# taz.de -- Profispieler Naki über Politik und Fußball: „Niemand soll mehr sterben“
       
       > Deniz Naki, Profi beim türkisch-kurdischen Verein Amedspor, über den
       > Zwist mit dem türkischen Verband und ein wichtiges Pokalspiel gegen
       > Fenerbahçe Istanbul.
       
 (IMG) Bild: Deniz Naki, hier noch beim FC St. Pauli, für den er lange spielte. Archivbild aus dem Jahr 2010
       
       Am Donnerstag spielt der türkische Drittligaverein Amedspor im
       Viertelfinale des türkischen Pokalwettbewerbs gegen den Istanbuler
       Spitzenverein Fenerbahçe. Deniz Naki, Stürmer von Amedspor, dem Verein der
       kurdischen Stadt Diyarbakır, ist ein Kind kurdischer Migranten in
       Deutschland. Er spielte in Jugendnationalmannschaften des DFB. Deniz Naki
       darf gegen Fenerbahçe nicht antreten, weil er wegen politischer Äußerungen
       vom türkischen Fußballverband für zwölf Partien gesperrt wurde. 
       
       Amedspor versteht sich nicht nur als Fußballverein, sondern auch als
       Repräsentant der kurdischen Minderheit in der Türkei. Im Herbst 2014
       erklärte sich Naki solidarisch mit den Menschen der syrisch-kurdischen
       Stadt Kobanî im Kampf gegen den IS. Seit Ende Januar 2016 steht der
       26-Jährige noch mehr im Zentrum der Öffentlichkeit, weil er sich kritisch
       zu den systematischen Menschenrechtsverletzungen der türkischen Regierung
       in Diyarbakır äußerte. Deshalb wurde er nach dem Sieg gegen Bursaspor Ende
       Januar gesperrt, und sein Verein Amedspor musste das Hinspiel gegen
       Fenerbahce im Pokalviertelfinale zu Hause ohne Zuschauer austragen. Es
       endete 3:3. 
       
       taz: Herr Naki, Sie sind in Deutschland aufgewachsen, normalerweise
       wechseln Fußballprofis aus Deutschland zu Erstligavereinen in der Türkei. 
       
       Deniz Naki: Seit ich hier bin, wurde ich vom Verein und der Bevölkerung
       super aufgenommen. Ich fühle mich sehr wohl. Es ist so, als ob ich seit 10
       oder 20 Jahren hier lebe.
       
       Sie spielten bis Ende 2014 beim Ankaraer Erstligaverein Gençlerbirliği.
       Warum sind Sie zu Amedspor gewechselt? 
       
       Trotz anderer Angebote wollte ich Diyarbakır und Amedspor so viel wie
       möglich unterstützen. Deshalb bin ich gewechselt. Erfolge im Fußball können
       der Bevölkerung von Amed und der Region, der es zurzeit nicht gut geht, ein
       Gefühl des Erfolgs und Glücks geben.
       
       Warum glauben Sie, dass die vom türkischen Fußballverband gegen Sie und
       Amedspor verhängten Strafen politisch motiviert sind? 
       
       Zu dieser Aussage stehe ich nach wie vor. Ich postete auf Facebook nach dem
       erfolgreichen Spiel gegen Bursaspor, dass ich den Sieg denjenigen Menschen
       widme, die durch die Ausgangssperren in Sur (der Altstadt von Diyarbakır;
       d. Red.), Silopi und Cizre im Kriegsgebiet leben, verletzt und gestorben
       sind. Das habe ich gemacht, weil ich einige dieser betroffenen Familien
       persönlich kenne. Damit habe ich auch zum Frieden in unserer Region
       aufgerufen, denn ich möchte, dass niemand mehr sterben muss, egal um wen es
       sich handelt. Daraufhin wurde eine Lynchkampagne gegen mich gestartet und
       mir Propaganda für nichtstaatliche bewaffnete Kräfte vorgeworfen. Die gegen
       mich verhängte Sperre von zwölf Spielen ist besorgniserregend für den
       Fußball in der Türkei und ein Armutszeugnis für den Fußballverband. Diese
       Strafe wird auch von vielen Leuten in Deutschland als völlig lächerlich
       angesehen. Sie steht in keinem Verhältnis zu anderen sogenannten
       politischen Vergehen.
       
       Was meinen Sie? 
       
       Emre Belözoğlu von Fenerbahçe hat durch entsprechende Zeichen bei einem
       Spiel Propaganda für die regierende AKP gemacht, was ungesühnt blieb. Ein
       Spieler von Trabzonspor hat zuletzt im Spiel gegen Galatasaray dem
       Schiedsrichter damit gedroht, ihm in die Beine zu schießen – und erhielt
       nur drei Spiele Sperre. Ich kenne keinen Spieler, der jemals eine Sperre
       von zwölf Spielen erhalten hat.
       
       Stehen Sie auch zu dem Transparent, das Ihr Verein zu Beginn des Hinspiels
       gegen Fenerbahçe am 9. Februar aufgehängt hat? Auf dem stand geschrieben:
       „Kinder sollen nicht sterben, sondern zu Fußballspielen kommen.“ 
       
       Ja, ich stehe zu 100 Prozent dazu! Es gibt nichts Schöneres, denn es ist
       ein Aufruf zum Frieden und zur Teilhabe. Darauf bin ich stolz. Leider haben
       wir auch dafür eine Strafe erhalten. Ich glaube aber nicht, dass sich beim
       Rückspiel so etwas wiederholen wird, denn unser Verein hat in letzter Zeit
       ausreichend öffentliche Botschaften ausgesendet.
       
       Wofür steht Amedspor Ihrer Meinung nach? Hat es eine politische Mission?
       Kann es mit Vereinen wie Athletic Bilbao verglichen werden? 
       
       Alle Spieler und Mitarbeiter von Amedspor sind sich darüber im Klaren, dass
       sie noch viel mehr als andere regionale Sportvereine die für ihre
       grundlegenden Rechte kämpfende kurdische Bevölkerung auf der sportlichen
       Ebene repräsentieren. Allein die Änderung des Vereinsnamens von Diyarbakır
       Spor zum kurdischen Namen der Stadt „Amed“ ist Ausdruck dieses politischen
       Bewusstseins. Auch viele Kurden außerhalb von Amed, aus der gesamten
       kurdischen Region, betrachten unseren Verein in diesem Sinne. Überall, wo
       wir hinkommen, werden wir von vielen Menschen herzlich begrüßt.
       
       Überall? 
       
       Diese Rolle verstehen wir jedoch nicht als etwas Nationalistisches und
       Ausgrenzendes, wie wir es bei Bursaspor erlebt haben. Dort traten die
       gegnerischen Fans so beleidigend gegen uns auf, als ob die Türkei gegen
       Kurdistan gespielt hätte. Selbst der Kommentator im Stadium hat uns als
       „die Anderen“ bezeichnet, und nie Amedspor in den Mund genommen.
       
       Wie sehen Sie die Zukunft von Amedspor? 
       
       Unser Verein hat das Potenzial, so groß wie die drei großen Istanbuler
       Vereine zu werden. Allein die Zahl der Fans außerhalb der Stadt reicht
       meiner Meinung nach dafür aus. Wenn das neue Stadion fertiggebaut ist,
       können regelmäßig um die 30.000 Zuschauer kommen. Der Verein muss
       allerdings mehr für die Jugend tun. Die Repräsentation in der
       Öffentlichkeit könnte auch besser laufen. Fanshops sind auch wichtig für
       mehr Umsatz. Ein Shop in Deutschland würde bestimmt viel Geld einbringen.
       Ich bin sicher, dass wir mit einem professionelleren Management bald zu den
       größten Vereinen in der Türkei gehören können.
       
       3 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ercan Ayboga
       
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