# taz.de -- Undercover-Einsatz in Hamburg: „Iris“ ergreift die Flucht nach vorn
       
       > Nun ist klar: Der Einsatz der verdeckten Ermittlerin „Iris Schneider“ in
       > linker Szene war von Polizei gesteuert. Anderes bleibt ungewiss.
       
 (IMG) Bild: In der „Flora“ war Iris P. in ihren sechs Jahren als „verdeckte Ermittlerin“ (VE) hauptsächlich eingesetzt.
       
       HAMBURG taz | Die Aufklärung kommt scheibchenweise. Seit Monaten drucksen
       die Sicherheitsbehörden in der Angelegenheit der verdeckten Ermittlern Iris
       P. herum. Die hatte unter dem Tarnnamen „Iris Schneider“ von 2001 bis 2006
       die linke Szene in Hamburg infiltriert. Nun ergreift die 42-Jährige selbst
       die Flucht nach vorn.
       
       Vor der polizeiinternen Ermittlungsgruppe von Hamburgs Polizeipräsidenten
       Ralf Meyer hat Iris P. nun angegeben, alle wesentlichen Angaben des
       autonomen Zentrums „Rote Flora“ und des linken Radios „Freies Sender
       Kombinat“ (FSK) nach ihrer Enttarnung 2014 treffen zu. Das geht aus einer
       parlamentarischen Anfrage der Linkspartei hervor.
       
       In der „Flora“ und beim FSK war Iris P. in ihren sechs Jahren als
       „verdeckte Ermittlerin“ (VE) hauptsächlich eingesetzt. Ihr gesamtes
       Vorgehen und alle Aktionen, beteuert die Polizistin, auch der häufige
       freundschaftliche Besuch von Privatwohnungen, seien mit ihren „VE-Führern“
       des Staatsschutzes beim Hamburger Landeskriminalamt abgesprochen gewesen.
       Über ihre Liebesbeziehungen in der queer-feministischen Szene schweigt P.
       indes weiter.
       
       Mit ihren Angaben widerspricht die Undercover-Agentin der bisherigen
       Version der heutigen Polizeiführung, dass sich „Iris Schneider“ damals ohne
       Auftrag und Wissen der leitenden „VE-Führer“ im Radio FSK engagiert habe.
       Noch im Januar hatte Polizeipräsident Meyer in der letzten
       Innenausschusssitzung vor der Bürgerschaftswahl behauptet,
       „Berufsgeheimnisträger und das FSK waren nicht das Ziel ihres Einsatzes“.
       Das Engagement als Moderatorin und Reporterin bei den FSK-Sendungen
       „Revolte Radio“ und „Magazin für subversive Unternehmungen“ oder Auftritte
       bei Demonstrationen hätten der Beamtin nur zur „Aufrechterhaltung ihrer
       Legende“ gedient. Sonst, so Meyer, habe sie „Zurückhaltung geübt“.
       
       ## „Iris-Schneider“-Akten bleiben unter Verschluss
       
       Die nun vorliegende Bestätigung, dass „VE-Führer“ eben doch in Ps. Handeln
       eingebunden waren, stößt bei den Linken und Grünen in der Bürgerschaft auf
       keine Überraschung. Die grüne Innenpolitikerin Antje Möller begrüßt daher
       die Ankündigung von Innensenator Michael Neumann (SPD), dem neuen
       Sachverhalt durch die nochmalige Vernehmung der „VE-Führer“ weiter
       aufhellen zu wollen. Die Staatsschutzleute konnten sich bislang in
       Befragungen nur sehr vage an den Einsatz erinnern. Auch die Innenexpertin
       der Linken, Christiane Schneider, erwartet in der heutigen
       Innenausschusssitzung vom Innensenator und Polizeipräsidenten weitere
       Details über die Angaben von Iris P.
       
       Ungeachtet dessen halten Grüne und Linkspartei weiter an der Forderung nach
       einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss fest. Denn Iris P. war
       mindestens seit April 2001 verdeckt als Aufklärerin des LKA-Hamburg in der
       linken Szene tätig, ab Oktober 2001 arbeitete sie parallel auch als
       Ermittlerin für das Bundeskriminalamt und ab 2004 für das
       LKA-Schleswig-Holstein – beides im Auftrag des Generalbundesanwalts Kay
       Nehm.
       
       Während in Hamburg angeblich fast alle Daten über den Undercover-Einsatz
       gelöscht sind, verweigern das LKA Kiel und das BKA die Herausgabe von „Iris
       Schneider“-Akten. Wichtig ist vor allem die Frage, ob das Eindringen als
       verdeckte Ermittlerin in Privatwohnungen durch richterlichen Beschluss des
       Bundesgerichtshofs gedeckt war – oder ob Iris P. dies in der Funktion als
       Aufklärerin für das LKA Hamburg gemacht hat. Letzteres wäre rechtswidrig
       gewesen.
       
       ## Fester Bestandteil des FSK-Magazins
       
       Dass die offizielle Polizeiversion nicht mehr haltbar war, ist auch einer
       detaillierten Dokumentation der Macherinnen des queer-feministischen
       FSK-Magazins „Re(h)v(v)o(l)lte Radio“ zu verdanken. Iris P. sei „nicht nur
       als Moderatorin, sondern auch als Produzentin tätig und fester Bestandteil
       der Redaktion gewesen“, bilanziert das Team.
       
       Sie habe sogar den Namen der 2004 ins Leben gerufenen Sendung entscheidend
       mitgeprägt. So lautete der Arbeitstitel zunächst: „Steht ein Reh im Wald“.
       Iris P. sei das zu „naturnah und albern“ gewesen, so das Team. „Ihrer
       Meinung nach sollte der Name unserer Sendung ‚politischer‘ sein und ‚nach
       vorne gehen‘.“ Im Sommer produzierte Iris P. als Sprecherin einen
       FSK-Jingle zum Hamburger Schanzenfest, das zum ersten Mal seit Jahren
       wieder unangemeldet stattfinden sollte. Untermalt mit Musik aus dem
       Katastrophenfilm „The Day After Tomorrow“ forderte die Polizistin dazu auf:
       „Wir nehmen uns den öffentlichen Raum.“
       
       15 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
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