# taz.de -- Kommentar Wikileaks-Enthüllungen: Danke, NSA
       
       > Der US-Geheimdienst hat das Kanzleramt schon in der Ära Kohl bespitzelt.
       > Gut so: Alles andere wäre grob fahrlässig gewesen.
       
 (IMG) Bild: Europas Sorge, das wiedervereinte Deutschland könnte in alte Großmachtsfantasien verfallen, war kein Hirngespinst
       
       Danke USA, danke NSA. Die Amerikaner bespitzeln das Kanzleramt nicht erst
       seit der Ära Merkel, auch nicht erst seit Schröder, sondern mindestens
       schon seit der Amtszeit von Helmut Kohl. Ganz ehrlich: Deutschland und
       Europa können dem US-Geheimdienst dafür nur dankbar sein.
       
       Als Kohl ins Kanzleramt einzog, war die Rolle der BRD als friedliche
       Demokratie noch lange nicht gefestigt: Die Wannseekonferenz lag gerade mal
       ein halbes Menschenleben zurück. Im Bundestag saßen noch ehemalige
       Mitglieder der NSDAP. Und Richard von Weizsäckers Rede über den Tag der
       Befreiung, mit der er den Deutschen erstmals eine Debatte über ihre
       persönliche Schuld an Krieg und Vernichtung aufzwang, war noch gar nicht
       aufgeschrieben.
       
       Die Alliierten, die bis zur Wiedervereinigung mit Zehntausenden Soldaten
       auf die Bundesrepublik aufpassten, hatten also gute Gründe für ihr
       Misstrauen – und die blieben auch nach 1990 bestehen. Nur ein Beispiel:
       Kurz nach der Wende stimmte eine ganze Reihe von Unions-Abgeordneten gegen
       den deutsch-polnischen Grenzvertrag, mit dem die Bundesrepublik die
       Oder-Neiße-Linie endgültig anerkannte. Den Ostgebieten trauerten einige in
       Kohls Regierungspartei noch immer nach.
       
       Europas Sorge, das wiedervereinte Deutschland könnte in alte
       Großmachtfantasien verfallen, war kein Hirngespinst. Was sollten die
       Amerikaner machen? Sie mussten nachhorchen, ob Kohls Leute wirklich nur
       blühende Landschaften planen oder nicht doch einen neuen Ostfeldzug. Alles
       andere wäre grob fahrlässig gewesen.
       
       Die Aufregung über die jüngste Wikileaks-Enthüllung, sie lohnt sich also
       nicht. Sie lenkt nur ab von den eigentlichen Skandalen: der anlasslosen
       Überwachung von Millionen Menschen, der mutmaßlichen Wirtschaftsspionage
       der NSA und ja, auch der Bespitzelung des Kanzleramts in der jüngsten
       Vergangenheit.
       
       Denn bei aller Kritik an Merkels Griechenland-Politik, Auslandseinsätzen
       der Bundeswehr oder dem neuen Selbstbewusstsein in der deutschen
       Außenpolitik: Die Bundesrepublik hat sich in den vergangenen drei
       Jahrzehnten bewährt. Ein unberechenbares Sicherheitsrisiko für den Frieden
       in Europa ist sie nicht mehr. Ein berechtigtes Spionageziel also auch
       nicht.
       
       9 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Schulze
       
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