# taz.de -- Umfrage unter EU-Bürgern: Knappe Mehrheit gegen Brexit > 54 Prozent der Befragten wünschen sich einen Verbleib Großbritanniens in > der EU. Die Brexit-Kampagne verliert unterdessen eine prominente > Unterstützerin. (IMG) Bild: Die EU und Großbritannien? 54 Prozent wollen eine Fortsetzung der wackeligen Lovestory GÜTERSLOH/LONDON dpa/ap | Eine Mehrheit der EU-Bürger wünscht sich, dass Großbritannien in der Europäischen Union bleibt. Laut einer am Montag vorgestellten Studie der Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel „Bleibt doch“ spricht sich mit 54 Prozent allerdings nur etwas mehr als die Hälfte dafür aus. Rund jeder fünfte will, dass die Briten die Staaten-Gemeinschaft verlassen. Auffallend nach Meinung der Forscher ist, dass 25 Prozent nicht wissen, welchen Standpunkt sie bei dieser Frage einnehmen sollen. Am 23. Juni entscheiden die Briten in einem Referendum über den Brexit, also den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union. Auch Gegner des Brexits blieben bei einem Austritt des Vereinigten Königreichs gelassen. Auswirkungen für ihr eigenes Land befürchten nur wenige: Über zwei Drittel der befragten EU-Bürger erwarten keine Konsequenzen. „Auch wenn vielen Bürgern ihre Alltagssorgen näher sind als die Wahlergebnisse aus London – ein Austritt Großbritanniens wäre ein Verlustgeschäft für alle Europäer“, sagte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Konsequenzen für die EU als Ganzes aber befürchten deutlich mehr EU-Bürger. 45 Prozent der Befragten außerhalb Großbritanniens erwarten, dass sich die Lage der Union durch einen Austritt Großbritanniens verschlechtern würde. 45 Prozent gehen von einer wirtschaftlichen Schwächung aus. 26 Prozent sehen einen Machtverlust der EU ohne die Briten. Dabei lohnt sich ein Blick in die einzelnen Länder. 51 Prozent der Polen und 48 Prozent der Deutschen machen sich Sorgen um die Konsequenzen eines möglichen Brexits für die EU. Franzosen, Spanier und Italiener sind da deutlich gelassener. Eine Mehrheit in diesen Ländern sieht keine negativen Auswirkungen. Laut Studie haben Alter und Wissen der Befragten wenig Einfluss auf die Meinung zum möglichen Brexit. Entscheidend sei die Grundeinstellung zur EU. Mit 72 Prozent wünscht sich eine große Mehrheit der EU-Fans den Verbleib der Briten. Bei den Europaskeptikern sind es nur 30 Prozent. In dieser Gruppe aber gibt es nach Ansicht der Bertelsmann-Forscher eine Überraschung. Nur 38 Prozent der EU-Kritiker wünschen sich den Austritt des Königreichs. Mit 32 Prozent wissen fast ebensoviele der Skeptiker nicht, was sie sich wünschen sollen. ## „Die Grenzen des Anstands überschritten“ Unterdessen hat eine prominente Unterstützerin aus Protest gegen die fremdenfeindliche Rhetorik der britischen Brexit-Kampagne den Rücken gekehrt. Wenige Tage vor dem Referendum warf die frühere Vorsitzende der Konservativen Partei von Premierminister David Cameron, Sayeeda Warsi, den Befürwortern eines EU-Austritts vor, die Grenzen des Anstands überschritten zu haben. „Wollen wir wirklich Lügen erzählen und Hass und Fremdenfeindlichkeit verbreiten, nur um eine Kampagne zu gewinnen?“, fragte die pakistanischstämmige Politikerin in einem am Sonntag verbreiteten Interview mit der Times. Sie könne die Kampagne nicht länger unterstützen, fügte Warsi hinzu. Den letzten Ausschlag für die Entscheidung habe ein Plakat gegeben, auf dem Flüchtlinge und der Slogan „Breaking Point“ (Bruchstelle) zu sehen waren. „Dieses Plakat war für mich persönlich die Bruchstelle“, sagte Warsi. Unterstützer der Brexit-Kampagne zogen nach Warsis Ankündigung umgehend über den Kurznachrichtendienst Twitter in Zweifel, ob die Politikerin die Kampagne zuvor tatsächlich mit voller Überzeugung unterstützt habe. Am Sonntag hatten die Politiker in Großbritannien ihre Kampagnen zu dem Referendum über den EU-Verbleib wieder aufgenommen. Sie waren nach dem tödlichen Attentat auf die Labour-Abgeordnete Jo Cox in der vergangenen Woche vorübergehend ausgesetzt worden. 20 Jun 2016 ## TAGS (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Großbritannien (DIR) EU (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Großbritannien (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Schwerpunkt Brexit (DIR) Großbritannien ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Londons Banken nach dem Brexit: Das Geld soll nach Frankfurt Lobbyisten nutzen den Brexit, um eine Liberalisierung des Finanzplatzes Deutschland zu fordern. Auch andere Länder buhlen um die britischen Jobs. (DIR) Irland und der Brexit: Die Iren sollen das Königreich retten 300.000 Bewohner der Grünen Insel dürfen beim EU-Referendum abstimmen. Dazu kommen 60.000 irische Migranten in Großbritannien. (DIR) Europäische Union und Brexit: Besser ohne die Briten Der Brexit wäre gut für die EU. Beziehungsweise eine ihrer letzten Chancen, weder zu implodieren noch zur technokratischen Diktatur zu werden. (DIR) Zum Nachlesen: der taz-Brexit-Ticker: Merkel mahnt zur Einheit Das Pro-Brexit-Lager hat gewonnen. Der Premierminister will im Oktober sein Amt abgeben. Angela Merkel mahnt die europäische Einheit an und trifft sich mit EU-Spitzen. (DIR) Bedrohung von Politikern in England: Die angstfreie Zeit ist vorbei Die aggressive Stimmung gegen Politiker nimmt zu. Vor allem Frauen werden von Neonazis, Islamisten und militanten Linken massiv bedroht. (DIR) Großbritannien vor dem EU-Referendum: Zwischen Revolte und Revanchismus Seit Jahrzehnten kämpfen britische Politiker für einen Austritt aus der EU. Nun sieht es so aus, als könnten sie Erfolg haben. Schuld sind ihre Gegner. (DIR) Nach Attentat auf Politikerin Jo Cox: Wahlkampf läuft wieder an In Interviews und Zeitungsbeiträgen werben Brexit-Befürworter und -Gegner für ihre Haltung. Nach zwei neuen Umfragen gewinnen die Gegner an Rückhalt. (DIR) Debatte Brexit: Norwegen ist ein teures Vorbild Auch wenn die britische „Leave“-Fraktion es nicht wahrhaben will: Statt einer Flucht aus Europa, gibt es nur einen wenig glorreichen „Breturn“. (DIR) Ermordung der Labour-Politikerin Jo Cox: Eine sehr englische Trauer Hunderte Menschen kommen am Freitagabend in London zu einer improvisierten Gedenkfeier für Jo Cox zusammen. Es überwiegt Fassungslosigkeit.