# taz.de -- Prozess zu Stuttgart 21: Gegner bekommen recht
       
       > Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hat sich schon festgelegt: Die Räumung
       > des Schlossgartens war rechtswidrig.
       
 (IMG) Bild: Auch um ihn geht es im Prozess: Dietrich Wagner, der beim Polizeieinsatz sein Augenlicht verlor.
       
       STUTTGART taz | Der Fall scheint für die Richter klar. Einen Tag früher als
       geplant will das Stuttgarter Verwaltungsgericht sein Urteil zum sogenannten
       Schwarzen Donnerstag, dem Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner vor fünf
       Jahren, sprechen. Wie es wohl ausfallen wird, machte die 5. Strafkammer
       aber bereits vorab klar.
       
       In einer „vorläufigen Einschätzung der Rechtslage“ erklärte der Vorsitzende
       Richter Walter Nagel, die Polizei hätte vor fünf Jahren den Bauplatz im
       Schlossgarten nicht räumen dürfen. Die Demonstration von etwa 3.000
       Menschen, darunter viele Schüler, sei von der Versammlungsfreiheit
       geschützt gewesen.
       
       Der Einsatz von Pfefferspray, Schlagstöcken und Wasserwerfern, bei dem mehr
       als 100 Menschen verletzt worden waren, war dagegen rechtswidrig und
       unverhältnismäßig, so der Vorsitzende Richter.
       
       Damit bekämen die sieben Kläger, die das Land wegen des Einsatzes verklagt
       hatten, auf ganzer Linie recht. „Wenn das Gericht tatsächlich so urteilt,
       kommt das einer Rehabilitierung gleich“, sagte Klagevertreter Frank-Ulrich
       Mann. „Jede Polizeiführung im Land wird sich künftig überlegen, wie sie mit
       friedlichem Protest umgeht.“ Der Anwalt vertritt vier der sieben Kläger,
       darunter den Rentner Dietrich Wagner, der durch den Einsatz der
       Wasserwerfer sein Augenlicht verlor.
       
       Offen bleibt indes, wie die Landesregierung auf das Urteil reagieren wird.
       Die grün-rote Koalition, die nicht zuletzt wegen der Proteste gegen
       Stuttgart ins Amt kam, hatte den ungeliebten Prozess von der Regierung
       Mappus geerbt. Obwohl das Gericht ebenso frühzeitig wie eindeutig Position
       bezogen hatte, wollte der Rechtsvertreter der Landesregierung vergangene
       Woche auch auf Nachfrage des Richters kein Verschulden der Landesbehörden
       einräumen. Stattdessen bestand er auf einem Spruch der Kammer.
       
       Insgesamt hatte die Regierung Kretschmann während des gesamten Verfahrens
       keine Anstalten gemacht, die Rechtspositionen der Regierung Mappus zu
       korrigieren. Die Polizei habe so handeln müssen, weil die Protestierer
       gewalttätig gewesen seien, so die Linie des Landes unter beiden
       Regierungen. Mit dieser Argumentation behielt man auch den gleichen
       Prozessbevollmächtigten.
       
       Die sieben Kläger erwarten spätestens jetzt eine offizielle Entschuldigung
       der Regierung für das Vorgehen der Polizei. Theoretisch wäre es möglich,
       dass das Land mit Rücksicht auf seine Beamten Berufung gegen das Urteil
       einlegt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der am Schwarzen
       Donnerstag unter den Demonstranten war und versucht hatte, den Einsatz zu
       stoppen, hat angekündigt, sich nach der Urteilsverkündung am Mittwoch zu
       äußern.
       
       18 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Stieber
       
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