# taz.de -- Neuer „Tatort“ aus Sachsen: Drei Engel für Dresden
       
       > Im neuen Sachsen-„Tatort“ gibt es endlich ein Team, in dem nur Frauen
       > ermitteln. Jedoch: angeleitet von einem Mann. Und der stiehlt allen die
       > Schau.
       
 (IMG) Bild: Von wegen Frauen-Tatort: Eigentlich geht‘s um Kommissar Peter Michael Schnabel (Martin Brambach).
       
       „Was willst du denn in Rio?“, fragte Günter Geißler 1962 die
       DDR-Bevölkerung in seinem gleichnamigen Schlager. „Drum lass doch dein
       Gepäck und fahr erst gar nicht weg.“ Die Mauer stand da gerade ein paar
       Monate.
       
       „Wer braucht New York, wenn er auch Zwickau haben kann?“, fragt
       Schlagersängerin Laura im „Tatort“ 2016 das Publikum in Dresden: „Wer je in
       Dresden war, muss nicht nach Amsterdam“, bringt sie den unreinen Reim zu
       Ende. Und wir lernen von ihrem Manager Maik Pschorrek (Andreas Guenther):
       „Der Sachse an sich sieht am liebsten andere Sachsen.“ Die Mauer steht seit
       27 Jahren nicht mehr.
       
       Es ist das durchgängige Thema dieses „Tatorts“: Eigentlich könnte doch
       alles so bleiben, wie es gerade ist. Wird es aber nicht – und das wissen
       eigentlich auch alle. Nur umgehen kann damit nicht jeder.
       
       Anders ist an diesem Sonntag erst einmal der Drehort: Dresden ist wieder
       offiziell „Tatort“-Revier. Bis 2000 ermittelten hier schon die zwei Herren
       Kain (Bernd Michael Lade) und Ehrlicher (Peter Sodann), dann zogen sie nach
       Leipzig um, wurden von Saalfeld (Simone Thomalla) und Keppler (Martin
       Wuttke) abgelöst. Die Frauenquote stieg von 0 auf 50 Prozent.
       
       ## Ein Wiedergänger von Bernd Stromberg
       
       Und nun, im neuen Dresdner Gespann, werden gleich drei Frauen ermitteln:
       Henni Sieland (Alwara Höfels), Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Maria
       Magdalena Mohr (Jella Haase). „Drei Engel für Dresden“ nennt Drehbuchautor
       Ralf Husmann dieses Konzept, mit dem die Produktionsfirma und er die 2014
       gestartete Ausschreibung des Mitteldeutschen Rundfunks gewannen. Genau wie
       bei den „Drei Engeln für Charlie“ hat auch Husmann den Frauen einen
       männlichen Chef vor die Nase gesetzt: Peter Michael Schnabel, gespielt von
       Martin Brambach. Und der stiehlt allen die Schau.
       
       Husmann, der in den 90ern unter anderem für die „Harald Schmidt Show“ und
       „RTL Samstag Nacht“ schrieb und mit der Serie „Stromberg“ berühmt wurde,
       hat mit Schnabel einen Wiedergänger von Bernd Stromberg in den „Tatort“
       eingeschleust. Einen älteren Herrn, der überfordert ist durch all die
       Anforderungen, die sein Beruf mittlerweile an ihn stellt: Computer,
       Internet – und Frauen.
       
       „Als nur Männer hier waren, da wurde noch mehr gelacht“, sagt er, als keine
       Kollegin seine „Neger“-Witze lustig findet, und warnt die
       Oberkommissarinnen Sieland und Gorniak in einer anderen Szene eindringlich:
       „Leute, baut jetzt keine Scheiße! Nicht dass ihr jetzt als Ausgleich für
       2.000 Jahre Männerherrschaft irgendwas besonders Unüberlegtes macht!“ Alles
       ändert sich. Nur umgehen kann damit halt nicht jeder.
       
       ## Zwischen Kinderwunsch und Elterngespräch
       
       Sieland und Gorniak haben derweil weniger berufliche als vielmehr private
       Probleme: Die eine will mit ihrem Freund ein Kind zeugen, doch bislang ohne
       Erfolg. Die andere hat schon einen Sohn in der Vorpubertät und wird
       zwischen Elterngesprächen, Arbeit und Betreuung zerrieben. Da bleibt wenig
       Platz für lustige Sprüche.
       
       Aber die hat Husmann ja auch auf Schnabel ausgelagert. „Obwohl die Idee
       hinter dieser Konstellation nicht war, dass wir zwar ein Frauenteam
       zusammenstellen, aber die eigentlich interessante Figur der Mann ist. Ich
       seh das auch nicht so“, sagt Husmann. Auch wenn er zugibt, dass Schnabel
       „die klareren Lines“ hat: also die Zeilen, die im Kopf bleiben.
       
       Ach, und einen Fall gibt es natürlich auch noch zu lösen: Während Laura bei
       der Probe von Zwickau und Dresden und dem schönen Sachsen trällert,
       stolpert sie über einen Mann, der im Blumenkübel liegt. Der Typ von der
       Band Herzensbrecher ist aber gar nicht tot, sondern nur besoffen. Der Tote
       liegt erschlagen hinter der Bühne: Toni Derlinger, vom Duo Toni & Tina. Und
       das kurz vor dem großen Festival „Hier spielt die Musik“ im Dresdner
       Zwinger.
       
       Derlinger war Ende der 80er auf dem Sprung zum Kinderstar in der DDR, doch
       dann fiel die Mauer. „Das war schon ein Elend“, sagt sein Manager Rollo
       Marquardt (Hilmar Eichhorn).
       
       ## Männer heiraten Männer
       
       Ermittlungen in der Schlagerbranche, zwischen Goldener Henne und Goldener
       Schallplatte, infantilen Herzensbrechern und infantilen Fans, die noch bei
       Mutti wohnen. Und das beim Schunkel-und-aufgesetzte-gute-Laune-Sender MDR.
       „Ich wollte mal gucken, wie selbstironisch der Sender ist“, sagt Husmann
       dazu, „und das hat erstaunlich gut geklappt.“ Aber er wollte die Branche ja
       auch nicht lächerlich machen oder diffamieren, sondern „in diese heile Welt
       mit größtmöglicher Brutalität einfallen“.
       
       Na ja, so brutal wird es dann doch nicht, eher ein bisschen zäh. Denn die
       Ermittlungen ziehen sich, die üblichen Verdächtigen kann der Zuschauer
       schnell abhaken: Die waren‘s eh nicht. So richtig glänzen können die
       Hauptdarstellerinnen Höfels und Hanczewski erst nach mehr als einer Stunde,
       wenn der Fall emotionaler wird, kurz vor dem Geständnis (hier wird
       natürlich nicht verraten, von wem), durch das der Film fast noch eine
       politische Dimension bekommt: „Alles wird immer unsicherer. Männer heiraten
       Männer, überall gibt es Moscheen und Ausländer. Da wollen die Leute wissen,
       dass es noch ein Eckchen gibt, wo sich nichts ändert.“
       
       Tja, leider ändert sich immer alles. Nur umgehen kann damit halt nicht
       jeder. Besonders in Dresden.
       
       6 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürn Kruse
       
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