# taz.de -- Heim muss schließen: Seniorenheim ließ Alte hungern
       
       > Das Bremer Sozialressort lässt ein Seniorenheim der Mediko-Gruppe
       > schließen. Durch Pflegemängel bestehe Lebensgefahr für die BewohnerInnen.
       
 (IMG) Bild: Lebensgefahr: In der Seniorenresidenz in Kirchhuchting sollen BewohnerInnen unterernährt gewesen sein
       
       BREMEN taz | Wegen massiver Mängel hat [1][Bremens Wohn- und
       Betreuungsaufsicht] die Schließung eines Seniorenheims der Mediko-Gruppe
       verfügt. In der „[2][Seniorenresidenz Kirchhuchting]“ sei nach Kontrollen
       in mehreren Fällen von einer „schwerwiegenden Gefahr für Leib und Leben“
       für die BewohnerInnen auszugehen, [3][erklärte das Bremer Sozialressort] am
       Montag.
       
       Mängel bestünden bei der Hygiene, der pflegerischen und medizinischen
       Versorgung sowie in der Pflegedokumentation. Zur [4][Mediko-Gruppe] gehören
       insgesamt 21 Pflegeheime in Deutschland, zehn davon in Niedersachsen, sowie
       eines in Hamburg-Fischbek. Erst im März hatte ein Heim der Gruppe im
       hessischen Hattersheim für Aufmerksam gesorgt: [5][Nach ähnlichen
       Vorwürfen] musste dort massiv nachgebessert werden. Das Unternehmen weist
       die Vorwürfe zurück.
       
       Über die Mängel in der Bremer Einrichtung hatte ein Pfleger im Oktober in
       der [6][taz berichtet]: Teilweise sollen falsche Medikamente verabreicht
       worden sein, es habe Fälle von Austrocknung und Unterernährung bei den
       BewohnerInnen gegeben. „Die Trink- und Essprotokolle beispielsweise wurden
       einfach gefälscht“, erklärte der Pfleger, „am Ende des Tages wurde da
       irgendetwas hineingeschrieben.“ Und: Es habe massiv Personal gefehlt.
       
       Die Leiterin der Bremer Wohn- und Betreuungsaufsicht, Martina Timmer,
       erklärte nun, es seien „einfache und grundlegende Maßnahmen der
       Qualitätssicherung in der Pflege“ unterblieben. Der Träger habe, insgesamt
       gesehen, „die Anforderungen an die Pflege und Betreuung pflegebedürftiger
       Menschen nicht ernst genug genommen“, sagte Timmer. Ein Bewusstsein für
       einen würdevollen Umgang mit den BewohnerInnen sei „völlig unzureichend
       entwickelt“. Die Behörde sei seit Monaten mit der Einrichtung beschäftigt
       gewesen. Bereits im Januar waren Anordnungen erlassen worden, im September
       wurde die Schließung angedroht.
       
       Diese wurde nun am Freitag verfügt. Ursprünglich sollten alle 63
       BewohnerInnen bis Donnerstag verlegt werden. Vor dem Verwaltungsgericht
       Bremen hat die Mediko-Gruppe allerdings einen Eilantrag gestellt, um den
       „sofortigen Vollzug“ aufzuschieben, bis über einen Widerspruch entschieden
       wurde. Laut Gericht hat die Bremer Aufsichtsbehörde daraufhin eingewilligt,
       die Entscheidung über den Eilantrag abwarten zu wollen.
       
       Gegenüber der taz erklärte die Mediko-Gruppe, für eine Untersagung des
       Betriebes bestehe „kein Grund“, die Entscheidung der Behörde sei
       „unangebracht“. Vielmehr verwies das Unternehmen auf die Aussage eines
       Arztes, der 16 BewohnerInnen betreue, wonach eine Gefährdung für Leib und
       Leben erst durch die Schließung der Einrichtung entstehe.
       
       Laut Mediko hätten „zahlreiche Bewohner und Angehörige“ bereits mitgeteilt,
       „dass sie keinen Auszug aus der Einrichtung wünschen“. Dies stehe „in
       Zusammenhang mit der bis heute erreichten Versorgungsqualität in der
       Residenz Kirchhuchting“. Vor dem Verwaltungsgericht habe man auch eine
       eidesstattliche Versicherung eines Sachverständigen vorgelegt. Dieser hatte
       die Einrichtung seit September beraten und erklärte, es könne in der
       Seniorenresidenz „nicht von einer ‚gefährlichen Pflege‘ gesprochen werden“.
       Die bisherigen Anordnungen seien mit sofortiger Wirkung umgesetzt worden.
       
       Die Mediko-Gruppe ist nach eigenen Angaben Teil [7][der familiengeführten
       Lindhorst-Gruppe] mit Sitz im niedersächsischen Winsen an der Aller, deren
       ursprüngliches Geschäftsfeld in der konventionellen Landwirtschaft liegt.
       
       [8][Laut Tagesspiegel setzt Lindhorst] „auf maximale Rationalisierung durch
       ‚schlanke Betriebsorganisation‘ und den Einsatz von externen
       Lohnunternehmen“. Nach dem Einstieg ins Immobiliengeschäft kam 2007 das
       Geschäftsfeld „Pflege- und Gesundheitszentren“ hinzu. Aus dem
       niedersächsischen Sozialministerium hieß es, bislang gebe es keine
       Kenntnisse über Missstände der Unternehmens-Gruppe.
       
       23 Nov 2015
       
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 (DIR) [1] http://www.soziales.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen69.c.24798.de
 (DIR) [2] http://www.residenz-kirchhuchting.de/index.php?id=seniorenheim
 (DIR) [3] http://www.senatspressestelle.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen146.c.155943.de&asl=
 (DIR) [4] http://www.mediko-gruppe.de/residenzen.0.html
 (DIR) [5] http://www.fr-online.de/main-taunus/hattersheim-seniorenresidenz-weist-vorwuerfe-zurueck,1472862,30209756.html
 (DIR) [6] /Maengel-im-Altenheim/!5242056
 (DIR) [7] http://www.lindhorst-gruppe.de
 (DIR) [8] http://www.tagesspiegel.de/politik/konzernlandwirtschaft-auf-dem-vormarsch-die-deutschen-agrarriesen/8621950.html
       
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