# taz.de -- Pro & Contra Homöopathie: Pseudo-Medizin oder Profi-Politik?
       
       > Am Donnerstag beginnt in Bremen der diesjährige Homöopathie-Kongress –
       > mit Gesundheitssenatorin Quante-Brandt (SPD) als Schirmherrin. Ein
       > Skandal?
       
 (IMG) Bild: Zuständig für Homöopathie: Bremens Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt
       
       BREMEN taz | Der [1][Kongress des Deutschen Zentralvereins homöopathischer
       Ärzte] findet in diesem Jahr in Bremen statt. Er beginnt am Donnerstag.
       Schon jetzt aber sorgt für Diskussionen, dass die Bremer
       Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) die Schirmherrschaft für den
       Kongress übernommen hat. Aber ist das ein Skandal? Ein Pro & Contra.
       
       ## Pro: Schirmherrschaft für den Homöopathie-Kongress – geht's noch?!
       
       Dass die Bremer Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) den
       Homöopathie-Kongress als Schirmherrin adelt, ist höchst ärgerlich: Als
       Gesundheitssenatorin sollte sie der besten medizinischen Versorgung der
       Bürger verpflichtet sein; zuständig zudem für Verbraucherschutz und
       Wissenschaft, sollte man von ihr eine Nähe zu Vernunft und Aufklärung
       erwarten können. Mit beidem aber hat Homöopathie nichts zu tun.
       
       Klar: Auch die Schulmedizin ist voller Fehler, die Pharmaindustrie wirbt
       mit fragwürdigen Methoden, Ärzte haben zu wenig Zeit für Patienten oder
       operieren vorschnell. All das ist [2][kritikwürdig und muss besser werden].
       Menschen suchen deshalb nach Alternativen.
       
       Es ändert aber nichts daran, dass Homöopathie pseudowissenschaftlicher
       Unfug ist. In den Globuli ist nichts – außer Zucker. Homöopathie ist nicht
       das Gleiche wie Naturheilkunde oder pflanzliche Arzneien, sondern bei ihr
       werden die Wirkstoffe extrem verdünnt, bis nicht mehr vorhanden – der
       irrigen Annahme folgend, Wasser hätte ein „Gedächtnis“. [3][Methodisch nach
       wissenschaftlichen Standards belegt ist einzig eine Wirksamkeit, die dem
       Placeboeffekt entspricht.]
       
       Wenn es kranken Menschen nach der ausschließlichen Einnahme homöopathischer
       Mittel besser geht, liegt das an der Selbstheilungskraft, also dem
       Immunsystem, und dem Placeboeffekt, der sich durch das Kümmern des
       Behandelnden einstellt und durch das Wissen, gerade etwas gegen die
       Krankheit zu tun. Das sind erforschte Effekte, auf die im Übrigen in der
       Schulmedizin viel zu wenig gesetzt wird.
       
       Wo Menschen ernste Krankheiten nicht sinnvoll behandeln lassen, wird es
       allerdings heikel. [4][Da schadet Homöopathie – und gefährdet Leben.] Vor
       allem aber steht sie für die Etablierung eines irrationalen Denkens. Sie
       gleicht darin anderem Aberglauben und Verschwörungsdenken, daher die Nähe
       zur Esoterikszene. In Zeiten, da Impfgegner oder gar Aids-Leugner immer
       mehr Unheil anrichten, wäre es die Sache einer Gesundheitssenatorin,
       aufzuklären: über die Gefahren pseudomedizinischer Methoden und –
       anlässlich des Kongresses – auch über die falschen Versprechungen der
       Homöopathie. Stattdessen dafür Patin zu stehen, ist skandalös. Jean-Philipp
       Baeck
       
       ## Contra: Schirmherrschaft für den Homöopathie-Kongress – warum denn
       nicht?!
       
       Ist die Homöopathie böse? Ruiniert sie das Gemeinwesen? Schadet sie? Wer
       das bejahen will, müsste zunächst den empirischen Nachweis dafür führen.
       Nur dann nämlich wäre anstößig, dass Bremens Gesundheitssenatorin Eva
       Quante-Brandt (SPD) die Schirmherrschaft des Deutschen
       Homöopathie-Kongresses übernommen hat, der am Donnerstag in Bremen beginnt.
       Homöopathie ist zweifellos ein Zweig der Gesundheitswirtschaft; also fällt
       das Thema in Quante-Brandts Ressort: Sie würde – hoffentlich! – auch einem
       Chemotherapeuten-Kongress ihre Huld nicht versagen, obschon es starke,
       peer-reviewte Hinweise darauf gibt, dass diese Behandlungsmethode nicht
       zuletzt [5][Krebszellen beim Überleben hilft].
       
       Negativwirkungen sind bei Homöopathika keine bekannt. Ihre Gegner beharren
       ja auf ihrer Wirkungslosigkeit, und da muss dann schon gelten: Wo nichts
       ist, kann auch nichts nebenwirken. Das aber ist das große Problem vieler
       SchulmedizinerInnen: Sie gehen mit sehr wirksamen Substanzen oft
       erstaunlich sorglos um. Ein gutes Beispiel: die epidemisch auftretenden
       Antibiotika-Therapien bei den saisonalen Atemwegserkrankungen. Ihre
       Wirkungslosigkeit ist erforscht, der von der Kasse getragene Preis hoch,
       der gesundheitliche Schaden erheblich. Auch der jüngste deutsche
       Antibiotika-Bericht [6][empfiehlt Pilotprojekte,] um zu ermitteln, wie der
       ambulante Antibiotikaeinsatz besser an die etablierten Leitlinien
       anzupassen wäre.
       
       Egal, wie stark die Augen desjenigen leuchten, der von seiner Heilung dank
       Homöopathie spricht: Die Wirksamkeit der Zuckerkugeln beweist das ebenso
       wenig wie ein Nahtod-Erlebnis das Jenseits. Ob sich meine Lungenentzündung
       dank oder trotz subkutaner Injektionen aus verdünnter wässriger
       Ochsenlungenlösung erledigt hat? Keine Ahnung. Es war sicher die
       schadstoffärmste Therapie. Und weil sie drei Wochen gedauert hat, hat’s
       auch gereicht, das Rauchen loszuwerden, was ich mit Rationalität allein nie
       geschafft habe.
       
       Vielleicht sind die Globuli, die am Ende verabreicht werden, nur ein
       Vorwand für die Anamnese? Die ist, und das ist empirisch belegt, als Medium
       der Zuwendung des Arztes zum Patienten extrem heilsam: So was aus
       ideologischen Gründen nicht zu begrüßen, wäre – für eine
       Gesundheitssenatorin – ein Fauxpas. Benno Schirrmeister
       
       24 May 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.homoeopathie-kongress.de/
 (DIR) [2] http://www.mezis.de/
 (DIR) [3] http://www.nhmrc.gov.au/guidelines-publications/cam02
 (DIR) [4] http://www.netzwerk-homoeopathie.eu/negative-faelle-wie-homoeopathie-zu-schaden-fuehrt
 (DIR) [5] http://www.nature.com/nm/journal/v18/n9/fig_tab/nm.2890_F2.html
 (DIR) [6] http://www.egms.de/static/de/meetings/peg2014/14peg24.shtml
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
       ## TAGS
       
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