# taz.de -- Filme dank der Crowd: Wer zahlt, darf zeigen
       
       > Die Hamburger Filmemacher Leslie Franke und Herdolor Lorenz haben mit
       > „Wer rettet wen?“ eine Dokumentation über die Finanzkrise gemacht.
       
 (IMG) Bild: Fernsehredakteure verbrennen EU-Flagge.
       
       Es hätte zum echten Blockbuster reichen können: In der Nacht vor dem
       griechischen Referendum über das Ja oder Nein – Griechisch: „Oxi“ – zur
       europäischen Schuldenpolitik sahen sich von elf Millionen Griechen etwa
       drei Millionen online einen noch dazu deutschen Film an: Die Dokumentation
       „Wer rettet wen?“ von Leslie Franke und Herdolor Lorenz war abrufbar auf
       dem Nachrichtenportal „The Press Project“, betrieben von ehemaligen
       Journalisten des zuvor aus Spargründen abgewickelten öffentlich-rechtlichen
       Fernsehens.
       
       Die alternative Verbreitungsweise drängt sich im Falle dieses Films
       geradezu auf: Nicht nur lässt sie übliche Produktions- und Verwertungswege
       links liegen, sie ist auch im Sinne eines anderen Ziels der beiden
       Hamburger Filmemacher: dass möglichst viele Multiplikatoren mit dem Film
       arbeiten und der die Zuschauer politisieren hilft.
       
       Einen Namen haben Franke und Lorenz sich bereits mit „Bahn unterm Hammer“ –
       über den 2007 geplanten Börsengang der deutschen Bahn – und „Water makes
       Money“ über das internationale Geschäft mit dem Trinkwasser gemacht. So
       gelang es ihnen, für den neuen Film 4.000 Subskribienten zu finden, die das
       Projekt mit Summen ab 20 Euro förderten. Dadurch kam das Budget von etwa
       300.000 Euro zu gut zwei Dritteln zusammen, den Rest finanzierte unter
       anderem die Filmförderung von Hamburg und Schleswig-Holstein. Die privaten
       Kleininvestoren berechtigte eine Lizenz, den Film in nicht kommerziellen
       Veranstaltungen öffentlich zu zeigen, unmittelbar nach der Premiere im
       Februar dieses Jahres bekamen sie eine DVD zugeschickt.
       
       Für Filmverleiher ist es derlei eigentlich ein Sakrileg: Zeitgleich zum
       Kinostart eine DVD zu veröffentlichen und dann auch noch Aufführungen zu
       gestatten, das heißt ja, sich die Ergebnisse an den Kinokasse selbst zu
       verschlechtern. Der Salzgeber Filmverleih indes, der die Kinoauswertung von
       „Wer rettet wen?“ übernommen hat, ist hochzufrieden mit dem Resultat: Kein
       anderer Dokumentarfilm im Katalog werde so oft bestellt, heißt es, man
       mache selbst so gut wie keine Werbung dafür. Auf mehr als 700
       Veranstaltungen bundesweit ist der Film inzwischen gezeigt und im Anschluss
       diskutiert worden. Und nachdem Franke und Lorenz in ihrem kleinen Studio in
       Hamburg-St. Georg insgesamt sechs Sprachfassungen produziert haben, gab es
       auch 230 Premieren in ganz Europa.
       
       Von dieser Woche an kann man die DVD kaufen, zeitgleich veröffentlicht der
       Hamburger VSA-Verlag ein Buch, das die Thematik ausführlicher und
       tiefgehender behandeln wird. Und das ist sehr hilfreich, denn wenn Lorenz
       und Franke versuchen, eine Thematik wie die Finanzkrise in 104 Filmminuten
       zu analysieren und auch noch Gegenstrategien vorzustellen, stoßen sie an
       die Grenzen ihres Mediums. Die erfahrenen Dokumentarfilmer wissen, dass ein
       Film sich besser dazu eignet, Geschichten zu erzählen und Gefühle zu wecken
       als Fakten und Zusammenhänge zu vermitteln.
       
       So sind die stärksten Momente in „Wer rettet wen?“ jene, in denen sie die
       Opfer der Krise zeigen, ob junge Griechinnen, die sachlich erzählen, wie
       deprimierend ihre Zukunftsaussichten sind, oder die weinenden Frauen und
       Kinder bei einer Zwangsräumungen in Spanien. Bei Lorenz und Franke sind die
       Leidtragenden Subjekte, die Raum bekommen, und ihre Würde behalten.
       Erstaunlich ist, dass sie auch die Herrschenden vor ihre Kamera bekommen
       haben: Ex-Minister und Bankmanager erzählen, wie es dazu kam, dass nun in
       Spanien Geisterstädte stehen, deren Häuser nie irgendwer bewohnte. Oder
       dass das griechische Gesundheitssystem zusammenbricht, sodass viele Kranke
       nicht behandelt werden und in der Folge – sterben.
       
       Die Grundthese des Films: Die Banken, die Nutznießer der Krise, haben diese
       erst ausgelöst – nicht all die Griechen, Spanier und Iren. Und gerettet
       wurden immer nur: die Banken. Statt Wolfgang Schäuble kommt Oskar
       Lafontaine zu Wort, der als Finanzminister in der Regierung Schröder
       versucht habe, die Finanzmärkte zu regulieren, sich aber von einem
       Vertreter der Clinton-Administration habe sagen lassen müssen: „Du glaubst
       doch nicht, dass wir auf diese Vorschläge eingehen. Du darfst nicht
       vergessen, dass die Wall Street dem Präsidenten den Wahlkampf finanziert.“
       
       Obwohl sie auch darlegen, dass das Bankensystem heute so weitverzweigt und
       mächtig sei, scheinbar „zu groß um zu scheitern“, zeigen die Filmemacher
       doch auch Alternativen auf: So waren in Island weltweit die Menschen am
       höchsten verschuldet und 2008 kam es dort zu einer verheerenden
       Finanzkrise. Doch nachdem die Menschen Widerstand leisteten, trotz des
       eisigen Winters auf Demonstrationen gingen und Neuwahlen forderten, wurde
       statt der Banken dort die einheimische Wirtschaft gerettet.
       
       Das Buch zum Film: Herdolor Lorenz / Leslie Franke / Gabriele Koppel (Hg.):
       Wer rettet Wen? Die Krise als Geschäftsmodell, VSA-Verlag 2015, 176 S.,
       14,80 Euro
       
       26 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
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