# taz.de -- MSF weist EU-Förderung zurück: Ärzte setzen Grenzen
       
       > Täglich mit den Folgen konfrontiert: Aus Protest gegen den EU-Türkei-Deal
       > verzichtet „Ärzte ohne Grenzen“ auf Geld aus Deutschland und der EU.
       
 (IMG) Bild: Ankunft in Sizilien: MSF bringt Geflüchtete in Sicherheit
       
       BERLIN taz | Aus Protest gegen die EU-Flüchtlingspolitik nimmt die
       Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) kein Geld mehr von der
       Bundesregierung, der EU und allen EU-Mitgliedsstaaten. Das gab der
       MSF-Geschäftsführer Florian Westphal am Freitag bekannt. „Wir sehen in
       unseren Projekten jeden Tag, welches Leid die aktuelle EU-Politik
       verursacht“, sagte Westphal. Die Organisation verzichte damit auf Mittel in
       Höhe von derzeit rund 50 Millionen Euro jährlich.
       
       Besonders viel ist das im Verhältnis zum Gesamtbudget nicht. MSF hat nach
       eigenen Angaben einen weltweiten Jahresetat von rund 1,44 Milliarden Euro.
       92 Prozent davon stammen aus privaten Spenden, 7 Prozent aus so genannter
       institutioneller, also öffentlicher Förderung. Die EU und ihre
       Mitgliedsstaaten haben davon 2015 rund die Hälfte gegeben.
       
       Die deutsche MSF-Sektion kann in diesem Jahr 125 Millionen Euro ausgeben,
       davon stammen 4 Millionen Euro vom Auswärtigen Amt. Schon in der
       Vergangenheit hatte MSF aus politischen Gründen darauf verzichtet, Geld vom
       deutschen Staat für Flüchtlingsversorgung in Europa oder Hilfsprojekte in
       Afghanistan zu nehmen, wo Deutschland Partei ist. Es sei „wichtig, dass wir
       dort als unabhängig wahrgenommen werden,“ sagte die MSF-Sprecherin Lena
       Langbein der taz. Die Gelder des Auswärtigen Amtes seien deshalb in
       Hilfsprojekte im Tschad, Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, Nigeria,
       Südsudan und Kamerun geflossen. Doch auch darauf will MSF jetzt verzichten.
       
       Die Organisation rechne damit, dass sie ihre Aktivitäten in den fünf
       betroffenen Staaten nicht einschränken muss, sondern durch zusätzliche
       private Spenden aufrecht erhalten kann. Es sei denkbar, dass der Verzicht
       auf die öffentlichen Hilfsgelder auch die Bereitschaft von Privatleuten
       schmälert, räumte Langbein ein. „Aber wir denken, dass wir kommunizieren
       können, warum wir diesen Schritt gehen.“
       
       ## „Gefährlicher Präzedenzfall“
       
       Ausschlaggebend für die Entscheidung sei der EU-Türkei-Deal: „Die
       verheerenden Auswirkungen der EU-Abschottungspolitik für Menschen auf der
       Flucht, besonders für Schwangere, Kinder und unbegleitete Minderjährige,
       erleben unsere Teams täglich“, sagte Westphal. Drei Monate nach
       Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens sitzen als direkte Folge mehr als
       8.000 Schutzsuchende auf den griechischen Inseln fest. Darunter seien
       Hunderte unbegleitete Minderjährige und viele Familien, die vor den Kriegen
       in Syrien, Irak und Afghanistan geflohen sind. Sie würden unter „völlig
       unzureichenden Bedingungen oft monatelang in überfüllten Lagern
       festgehalten und müssen mit der Abschiebung in die Türkei rechnen.“
       
       Das Abkommen sei „ein gefährlicher Präzedenzfall für die Politik anderer
       Staaten jenseits der EU“, sagte Westphal. „Wir sehen schon jetzt einen
       Dominoeffekt geschlossener Grenzen.“ Die EU-Staaten seien mit dafür
       verantwortlich, dass im Norden Syriens rund 100.000 Vertriebene nur wenige
       Kilometer entfernt von der Front mit dem so genannten Islamischen Staat an
       der türkischen Grenze festsitzen, die ebenfalls geschlossen ist.“
       
       Ärzte ohne Grenzen leistet nach eigenen Angaben derzeit Hilfe für
       Flüchtlinge und Vertriebene in mehr als 40 Ländern, darunter Griechenland,
       Serbien, Frankreich und Italien sowie auf drei Rettungsschiffen im
       Mittelmeer. In den vergangenen 18 Monaten haben die Teams etwa 200.000
       Flüchtende in Europa behandelt.
       
       17 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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