# taz.de -- Kommentar VW-Skandal: Vom Ende des Saubermanns
       
       > Business heißt Beschiss. Dennoch galten gerade deutsche Manager lange als
       > Moralapostel. Da kommt der VW-Abgasbetrug gerade richtig.
       
 (IMG) Bild: Sieht sauber aus, ist es aber nicht – im übertragenen, wie auch im Wortsinne.
       
       Wenn alle stets die Wahrheit sagten, würde unsere Gesellschaft
       wahrscheinlich auseinanderbrechen. Der Mensch ist unmoralisch, aber auch
       klug, wenn er – das variiert je nach Untersuchung stark – zwischen 1,8 und
       200 Mal lügt. Am Tag!
       
       Dass dennoch ausgerechnet Manager hierzulande jahrzehntelang als
       Moralapostel galten, überrascht da schon. Noch mehr, dass gerade deutsche
       Bosse sogar weltweit Musterbeispiele ihrer Zunft sein sollen. Die
       dahinterstehende Legende: Der deutsche Vorstandschef als gemütlicher
       Patriarch, der seine Mitarbeiter auskömmlich bezahlt und soliden,
       topnützlichen Krams mit Pfiff verkauft: das Auto, die Energiewende, die
       Kopfschmerztablette, Bier natürlich auch. Und die Panzer nur wegen des
       knallharten deutschen Stahls…Ein Schlaumeier mit USP und Herz also,
       männlich und ausgebufft dazu. Das ist Teil der globalen Saga namens Made in
       Germany.
       
       Wenig Wunder, dass der bei der Deutschen Bank zuvor mit Arisierungen
       betraute Hermann Josef Abs einst als so tophonorig galt, dass ihn Kanzler
       Konrad Adenauer zu seinem Finanzberater kürte. Abs verhandelte für die
       Bundesrepublik Anfang der 50er Jahre sogar ganz offiziell die deutschen
       Auslandsschulden.
       
       Die Chefs der Deutschland AG begründeten, zugegeben, den Aufstieg des
       Landes, die Bande mit der Politik waren dabei stets eng. Bonn und Berlin
       beäugten die Vorstandsetagen von DAX und Mittelstand aber nicht etwa
       kritisch. Man hielt den Korporatismus für nötig, um „Wirtschaftshemmnisse“
       leichter beseitigen zu können. Fast noch lieber wanzten sich die Mächtigen
       an die Nadelstreifigen ran. Gerhard Schröder posierte im Zigarrenqualm als
       „Genosse der Bosse“. Noch vor sieben Jahren lud Angela Merkel im Kanzleramt
       auf Staatskosten zur Party anlässlich des 60. Geburtstags des damaligen
       Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann.
       
       ## Phantasma Saubermann
       
       Heute würde sie das nicht mehr tun. Der Ruf des Bankiers hat wegen
       Finanzkrise und systematischer Betrügereien gelitten. Gar nicht unähnlich
       [1][zur laufenden Abgas-Sauerei bei VW] logen Deutschbanker und andere, als
       wäre es ihr einziges Geschäftsmodell. Auch Siemens flog vor nun fast zehn
       Jahren mit seinen schwarzen Schmiergeldkassen auf.
       
       Dieselgate hat eine größere Dimension: Wenn der Hersteller von Käfer und
       Golf Gesetze biegt und missachtet, zeigt das dem Rest der Welt endgültig,
       dass der deutsche Saubermann-Konzern nichts als ein Phantasma war. Wer
       glaubt Martin Winterkorn noch, dass er von allem nichts wusste? Ist doch
       klar: Business heißt nun mal Beschiss.
       
       Weil die Aktienmärkte nach immer mehr Wachstum lechzen, musste – das legt
       der Skandal nahe – auch zwischen München und Wolfsburg gepfuscht werden.
       Auch VW hat eine „Compliance“-Abteilung. Angeblich ist sie zur „guten
       Unternehmensführung“ da, tatsächlich tat sie aber nichts gegen den
       jahrelang dauernden Betrug. Um das Ziel Winterkorns einzuhalten,
       weltgrößter Autobauer zu werden, wurden Jetta und A3 so programmiert, dass
       sie bei Tests automatisch in den Schlafmodus verfielen, damit die
       Emissionen nicht die Grenzwerte rissen.
       
       VW hat also nicht nur jahrzehntelang auf die falsche Technologie – Diesel
       statt Hybrid – gesetzt, die Wolfsburger waren offenbar auch nicht in der
       Lage, Selbstzünder zu bauen, die spritzig genug sind, um mit der Konkurrenz
       mitzuhalten. Zwar reden BDI, VDA und Wirtschaftsminister von der ganz
       spezifischen deutschen „Ingenieurskunst“, aber auch sie ist kaum mehr als
       eine Projektion.
       
       Vielleicht liegt im PR-GAU für die deutsche Wirtschaft auch eine Chance.
       Endlich müssen die richtigen Schlussfolgerungen aus der VW-Causa gezogen
       werden. Damit endlich die Kumpanei zwischen Autolobby und Politik endet.
       Damit Berlin und Brüssel endlich Rechtspositionen von Lobbyisten nicht mehr
       eins zu eins übernehmen. Damit endlich Klima und Gesundheit von Milliarden
       Menschen nicht mehr aufs Spiel gesetzt werden.
       
       26 Sep 2015
       
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