# taz.de -- Neues von der NSA: Wikileaks hat Humor > Die Enthüllungsplattform meldet sich zurück. Mit im Angebot: Merkel-Tapes > und Griechenland-Mitschnitte. Kurz vor Pofallas Auftritt im Bundestag. (IMG) Bild: Lustig: Wirtschaftsminister Sigmar Gabiel lacht mit Kanzlerin Angela Merkel. Über die NSA wohl eher nicht. Eine gute Pointe kommt ja gemeinhin von hinten. Sie ist nicht zu aufdringlich und lädt zum Grübeln ein. Mit seinen neuesten Veröffentlichungen ist der Enthüllungsplattform Wikileaks eine solche Pointe geglückt. Am Mittwochabend [1][veröffentlichte das Portal neue Details] über die Spähpraktiken des US-Geheimdienstes NSA sowie des britischen Geheimdienstes GCHQ, der als aggressivster Schnüffeldienst Europas gilt. Die Veröffentlichungen haben es durchaus in sich: Erstmals ist damit nicht nur klar, dass Angela Merkel selbst unter Überwachung stand. Nun kann auch jeder mitlesen, worum es laut Wikileaks bei ihren Telefonaten ging. Die Plattform hat Geheimdienstberichte veröffentlicht, die inhaltlich wiedergeben sollen, worüber Merkel mit engsten Mitarbeitern am Telefon sprach. Zum Beispiel um: „another haircut“. Gemeint ist nicht die viel zu oft diskutierte Frisur der Kanzlerin, sondern die Frage, wie die Eurozone mit Griechenland umgehen soll – und was den Griechen abgetrotzt werden kann. Die Veröffentlichung ist deshalb interessant, weil sie im Detail aufzeigt, dass die USA sehr intensiv um Erkenntnisse bemüht waren, die Aufschluss über die Wirtschafts-, Handels- und Geldpolitik Deutschlands und Europas geben. Über die Entwicklungen innerhalb der Eurozone war die US-Spitze stets aus erster Hand informiert. Auch über die Konflikte zwischen den europäischen Staats- und Regierungschefs und denen innerhalb der deutschen Bundesregierung. Der Geheimdienstbericht belegt etwa, dass Merkel und Schäuble schon vor Jahren uneins in ihrer Haltung zu Sparauflagen für Griechenland waren. Der Bericht stammt vom 11. Oktober 2011. Angela Merkel war damals auf Visite in Vietnam – und in Deutschland wurde wild über Rettungspakete für Banken und eine drohende Griechenlandpleite diskutiert. Neben den inhaltlichen Berichten veröffentlichte Wikileaks auch eine Liste von Telefonnummern, die unter Überwachung gestanden haben sollen. Dabei handelt es sich nicht um Handynummern, sondern um eine Reihe von Telefonanschlüssen direkt in deutschen Ministerien. Betroffen davon sollen neben dem früheren Finanzminister Oskar Lafontaine, dem früheren Wirtschaftsminister Werner Müller und zahlreichen weiteren hochrangigen Politikern und Beamten. Auch die heutige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks soll darunter gewesen sein – damals in ihrer Funktion als Staatssekretärin im Finanzministerium. Die Details der Wikileaks-Veröffentlichung bergen daher durchaus Sprengkraft. Sie offenbaren nicht nur das Problem, vor dem die deutsche Bundesregierung im Hinblick auf ihre eigene Regierungskommunikation steht. Diese ist derzeit, etwa im Hinblick auf die umstrittene Selektorenliste, intensiv darum bemüht, etwa im [2][NSA-Untersuchungsausschuss], die NSA-Affäre herunterzudimmen. Die Veröffentlichungen zeigen auch den eigentümlichen Humor, mit dem Wikileaks aus der Rückenlage Politik macht: Bereits vor einigen Tagen hatte die Organisation rund um den umstrittenen Julian Assange und dessen Vertraute Sarah Harrison einen ähnlichen Coup gelandet. [3][Ihre Veröffentlichung zur Überwachung der französischen Staatsspitze durch die NSA] hatte Wikileaks just am Vorabend einer Gesetzesabstimmung in Frankreich platziert. ## Kein Zufall Die Folge war amüsant: Zwar erregten sich führende französische Politiker in beeindruckender Weise über die Spähangriffe. Noch am gleichen Tag stimmten sie allerdings neuen Sicherheitsgesetzen zu, die den eigenen Geheimdiensten eine Massenüberwachung auch der eigenen Bevölkerung erlauben. Mit der gewieften Platzierung gelang es Wikileaks somit, die paradoxe – nein besser: verlogene – Haltung der politischen Spitze vorzuführen. Dass die neuen Details zur Überwachung in Deutschland just am Mittwochabend veröffentlicht wurden, ist ebenfalls kein Zufall. Am heutigen Donnerstag wird der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) vor dem NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag erwartet. Er hatte, das ist soweit ein Kalauer, seinerzeit die NSA-Affäre für beendet erklärt. Dass er heute vor dem Bundestag die Gelegenheit hat, dies noch einmal auf Basis detaillierter Kenntnisse vor der Öffentlichkeit zu erörtern, ist kein grober Witz – sondern eine sehr feine Pointe. Wikileaks hat Humor. 2 Jul 2015 ## LINKS (DIR) [1] https://wikileaks.org/nsa-germany/ (DIR) [2] https://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/ua/1untersuchungsausschuss (DIR) [3] /!5206608/ ## AUTOREN (DIR) Martin Kaul ## TAGS (DIR) NSA (DIR) NSA-Untersuchungsausschuss (DIR) Ronald Pofalla (DIR) Wikileaks (DIR) Schwerpunkt Überwachung (DIR) Wladimir Putin (DIR) Schwerpunkt Überwachung (DIR) NSA (DIR) NSA-Affäre (DIR) Wikileaks (DIR) Julian Assange (DIR) NSA-Skandal (DIR) Ronald Pofalla (DIR) Wikileaks (DIR) NSA (DIR) Frankreich (DIR) Homeland (DIR) Frankreich (DIR) Wikileaks (DIR) NSA ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) NSA-Spitzelei auch nach Kanzlerschaft: Gerhard und Wladimir Gerhard Schröder war nicht mehr im Amt und wurde doch weiter ausgespäht. Der US-Geheimdienst erhoffte sich Zugang zum engeren Kreis um Wladimir Putin. (DIR) Was die NSA uns verraten könnte: Ausspähen lohnt sich für uns Wikileaks hat die NSA blamiert. 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