# taz.de -- Wintersport um jeden Preis: Kanonen gegen den Klimawandel
       
       > Bis jetzt wehrt sich die Sportindustrie gegen die Erderwärmung. Die
       > Skigebiete der Alpen werden immer mehr zu Vergnügungsparks, auch dank der
       > Schneekanonen.
       
 (IMG) Bild: Malerische CO2-Schleuder: Schneekanone auf dem Fellhorn bei Oberstdorf.
       
       BERLIN taz | Endlich ist Schnee gefallen auf der Zugspitze. Doch der arg
       trockene November wirkt noch nach. Auf Deutschlands höchstem Skigebiet, dem
       einzigen auf einem Gletscher, stehen die Lifte immer noch still. Die für
       den 27. November geplante Eröffnungsparty musste abgesagt werden. Es lag zu
       wenig Schnee.
       
       Die Betreiber der Liftanlagen von der Zugspitzbahn hoffen nun, dass es in
       der kommenden Woche losgehen kann, sonst muss das nächste Fest auch noch
       abgesagt werden. Am 18. Dezember ist Kindertag in den deutschen
       Skigebieten. Der Verband der Deutschen Seilbahnen lädt alle, die noch nicht
       16 sind, zum kostenlosen Liftfahren ein - ein Präsent für die Kunden von
       morgen. Doch wird es angesichts des Klimawandels überhaupt ein Morgen
       geben?
       
       Nur etwa 100 Kilometer südwestlich von der Zugspitze macht man sich darüber
       derzeit keine Gedanken. In Ischgl in Tirol liegt reichlich Schnee. Nicht im
       Ort mit seinen 1.500 Bewohnern und den über 10.000 Gästebetten, der Schnee
       liegt da, wo ihn die Wintersportler brauchen, auf den Pisten. Etwa 900
       Schneekanonen haben die Silvretta-Arena beschneit.
       
       18.000 Menschen sind an dem Tag, an dem die Garmischer Opening-Party
       abgesagt wurde, zur Saisoneröffnung gekommen und haben sich vom
       schwedischen Popduo Roxette in Stimmung bringen lassen. Ein Tagesskipass
       kostet 41 Euro, darin eingepreist sind 4,50 Euro für die
       Beschneiungsanlagen, wie die Silvrettabahn AG mitteilt. Der künstliche
       Winter ist nicht umsonst zu haben.
       
       ## Natursport und Umweltschutz
       
       "Das ist sicher extrem", meint Thomas Urban, der Hauptgesellschafter des
       Deutschen Alpenvereins. Sein Verband ist zum einen als
       Naturschutzorganisation anerkannt, zum anderen versteht sie sich als
       Sportorganisation. Dass diese zwei Bereiche bisweilen nur schwer unter
       einen Hut zu bringen sind, manifestierte sich nicht zuletzt bei der
       Bewerbung Münchens und Garmisch-Partenkirchens für die Olympischen
       Winterspiele 2018.
       
       Während viele Umweltverbände, die zunächst an einem Umweltkonzept für die
       Spiele mitgearbeitet haben, am Ende die Bewerbung ganz ablehnten, blieb der
       DAV bis zum Ende im Boot. "Das war eine Zerreißprobe für uns", erinnert
       sich Urban. Viele Mitglieder seien wegen des Olympiaengagements aus dem DAV
       ausgetreten. Urban hält es nach wie vor für richtig, die Bewerbung nicht
       abgelehnt zu haben.
       
       Er hält eine "Symbiose" von Natursport und Umweltschutz nach wie vor für
       möglich. Auch deshalb engagiert er sich in einem Zusammenschluss von
       Interessenvertretern aus Sport, Politik und Wirtschaft, das sich Kuratorium
       "Sport und Natur" nennt. Darin arbeiten neben Sportpolitikern, Verbände für
       Taucher, Paraglider oder Kanuten an der Zukunftsfähigkeit ihrer Sportarten
       in Zeiten des Klimawandels. Dabei sehen sie ihre Funktion auch im
       Dokumentieren von Veränderungen in der Natur, die vom Klimawandel ausgelöst
       werden.
       
       Urban berichtet von Rissen in den vom DAV betriebenen Berghütten, die einst
       auf Permafrost errichtet wurden. Der Boden taut auf, und so kommt etwa die
       höchstgelegene DAV-Hütte, das Brandenburger Haus, das auf 3.277 Metern Höhe
       in den Ötztaler Alpen steht, immer mehr in Bewegung. Wenn das Eis schmilzt,
       das an den Nordwänden der Hochalpen die Gesteinsbrocken festhält, haben es
       die Bergsteiger immer öfter mit massivem Steinschlag zu tun.
       
       ## Gute-Laune-Werbung
       
       Viele Nordrouten sind längst nicht mehr begehbar. Die Bergsteiger halten
       sich von ihnen fern. Nur die Skifahrer drängen, angetrieben von aufwändiger
       Gute-Laune-Werbung der Ausrüsterindustrie, nach wie vor in die Alpen, wo in
       Wintersportorten wie Ischgl mit Schneekanonen auf den Klimawandel
       geschossen wird.
       
       Derart gigantische Skistationen gibt es in den bayerischen Alpen nicht.
       Aber auch hierzulande ist die Produktion von Kunstschnee längst
       selbstverständlich. Das war nicht immer so. "Vor 15 Jahren waren wir noch
       gegen Schneekanonen", erinnert sich Thomas Urban. Die waren damals
       regelrecht verpönt. Jahrelang wurden in Bayern keine neuen Anlagen
       genehmigt.
       
       Das hat sich längst geändert. Massive Eingriffe in die Natur werden in Kauf
       genommen, um Schneesicherheit garantieren zu können. Derzeit wird am
       Brauneck, einem bei den Münchner Millionenstädtern beliebten Skigebiet für
       Tagesausflüge, das Ausheben eines gigantischen Sees auf 1.300 Meter Höhe
       geplant, in dem das Wasser für die Schneeproduktion gespeichert werden
       soll.
       
       Die zuständige Gemeinde Lenggries will den Riesenteich mit einem
       Fassungsvermögen von 100 Millionen Litern unbedingt. "Nur so können wir
       konkurrenzfähig bleiben", sagt der Lenggrieser Bürgermeister Werner Weindl.
       Naturschützer sind empört. Freunde der Bergwelt, die sich den Aktivisten
       der Gruppe "Mountain Wilderness" angeschlossen haben, organisieren Demos
       und Aktionen nicht nur am Brauneck. Ihr Motto: "Kein Funpark Alpen!"
       
       ## Wichtig für die deutsche Ski-Industrie
       
       Der Deutsche Alpenverein sieht sich auch hier in einer Vermittlerrolle und
       muss mitansehen, wie die Sportartikelindustrie mit immer neuen Ideen
       Menschen zum Sporttreiben in den Bergen verführt. Die greifen mit ihrem
       Hobby nicht nur in die Natur ein, wenn sie auf Kunstschnee Ski fahren.
       
       Liegt einmal natürlicher Schnee, dann drängen immer mehr Skifahrer auf
       Hänge abseits der präparierten Pisten und dringen in Bereiche vor, die
       normalerweise im Winter kein Mensch betritt. Mit neuem Kartenmaterial
       versucht der Alpenverein die Skifreunde auf den rechten Weg durch die Berge
       zu führen - nicht immer mit Erfolg. Keine 70 Kilometer von München
       entfernt, rund um die Rotwand am Spitzing, sagt Thomas Urban, ist der
       "Druck fast schon zu groß geworden".
       
       Von diesem profitieren vor allem die Sportartikelhersteller. Auch die sind
       über den Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie Mitglied im
       Kuratorium Sport und Natur und versucht da ihre Interessen zu artikulieren.
       Naturfreunde haben es dagegen oft schwer. Wie kommentierte
       Eurosport-Moderator Guido Heuber den sensationellen dritten Platz des
       Garmischers Fritz Dopfer im Weltcup-Riesenslalom in Beaver Creek vor einer
       Woche? "Das ist so wichtig für die deutsche Ski-Industrie." Genau.
       
       13 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Wintersport
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Wintersport und Klimawandel: Nun also Snowtuning
       
       Was tun, wenn der Schnee knapp wird? Zentren des alpinen Wintersports wie
       Sölden sorgen vor für den Fall eines drastischen Klimawandels.
       
 (DIR) Skifahren in den bayerischen Alpen: Die Münchener Hausberge
       
       Die Anreise ist nur kurz. Von München aus sind die Wintersportgebiete
       Spitzing, Brauneck und Sudelfeld bequem und schnell erreichbar.
       
 (DIR) Ski Alpin: Der fünfte Streich
       
       Die Slalomspezialistin Marlies Schild siegt in Serie. Nur zwei
       Weltcup-Erfolge fehlen der Österreicherin, um die Stangen-Ikone Vreni
       Schneider in der Bestenliste einzuholen.
       
 (DIR) Boris Becker bei London Chess Classics: "Schach ist ziemlich wie Tennis"
       
       Das Londoner Schachturnier ist eines der renommiertesten weltweit.
       Denksportler Boris Becker nahm teil und entdeckt interessante Parallelen,
       die er auch angstfrei äußert.
       
 (DIR) Fußballfan geschlagen: Prügelpolizist verurteilt
       
       Das Kriminalgericht verurteilt einen Polizisten zu einer Bewährungsstrafe.
       Er hatte nach dem Spiel Union vs. St. Pauli eine Frau schwer verletzt.
       Anfangs war sie selbst angeklagt gewesen
       
 (DIR) Spekulationsobjekt Fußballer: Poker um Poldi
       
       Kölns Manager Finke möchte mit einem Podolski-Transfer Kasse machen. Der
       Doppeltorschütze greift nun die Vereinsführung an, weil er sich nicht
       drängen lassen will.
       
 (DIR) Kolumne Press-Schlag: Edler Ritter von unglücklicher Gestalt
       
       Sein Eifer hat DFB-Chef Theo Zwanziger oft mies aussehen lassen. Dabei hat
       er viel Positives bewirkt. Durch seinen Abgang entsteht ein
       verbandspolitisches Vakuum.
       
 (DIR) Biathlon-Star gibt Karriereende bekannt: Magdalena Neuners letzter Schuss
       
       Genug gelaufen und geschossen. Magdalena Neuner stellt die Flinte weg. Die
       Größte-Biathletin-aller-Zeiten (GröBaZ) wird bei "Sturm der Liebe"
       mitspielen und sehnt sich nach Normalität.
       
 (DIR) Dopingverdacht bei Langstreckenläufern: Invasoren aus dem Hochland
       
       Kenianer bestimmen den Ausgang der großen Straßenläufe in Europa und
       Amerika. Da sie dabei immer schneller werden, kommen Dopinggerüchte auf.