# taz.de -- Alternative Investitionen: Das Spiel der Schattenmänner
       
       > Alfred Platow begreift die Investmentbanker gut. Und er will der
       > kommenden Generation endlich erklären, was und wie es wirklich läuft.
       
 (IMG) Bild: Flüssiges Geld: Mit Wettgeschäften wird die Rendite für die Investoren aufgebracht.
       
       Viele schimpfen über das Finanzkapital, aber nur wenige arbeiten damit.
       Alfred Platow ist eines dieser seltenen Exemplare, die etwas wissen von den
       Wegen des großen Kapitals und trotzdem drüber reden. Sehr gerne sogar. Man
       kann ihn auf Tagungen in China oder USA oder bei Fondsverwaltungen in
       Luxemburg antreffen, meist jedoch in seiner zweistöckigen Firmenzentrale im
       beschaulichen Hilden.
       
       Dorthin, an eine Pferdekoppel, ist das Finanzunternehmen Versiko AG von
       Düsseldorf aus hingezogen. Platows Haare haben auch etwas von einer
       Rossmähne – gleichwohl ergraut, schließlich ist er schon seit 1975 im
       alternativen Geldgeschäft rührig.
       
       Politisch korrekt, ökologisch korrekt – die Linken der Achtzigerjahre waren
       prinzipientreu. Diese Anlageprinzipien galt und gilt es zu prüfen: „Unsere
       Fondsmanager und Analysten gehen auf die Unternehmen zu und erklären, warum
       wir Millionen investieren, dass wir lange bleiben wollen und wie sich
       unsere Investition auswirken soll“, sagt Platow. „Mitsamt einem
       Anlageausschuss und Kriterien, die sich nur wenige trauen.“ So sind etwa
       Waffengeschäfte tabu oder der Umgang mit den Angestellten wird geprüft.
       „Und warum trauen wir uns das? Weil wir nicht private Gier haben.“
       
       Damit meint er, dass man mit so einer Art Vermögensverwaltung kein
       Multimillionär werden kann. Seine Geldverwalter schließen keine der Wetten
       ab, die den modernen Finanzsektor erst ausmachen. Damit werden sie immer
       exotischer, die Geldprüfer aus Hilden. Denn die Wirtschaftswelt, die Platow
       von innen seit 35 Jahren beobachtet, hat sich stark verändert: „Wir haben
       zu viel flüssiges Geld über die gesamte Menschheit hinweg; weil die
       obersten Prozent der Vermögenden so viel Liquidität haben.“
       
       ## Alle reichen Familien zocken
       
       Platow holt aus. Erklärt, warum ein Aldi oder ein Versicherungskonzern wie
       die Allianz in der realen Wirtschaft weniger erwirtschaften, als würden sie
       sich am internationalen Wettsystem beteiligen. Dass nicht nur Firmen,
       sondern alle reichen Familien mitzocken – „es ist die Gier, und das
       Mithalten mit den anderen“.
       
       Da geht es gar nicht mehr um Kredite für Investitionen, „sondern dass ich
       um das eigentliche Geschäft herum Wettscheingeschäfte aufbaue und damit die
       Rendite für die Investoren aufbringe.“
       
       Und damit die Renditen nicht über die Steuern mit allen geteilt werden,
       wandert das Geld in den Bereich der sogenannten Schattenbanken ab. Der ist
       mit 60 Billionen Dollar Handelsvolumen jährlich weltweit inzwischen wieder
       größer als vor dem Ausbruch der Finanzkrise.
       
       Er beugt sich vor, als wollte er einen Schnäppchentipp geben. „Stell dir
       vor, wir hätten ein paar hundert Millionen. Haben viele heutzutage. Da
       können wir eine nicht als Bank oder Versicherung lizenzierte Gesellschaft
       aufmachen, so was kannst du auch Schattenbank nennen. Niemand kann uns dann
       in die Karten pfuschen, niemand kontrolliert – ja es zeichnet noch nicht
       einmal jemand auf, was wir tun.“
       
       ## Spekulationsgewinne werden kaum besteuert
       
       Werden Gewinne erzielt, landen sie zwar irgendwann auf Konten von realen
       Menschen. Das Geld wird vorher aber immer legal über irgendeine Steueroase
       geschleust, die solche Spekulationsgewinne gar nicht oder kaum besteuert.
       
       Warum wird dieses System nicht gestoppt? Platow hat schon mit allerhand
       Politikern darüber zu diskutieren – versucht. „Die Politik kann es entweder
       von ihrem Denkvermögen her nicht verstehen, oder sie will nicht. Geschweige
       denn es in der politischen Maschinerie verarbeiten und daraus Regulierungen
       machen. Denn die Politik hat sich entweder direkt von der Geldindustrie
       abhängig gemacht oder kriegt den Druck über die mitwettende Wirtschaft.“
       
       Und die Bankenaufsicht? „Das Aufsichtsamt Bafin wird zu 100 Prozent bezahlt
       von den Unternehmen, die es prüft. Warum sollte die Bafin überhaupt nur
       einen Anlass haben, sich um die Nebengeschäfte der Banken zu kümmern? Wenn
       Sie das verändern wollen, müssten Sie ein staatlich finanziertes und
       kontrolliertes System einführen.“
       
       Klingt schlimm. Wo bleibt die Hoffnung? Bei Platow ist sie schon vom
       Naturell her nicht fern. „Ich bin ja von Haus aus kein Banker, sondern
       Sozialarbeiter. Das System der Schattengelder wird in der Gesellschaft so
       lange bestehen bleiben, bis die Bildung es schafft, den Menschen ein
       Grundwissen zu vermitteln, wie Steuern, Geldverkehr und Banken
       funktionieren.“
       
       ## „Kein Pauker hat mir jemals etwas über Geld beigebracht“
       
       Ist das nicht sattsam bekannt, wie sich Geld heutzutage vermehrt?
       „Überhaupt nicht“, meint Platow. „Du zahlst dein Leben lang Steuern, aber
       Wissen über Geldliches wird weder gelehrt noch gelernt. Mein Sohn Robert
       wird mit Chemie gequält, aber das finanzielle Leben muss er über zu Hause
       verstehen. Auch mir hat kein Pauker jemals etwas über Geld beigebracht; es
       waren meine Eltern. Ich habe meine Karriere sozusagen dem
       Sozialisationsschaden des Steuerberatermilieus zu verdanken.“
       
       Wenn viel mehr Wähler verstünden, wie das mit dem Geld läuft, so Platows
       Kalkül, „dann können sie auch parteipolitisch entscheiden, ob sie weiter
       Brot- und Geldspiele zulassen.“ Er denkt kurz nach, wird dann doch einen
       Augenblick zaghaft. „Es verstehen noch zu wenige. Und selbst wenn es an den
       Unis und Schulen mit der Lehre losgeht, wird es noch weitere 20 Jahre
       dauern, bis wir einen Vorrat an Menschen haben, die da eingreifen können.“
       
       Noch mal 35 Jahre Marktbeobachtung? Das würde Platow dann doch ein wenig
       lang. „Vielleicht gründen ich oder andere eine neue Partei, die
       Finanzpiraten. Die müssten dann für dieses Thema stehen.“
       
       Und wie gut läuft das Geschäft bis dahin beim Nachhaltigkeitsmissionar
       Platow? Nicht schlecht bei einer halben Milliarde verwaltetem Vermögen. Vor
       der Finanzkrise waren es sogar eine Milliarde. Aber nicht gut genug, könnte
       man anmerken: Mit 63 Milliarden Euro sind nur etwa ein Prozent des
       deutschen Geldvermögens nachhaltig im weitesten Sinne angelegt, so eine
       Statistik der Bundesbank.
       
       Treiben wenigstens Bankenpleiten oder Reaktorkatastrophen wie die in Japan
       den Kontostand der ethisch orientierten Geldanleger hoch? „Keineswegs“,
       seufzt Platow. Er wird das oft gefragt. „Wir haben mit unserem Fonds
       Ökovision, wenn Sie vor 16 Jahren Geld angelegt haben, eine jährliche
       Rendite von vier Prozent erzielt.“ Seit Januar 2012 sind es gar über 20
       Prozent.
       
       Aber: „Wenn die Leute unsicher sind, machen sie erst mal gar nichts. Und
       ihre Bankberater genauso.“ Allerdings reagiere die mittlere Führungsebene
       in den Banken inzwischen. Die setzen dann nachhaltige Finanzprodukte auf.
       Alle litten jedoch unter einem Phänomen: „Bei jedem Autokauf wälzen Kunden
       ausgiebig Prospekte. Aber bei der Geldanlage will man schnell fertig werden
       und nicht so genau hingucken.“
       
       24 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Metzger
 (DIR) Reiner Metzger
       
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