# taz.de -- Wolfgang Herrndorf als Maler: Spiel mit konservativen Bildsprachen
       
       > Die Bilder des Autors und Illustrators sind im Berliner Literaturhaus zu
       > sehen: Karikaturen, Buchcover und Ölgemälde in altmeisterlichem Stil.
       
 (IMG) Bild: Selbstbildnis des Malers und Autors vom Juni 1988.
       
       Satte 17 Farbschichten hat das Selbstporträt, das Wolfgang Herrndorf 1988
       malt und das ihn, in radikaler Untersicht, hyperrealistisch als in seiner
       Einsamkeit breitbeinig dasitzenden Künstler zeigt. Ein großer Kontrast
       zwischen der – innerhalb des altmeisterlichen Rahmens, den Herrndorf vielen
       Bildern gibt – kühnen Bildidee und der Fleißarbeit der Umsetzung. Tagelang
       muss er vor einem Spiegel gesessen und auf Details, perspektivische
       Verkürzungen, den Faltenwurf seines T-Shirts und den Lichteinfall geachtet
       haben.
       
       Dass Wolfgang Herrndorf, der am 12. Juni fünfzig Jahre alt geworden wäre,
       malte und auch als Buchillustrator arbeitete, bevor er mit dem Schreiben
       anfing, weiß man. 600 Bilder sind erhalten, mehr, als man dachte nach den
       Vernichtungsanfällen, die er, längst todkrank, in seinem Tagebuch „Arbeit
       und Struktur“ beschrieb. In einer schönen Ausstellung im Berliner
       Literaturhaus sind nun viele Originale zu sehen.
       
       Mit sicherem Strich aufs Blatt geworfene Studien aus der Zeit an der
       Kunstakademie Nürnberg. Karikaturen für die Titanic. Vorlagen für
       Buchcover, etwa für die Romane von Frank Schulz. Ölgemälde. Dabei betreibt
       Herrndorf ein ironisches Spiel mit konservativen Bildsprachen; er malte in
       der Art der von ihm verehrten Künstler Vermeer, Dürer, Cranach, van Eyck.
       
       Warum hat er mit dem Malen aufgehört und mit dem Schreiben angefangen? In
       der Ausstellung gewinnt man den Eindruck: Vielleicht war sein malerischer
       Ansatz einfach ausgereizt. Die Bilder wirken so fertig. Was sollte sich da
       noch entwickeln? Das wiederholende Weitermachen hat ihn wohl nicht gereizt.
       Und so bot ihm der Wechsel der künstlerischen Ausdrucksform die
       Möglichkeit, aus seinem selbst gewählten Formenrahmen auszubrechen.
       
       Und zugleich ist viel von seinem malerischen Blick in seinen visuellen
       Schreibstil eingeflossen. Viele Szenen in „Tschick“ und „Sand“ wirken wie
       gesehen – und hinter ihnen sitzt in aller einsamen Breitbeinigkeit der
       Autor Herrndorf.
       
       12 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dirk Knipphals
       
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