# taz.de -- Mühsame Suche nach Pflegeheimen: Eine Eins heißt nicht „Sehr gut“
       
       > Pflegeheim-Benotungen sind intransparent, Prüfberichte bleiben
       > unveröffentlicht. Ein neuer „Wegweiser Pflege“ will Abhilfe schaffen.
       
 (IMG) Bild: Trotz guter Laune: Auf den ersten Blick erschließt sich die Qualität eines Altenheims nicht
       
       BREMEN taz | Bei der Suche nach einem Pflegeheim soll die Bewertung des
       Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) für Orientierung sorgen: Er
       kontrolliert und bewertet Heime. Das Ergebnis findet sich fast immer auf
       den Internet-Seiten der Pflegeeinrichtungen wieder, denn mit der Gesamtnote
       können die sich schmücken: Stets bewegt sich die MDK-Note zwischen „sehr
       gut“ und „gut“ – selbst die „Seniorenresidenz Kirchhuchting“ bekam noch im
       Juli 2015 die Note 2,1 – und das, obwohl ihr gut drei Monate später
       aufgrund schwerer Pflegemängel der Betrieb untersagt wurde ([1][taz
       berichtete]).
       
       [2][Der MDK vergibt Noten] für vier Kategorien. Obwohl sie sich aus
       unterschiedlich vielen Einzelkomponenten zusammensetzen, werden alle vier
       Noten gleich stark gewichtet. Bekommt ein Heim also für bis zu 32 Kriterien
       im Bereich „Pflege und medizinische Versorgung“ eine schlechte Bewertung,
       kann die „ausgeglichen“ werden durch ein „Sehr gut“ für nur maximal neun
       Kriterien im Bereich „Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung“.
       
       Dass die Seniorenresidenz Kirchhuchting im pflegerischen und medizinischen
       Bereich im vergangenen Juli nur die Note 3,3 erhielt, die sich wiederum im
       Detail aus teils erschreckenden Ergebnissen zusammensetzte, konnte also
       durch die MDK-Gesamtnote verschleiert werden.
       
       ## Keine Vereinbarung mit den Verbänden
       
       Hinzu kommt, dass kaum jemand weiß, wo genau die Zusammensetzung der
       vordergründig guten Gesamtbewertung zu finden ist – je nach Krankenkasse
       heißen die entsprechenden Internetportale „Gesundheitsnavi“,
       „Pflegefinder“, „Pflegekompass“ oder „Pflegelotse“.
       
       Für eine Alternative und mehr Transparenz auf dem Markt der bremischen
       Altenheim-Anbieter sollte das Bremische Wohn- und Betreuungsgesetz
       (BremWoBeG) sorgen. Dort heißt es unter anderem, dass die der Sozialbehörde
       unterstellte Heimaufsicht ihre Prüfberichte über Pflegeeinrichtungen
       gemeinsam mit einer Liste aller bremischen Heime veröffentlicht. [3][Die
       Liste findet sich auf der Internetseite der Sozialsenatorin], die Berichte
       der Heimaufsicht aber nicht: Die „Transparenzoffensive“ setzte eine
       Vereinbarung mit den Verbänden der Einrichtungsträger voraus – und die ist
       nie zustande gekommen.
       
       So bleiben Informationen über Altenheime in Bremen weitestgehend im Dunkeln
       – selbst jene wie die, dass der Aufnahmestopp in der Kirchhuchtinger
       Seniorenresidenz, die unter einem neuen Träger weiterbetrieben wird, seit
       Anfang des Monats aufgehoben ist. „Unter Auflagen“, sagt Bernd Schneider,
       Sprecher der Bremer Sozialbehörde, „und unter enger Begleitung der Wohn-
       und Betreuungsaufsicht darf die Einrichtung bis zu sechs Bewohner
       zusätzlich im Monat aufnehmen, bis die Kapazität wieder erreicht ist.“
       
       ## Schwerpunkt auf Einzelbenotungen
       
       „Auch die Verbraucherzentrale in Bremen hat das Thema Pflegeheime bisher
       vernachlässigt“, sagt Reinhard Leopold, Pflege-Experte und Gründer der
       [4][Bremer Angehörigeninitiative „Heim-Mitwirkung“]. Auf
       Internet-Bewertungsportalen seien die Ergebnisse nicht verifizierbar und
       die persönliche Inaugenscheinnahme eines Heims bringe nicht viel, denn
       Pflegemängel seien so nicht erkennbar.
       
       Das in Berlin und Essen ansässige Recherchezentrum [5][„Correctiv“]
       versucht nun, Licht ins dieses Dunkel zu bringen: 18 Monate lang hat es
       Daten zu allen 13.000 Pflegeheimen in Deutschland ausgewertet. [6][Im
       „Wegweiser Pflege“ auf der Internetseite von Correctiv] sind seit Anfang
       Juni sämtliche Heime aufgelistet, auch die bremischen. Verständlich
       formuliert, wird der Schwerpunkt hier nicht auf die MDK-Gesamtnote gelegt,
       sondern auf die Einzelbenotungen relevanter Kriterien.
       
       Bezogen auf die, übrigens noch nicht aktualisierte, MDK-Bewertung der
       Kirchhuchtinger Seniorenresidenz, liest sich das so: „Das Heim (…) hat für
       seine pflegerische und medizinische Versorgung die Schulnote 3,3 erhalten.
       Das ist schlechter als der Durchschnitt aller Heime in Bremen. Wichtig:
       Fast alle Pflegeheime bekommen eine sehr gute Note. Diese Note allein
       sollte also nicht Grundlage Eurer Entscheidung sein. Dieses Pflegeheim ist
       normal bepreist und ihr müsst im Vergleich mit anderen Heimen in Bremen 3%
       weniger bezahlen. (…) Seniorenresidenz Kirchhuchting ist ein sehr großes
       Pflegeheim mit 84 belegten Betten in der vollstationären Pflege. Das Heim
       wird von einem privaten Betreiber geführt. Es könnte sein, dass die Pfleger
       hier nicht nach Tarif bezahlt werden.“
       
       ## Werbewirksames Laufband
       
       Daneben werden Bewertungs-Details hervorgehoben, zum Beispiel: „Dieses Heim
       hat bei der Nahrungs- oder Flüssigkeitsversorgung nicht die volle Punktzahl
       erreicht. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass es hier in der
       Vergangenheit Mängel gegeben hat“.
       
       „Gut ist hier auch“, sagt Leopold, „dass man alle Heime eines Trägers
       miteinander vergleichen kann.“ So kämen die Einrichtungen der
       [7][Mediko-Gruppe], zu der bis Anfang 2016 das Heim in Kirchhuchting gehört
       hat, bundesweit schlecht weg – ein wichtiger Anhaltspunkt für Heimsuchende.
       
       Auch die Correctiv-Ergebnisse für die 17 Heime der Curata-Gruppe sind
       aufschlussreich: Die nämlich ist neue Betreiberin der Seniorenresidenz und
       präsentiert die durchschnittlich sehr guten MDK-Noten ihrer Einrichtungen
       [8][als Laufband auf ihrer Internetseite.] Wie die sich zusammensetzen, ist
       nicht zu ersehen – lediglich, von wann sie sind: Ebenfalls werbewirksam
       animiert, springt dem Besucher der Homepgae direkt ins Auge: „Curata: 1.
       Platz in 2012 bei den MDK-Bewertungen der 50 größten Pflegeheimbetreiber
       Deutschlands.“
       
       Die Auswertungen im „Wegweiser Pflege“ klingen freilich anders, zum
       [9][Beispiel für das „Seniorenzentrum Bassum“, das auf der Curata-Homepage
       mit der Note 1,1 beworben wird] – was im übrigen für die Mehrheit aller
       Pflegeheime in Deutschland gilt: Für 60 Prozent von ihnen gibt es in den
       entscheidenden Kategorien der MDK-Prüfungen Hinweise auf Mängel.
       
       20 Jun 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Heim-muss-schliessen/!5250291
 (DIR) [2] http://www.mdk-pruefung.com/darstellung-pflegenoten-altenheimen/
 (DIR) [3] http://www.soziales.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen69.c.24796.de
 (DIR) [4] http://www.heim-mitwirkung.de/
 (DIR) [5] https://correctiv.org/
 (DIR) [6] https://correctiv.org/recherchen/pflege/wegweiser/
 (DIR) [7] http://www.mediko-gruppe.de/index.php?id=residenzen
 (DIR) [8] http://www.curata.de/
 (DIR) [9] https://correctiv.org/recherchen/pflege/wegweiser/pflegeheim/27211-curata-seniorenzentrum-bassum/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schnase
       
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