# taz.de -- Hanf oder gar nicht: „Zeit, die Angst zu überwinden“
       
       > Kontroverse im Bremer taz-Salon zur Cannabis-Politik: Skeptiker und
       > Befürworter debattierten über Risiken und Chancen einer Freigabe.
       
 (IMG) Bild: Bremens GdP-Chef Jochen Kopelke überzeugt auf dem taz-Podium offensichtlich nicht alle.
       
       BREMEN taz | Erwischt die Polizei jemanden mit Cannabis, geht die Arbeit
       der Ermittler erst los: Den Stoff beschlagnahmen, auf die Wache bringen und
       dann Wiegen – nicht einfach so, sondern nach Vier-Augen-Prinzip.
       Minutenlang erklärte Jochen Kopelke, Bremer Vorsitzender der Gewerkschaft
       der Polizei (GdP), die Details einer Sicherstellung der Droge Cannabis.
       
       Am Dienstagabend saß Kopelke auf dem Podium im Kulturzentrum Lagerhaus. Die
       taz.bremen hatte zu einem Salon ins Kulturzentrum Lagerhaus geladen, um
       unter dem Titel „Legalize it“ über die Bremer Haschisch-Politik zu
       diskutieren, moderiert wurde das Gespräch von Redakteur Benno
       Schirrmeister. Anlass, über die Chancen und Risiken einer Freigabe
       nachzudenken, bot der Vorstoß der rot-grünen Koalition in Bremen, der eine
       weitgehende Liberalisierung de Cannabis-Politik befürwortet – und die
       Möglichkeiten dafür auf Landesebene auslotet.
       
       Kopelke allerdings [1][warnte] vor allem vor dem „gefährlichen Stoff THC“.
       Er sieht in einer Legalisierung keine Entlastung für die Polizei. Auch eine
       höhere Obergrenze für den faktisch straffreien Eigengebrauch bedeute für
       die Polizei einen „riesigen Bürokratie-Aufwand“.
       
       Doch bei Kopelkes Ausführungen über die Details des Cannabis-Alltags auf
       der Wache, rutschte sogar Polizeipräsident Müller heraus: „Ich bin auch für
       die Legalisierung“. Leise nur sagte er das und nicht für die Ohren des
       Publikums bestimmt. Auf dem Podium aber sorgte Müllers heimliches
       Bekenntnis für Heiterkeit, während das Publikum noch empört die Köpfe
       schüttelte.
       
       Polizeipräsident Müller war anfangs noch anders aufgetreten: Die Polizei
       würde die Normalverbraucher [2][in Ruhe lassen], sagte Müller. „Wir
       verwenden so wenig Aufwand wie möglich“. Das provozierte Widerspruch auf
       dem Podium: Für Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes,
       ist Deutschland „das repressivste Land Europas“, was Cannabis-Konsum
       angeht. Auf den Konsumierenden laste „in Wirklichkeit ein erheblicher
       Druck“, so Wurth. Deutschlands vermutlich umtriebigster Legalize
       it!-[3][Lobbyist] musste bereits am Mittwoch wieder in Berlin bei einer
       Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags zum [4][Entwurf] eines
       Cannabis-Kontollgesetzes Rede und Antwort stehen.
       
       Unverhältnismäßige Strafen bei Wiederholungstätern, ein Eintrag im
       Führungszeugnis, der Sozialarbeiter den Job kosten könne, erniedrigende
       Körperkontrollen – all das seien Maßnahmen, bei denen sich Konsumenten
       nicht entkriminalisiert fühlten, so Wurth. Nicole Krumdiek, Juristin und
       Gründungsmitglied des prohibitionskritischen „Schildower Kreises“,
       erklärte, die momentane Gesetzgebung sei „verfassungswidrig“. „Wir halten
       an dem was wir kennen aus Angst fest“, sagte Krumdiek. „Es ist Zeit diese
       Angst zu überwinden und mit allen Beteiligten gemeinsam eine Lösung zu
       entwickeln.“ Wege in einer Gesellschaft jenseits der Prohibition hatte sie
       in ihrer bereits 2006 veröffentlichten Dissertation gewiesen. Die gilt,
       derzeit leider nur als e-book [5][lieferbar], auch wegen dieser
       Praxisorientierung bis heute als ein Referenztext der Freigabe-Debatte in
       Deutschland.
       
       In einigen Punkten war sich das Podium allerdings einig. Etwa, als Müller
       erklärte: „Die Polizei ist nicht Treiber der Diskussion, sondern im
       Vollzug“. Aus seiner Sicht sei also die Politik gefragt, ein überzeugendes,
       bundesweites Konzept für den Umgang mit Cannabis zu entwickeln. „Es muss
       eine reine gesundheitliche Diskussion sein“, sagte Müller. Damit wendete er
       sich an die ebenfalls anwesende Bremer [6][Gesundheitssenatorin] Eva
       Quante-Brandt (SPD).
       
       Sie trat für eine Legalisierung des Konsums ein – entsprechend des
       Vorhabens der rot-grünen Koalition, einen Modellversuch beziehungsweise
       eine Bundesratsinitiative zu starten. „Ein Verbot senkt die Zahl der
       Konsumierenden nicht“, sagte Quante-Brandt. Und eine Kriminalisierung der
       Konsumenten finde sie ebenfalls nicht sinnvoll. Für Quante-Brandt war es
       selbstverständlich, dass man in dieser Diskussion zwischen Jugendlichen und
       Erwachsenen trennen müsse. Um Jugendliche zu schützen, gingen Maßnahmen der
       Suchtprävention mit einer Legalisierung einher. Erwachsene aber seien
       selbst verantwortlich für ihr Handeln beziehungsweise: ihren Konsum.
       
       Die Tabuisierung des Themas in der Gesellschaft wurde aus dem Publikum zur
       Sprache gebracht: Zu wenig werde über Cannabis gesprochen, eine Aufklärung
       durch die Eltern werde dadurch verhindert. Ein Suchttherapeut berichtete,
       dass eine Kriminalisierung die Situation für seine Patienten schlimmer
       mache. Mit einer Legalisierung hingegen gewinne man an Kontrolle, es gäbe
       einen Verbraucherschutz, Jugendschutz und neue Steuereinnahmen könnten in
       die Präventionsarbeit fließen.
       
       Da stimmte ihm auch Quante-Brandt zu: Mit kontrollierten Abgaben von
       Cannabis könne auch die Konzentration des Wirkstoffs THC besser überprüft
       werden. Bis zu einer bundesweiten gesetzlichen Regelung sei es jedoch noch
       ein langer Weg.
       
       17 Mar 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.gdp.de/gdp/gdphb.nsf/id/DE_Anhoerung-Gesundheitsausschuss
 (DIR) [2] http://blogs.taz.de/drogerie/2016/03/10/kifferjagd-im-staedtevergleich/
 (DIR) [3] https://hanfverband.de/dhv/wer-wir-sind-was-wir-wollen
 (DIR) [4] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/042/1804204.pdf
 (DIR) [5] http://www.litwebshop.de/index.php?main_page=product_info&products_id=9039
 (DIR) [6] http://www.gesundheit.bremen.de/das_ressort/senatorin-16853
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Leandra Hanke
       
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