# taz.de -- Fluchtursachen bekämpfen: Kleine Version einer großen Idee
       
       > Die Bundesregierung will Flüchtlinge dazu bewegen, in ihrer Heimat zu
       > bleiben. Der neue „Marshallplan“ bleibt hinter dem historischen Vorbild
       > zurück.
       
 (IMG) Bild: Ein Camp für syrische Flüchtlinge in Jordanien. Die Anreize, hier längere Zeit zu bleiben, sind bisher gering
       
       Ein großer Wurf – diesen Eindruck vermittelte Bundesfinanzminister Wolfgang
       Schäuble (CDU), als er einen „Marshallplan“ für den Nahen Osten und Afrika
       forderte. Wer langfristig die Auswanderung von Millionen Menschen aus
       diesen Regionen nach Europa verhindern oder verringern wolle, müsse dort
       sehr viel Geld investieren. „Das wird teuer“, sagte Schäuble beim
       Weltwirtschaftsforum von Davos im vergangenen Januar – teurer, als man
       bisher angenommen habe.
       
       Hält diese Idee jedoch dem historischen Vergleich stand? Zwischen 1948 und
       1953 investierten die USA nach heutigem Wert über 100 Milliarden Euro in
       die kriegsgeschädigten Staaten Westeuropas – ein Viertel davon in
       Großbritannien, 20 Prozent in Frankreich, zehn Prozent in Deutschland.
       Diesem Kapital wird eine große Wirkung für den Wiederaufbau und das
       Wirtschaftswunder der jungen Bundesrepublik zugeschrieben.
       
       „Wir arbeiten an einem Marshallplan zum Wiederaufbau der Region rund um
       Syrien“, sagt nun Petra Diroll, die Sprecherin von Entwicklungsminister
       Gerd Müller (CSU). Aber rechtfertigt der Umfang den bedeutungsschweren
       Begriff? „Ich hege Zweifel“, so Mathias Mogge, Vorstandsmitglied des
       Verbandes Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO). „Marshallplan“
       sei ein „sehr großes Wort, das Lösungen suggeriert, die bislang
       unrealistisch sind“.
       
       So nehmen sich die Zahlen bescheiden aus, jedenfalls gegenüber dem
       historischen Vorbild. Rund drei Milliarden Euro will die Bundesregierung in
       diesem Jahr verwenden, um Probleme im Zusammenhang mit der Migration zu
       lindern und die Ursachen von Fluchtbewegungen zu bekämpfen. Darunter sind
       gut 700 Millionen Euro, die das Entwicklungsministerium an Syrien und seine
       Nachbarstaaten Türkei, Irak, Jordanien und Libanon vergibt. Diese Mittel
       sind allerdings zum guten Teil nicht zusätzlich, sondern werden unter neuer
       Überschrift zusammengefasst. 2017 soll der Entwicklungshaushalt um
       lediglich rund 500 Millionen Euro gegenüber 2016 steigen.
       
       ## Jobs in Syriens Nachbarländern schaffen
       
       Bei diesen Geldmitteln bleibt es freilich nicht. Hinzu kommen einige
       Milliarden Euro, die Norwegen, Großbritannien, die USA und weitere Länder
       bei der internationalen Geberkonferenz in London im vergangenen Februar zur
       Verfügung stellten. Mathias Mogge schätzt diese Summen nicht gering.
       Trotzdem sagt er: „Es wäre deutlich mehr Geld und eine bessere Kooperation
       beispielsweise innerhalb der EU nötig, damit man von einem ausreichenden
       Programm für den Nahen und Mittleren Osten, sowie Afrika sprechen könnte.“
       
       Gleichwohl findet Mogge, dass die Initiativen des Entwicklungsministeriums
       in die richtige Richtung gehen. „Es ist ein guter Gedanke, die
       Arbeitsmöglichkeiten von Flüchtlingen in den Nachbarstaaten Syriens zu
       fördern.“ Das entsprechende Programm des BMZ heißt „Cash for Work –
       Beschäftigungsoffensive Nahost.“ Dafür sind zunächst 200 Millionen Euro
       reserviert.
       
       Im Norden des Libanon fördert die deutsche KfW-Bankengruppe beispielsweise
       die Sanierung von 1.300 Wohnungen, im Irak unterstützt die Gesellschaft für
       internationale Zusammenarbeit (GIZ) die Ausbesserung von Straßen und
       Dächern. Die Idee ist dabei, dass die Flüchtlinge nahe ihrer Heimat neue
       Arbeit finden, deshalb dort bleiben und sich nicht auf den Weg nach Europa
       machen.
       
       24 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
       
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