhen“, teilte Rousseffs Büro auf Anfrage von AP mit. In Zukunft
       solle nur noch Hard- und Software eingekauft werden, die brasilianischen
       Vorgaben für den Datenschutz entsprechen.
       
       2016 soll außerdem ein Kommunikationssatellit ins Weltall geschossen
       werden, über den militärische und Internetkommunikation abgewickelt werden
       soll. Und die Post will noch im kommenden Jahr einen verschlüsselten
       E-Mail-Dienst als Alternative zu Google und Yahoo anbieten.
       
       Viele Experten halten die brasilianische Kampagne aber für gefährlich: Sie
       könnte ein erster Schritt bei einer „Balkanisierung“, einer politischen
       Zersplitterung des globalen Internets sein, das mit minimaler Einmischung
       von Regierungen entwickelt wurde, monieren Kritiker. Länder mit autoritären
       Regierungen könnten zudem ähnliche Änderungen wie Brasilien einführen, um
       so die freie Meinungsäußerung zu unterbinden.
       
       ## Offene Struktur des Internets gefährdet
       
       Brasiliens Forderungen seien angesichts des NSA-Skandals zwar rational,
       sagt Bruce Schneier, ein US-Experte für digitale Sicherheit, doch könnten
       sie dazu führen, dass „einige der schlimmsten Länder versuchen, mehr
       Kontrolle über das Internet ihrer Bürger zu erlangen. Das sind Russland,
       China, Iran und Syrien. Das ist Tunesien. Das ist Ägypten.“
       
       „Die weltweite Reaktion beginnt erst und wird in den kommenden Monaten noch
       viel heftiger werden“, sagt Sascha Meinrath vom US-Forschungsinstitut
       America Foundation. Es bestehe die Gefahr, dass mit geografischer
       Abschottung viele weit verbreitete Software-Anwendungen nicht mehr
       funktionieren würden und die offene Struktur des Internets gefährdet werde.
       
       Internationale Spione – nicht nur aus den USA – würden sich ohnehin an die
       Abschottung anpassen, sagen Experten. Meinrath zufolge wäre es viel
       wichtiger, durchschlagskräftige internationale Gesetze auszuarbeiten, die
       Staaten dazu verpflichten, für den Datenschutz im Internet zu sorgen. „Es
       gibt nichts, was Brasilien machen kann, das seine Bürger realistisch
       schützen würde, wenn sie nicht auch das Handeln der USA ändern können“,
       sagt Meinrath.
       
       18 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bradley Brooks
 (DIR) Frank Bajak
       
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