# taz.de -- Kommentar Merkels Flüchtlingspolitik: Abschottung mit menschlichem Antlitz
       
       > Angela Merkels perfekt inszenierter Auftritt verblasste schon nach einem
       > Tag. Seehofer und Frontex holten die Kanzlerin in die Realpolitik zurück.
       
 (IMG) Bild: Griechische Grenzpolizistinnen und ein Frontex-Mitarbeiter an der griechisch-türkischen Grenze (Archivbild von 2010).
       
       Sie strahlte nur einen Tag. So schnell ist das schöne Bild einer
       konsequenten Kanzlerin mit komplett zufriedener Gefolgschaft selten in
       seine weniger schönen, komplizierten Einzelteile zerfallen wie bei diesem
       CDU-Parteitag.
       
       Schon einen Tag nach Angela Merkels perfekt inszeniertem Auftritt samt
       Kuscheln mit Plüschwolf traten zwei eher unsympathische Wachhunde ins Bild,
       die all die Widersprüche der deutschen Flüchtlingspolitik deutlich machten:
       Horst Seehofer und die EU-Grenzschutzbehörde Frontex.
       
       Direkt nachdem die CDU das unfreundliche Wort „Obergrenze“ rhetorisch
       umschifft hatte, forderte sie der Chef der Schwesterpartei wieder ein. Was
       auch sonst, da die CSU dies gerade erst beschlossen hatte? Und direkt
       nachdem Merkel ihre sommerliche Grenzöffnung mit einem „humanitären
       Imperativ“ begründet hatte, kündigte die EU-Kommission neue
       „Eingreiftruppen“ zum Schutz der Außengrenzen an, die im Notfall auch gegen
       den Willen der Grenzstaaten eingesetzt werden sollen.
       
       Wer sich nun fragt, wie das alles zusammenpassen soll und wo da Merkels
       Linie verläuft, wird feststellen: Die gibt es nicht mehr. Merkel ist wieder
       ganz die Alte: die Einerseits-andererseits-Kanzlerin und
       Sowohl-als-auch-Parteichefin, die sich so wenig wie möglich festlegt.
       
       Einerseits: Keine Abschottung! Andererseits: Mehr Abschiebungen, mehr
       Grenzschutz!
       
       Nach monatelanger Kritik hat Merkel nun versprochen, zu versuchen, die Zahl
       der Flüchtlinge „spürbar zu verringern“. Das ist der kleinste Nenner, der
       die Union halbwegs eint. Aber wie sie die Zahl verringern will?
       
       Tja. Vorerst nicht mit harten Maßnahmen an den deutschen Grenzen, dafür an
       den EU-Grenzen. Ist das humaner? Wohl kaum. Aber: Wer in Europa könnte eine
       humanere Politik durchsetzen?
       
       Was Merkel versucht, ist im EU-Vergleich immer noch ehrenwert: Zu retten,
       was zu retten ist vom guten Willen aus dem Sommer – aber die Grenzen des
       politisch und praktisch Machbaren beachten.
       
       Das ist zu wenig, um alle Flüchtlinge angemessen zu versorgen. Aber viel
       mehr als die anderen zu leisten bereit sind. Und auf eine Kanzlerin zu
       hoffen, die mehr als Merkel schafft, ist Utopie.
       
       15 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lukas Wallraff
       
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