# taz.de -- Häusliche Gewalt gegen Frauen: Sicherheitsrisiko Ehemann
       
       > Es kommt in den besten Familien vor. Fast jede zweite Frau, die in
       > Deutschland getötet wird, kennt ihren Mörder: Es ist ihr Lebenspartner.
       
 (IMG) Bild: Blumen am Tatort in Berlin-Kreuzberg, wo ein Mann seine Ehefrau in der Nacht zu Montag getötet hatte.
       
       BERLIN taz | Ein Mann ermordet seine Frau, zerstückelt sie und wirft
       einzelne Leichenteile in den Hof. Was genau am [1][Montag in
       Berlin-Kreuzberg in der Nähe des Besuchermagnets Potsdamer Platz geschah,
       ist noch nicht genau geklärt]. Die Polizei geht von einer Beziehungstat
       aus.
       
       Für die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes (TdF) ist der
       Kreuzberger Mord ein klarer Fall von häuslicher Gewalt – allerdings in
       einem extremen Ausmaß. „Wir sind geschockt und entsetzt über diesen
       grausamen Mord“, sagt Christa Stolle, TdF-Geschäftsführerin: „Es kommt
       nicht häufig vor, dass ein Fall von häuslicher Gewalt derart grausam
       endet.“
       
       Gewalt in den eigenen vier Wänden ist in Deutschland ein bekanntes Problem.
       Statistiken belegen, dass vor allem Frauen davon betroffen sind.
       ExpertInnen sprechen daher auch von „männlicher Gewalt im häuslichen
       Bereich“. Einer Studie des Familienministeriums zufolge hat jede vierte
       Frau zwischen 16 und 85 Jahren schon Gewalt durch den Ehemann, den
       Lebensgefährten oder einen anderen engen Vertrauten erlebt.
       
       Das reicht von einer Ohrfeige bis hin zu teilweise regelmäßigen und
       schweren Misshandlungen und Vergewaltigungen mit körperlichen und
       psychischen Langzeitfolgen. Nur in Ausnahmefällen kommt es zum Mord. Häufig
       eskaliert ein länger schwelender Konflikt in der Trennungsphase eines
       Paares.
       
       Schon lange ist bekannt, dass die meisten Mörder ihr Opfer gut kennen. Laut
       Bundeskriminalamt (BKA) waren 2011 etwa zwei Drittel der Opfer mit den
       Tätern eng verwandt oder bekannt. Seit Januar 2011 erfasst das BKA in der
       Kriminalstatistik erstmalig auch die „Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung“. So
       wird nun offensichtlich: Die Täter sind nicht irgendwelche Verwandten oder
       Bekannten. Von den 313 Frauen, die im vergangenen Jahr in Deutschland
       getötet wurden, wurden 154, also rund die Hälfte, vom eigenen aktuellen
       oder ehemaligen Lebenspartner ermordet.
       
       „Das ist sehr viel“, sagt Birte Rohles, Referentin für Häusliche Gewalt bei
       TdF. Etwa alle zweieinhalb Tage wird in Deutschland eine Frau durch ihren
       Partner getötet. Diese Zahl sei erschreckend, sagt Rohles, aber nicht
       überraschend: „Experten sind von einer solchen Größe ausgegangen.“
       
       Die Täter kommen aus allen sozialen Schichten, sagt sie. Der Arbeitslose
       kann genauso brutal werden wie der Professor. Man vermute aber, dass ein
       höherer finanzieller Druck eher zu einer schwierigen Situation führen
       könne, sagt Rohles. Statistiken darüber gibt es nicht. Auch die vielfach
       geäußerte Vermutung, dass häusliche Gewalt und Morde eher im migrantischen
       Milieu stattfinden, kann die TdF-Mitarbeiterin nicht bestätigen.
       
       ## Gewalt an Männern
       
       Es gibt auch Gewalt an Männern. Aber selbst diese werde hauptsächlich durch
       Männer verübt, weiß Heike Lütgert, Erste Kriminalhauptkommissarin im
       Ruhrgebiet. Hier handle es sich vor allem um Taten, die im öffentlichen
       Raum, also seltener zu Hause, stattfinden. „Frauen üben mit unter zehn
       Prozent selten Beziehungsgewalt gegen Männer aus“, sagt die Dozentin für
       Kriminologie und Kriminalistik an der Fachhochschule für öffentliche
       Verwaltung NRW in Bielefeld.
       
       Der Bundesregierung hat auf das Problem männlicher Gewalt im häuslichen
       Bereich reagiert und im März das Hilfetelefongesetz beschlossen. Ab Januar
       2013 soll es einen bundesweiten, kostenlosen Notruf für Frauen mit
       Gewaltproblemen geben. Das Hilfetelefon wird während der Aufbauphase in
       diesem Jahr mit 3,1 Millionen Euro finanziert.
       
       Später sollen es jährlich 6 Millionen Euro sein. Darüber hinaus gilt seit
       zehn Jahren das Gewaltschutzgesetz, das häusliche männliche Gewalt
       ausdrücklich anerkennt und nicht mehr als Nachbarschafts- und
       Familienstreitigkeit verharmlost.
       
       5 Jun 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Beziehungsmord-in-Berlin/!94725/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
 (DIR) Simone Schmollack
       
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