# taz.de -- Muslimischer Alltag: Gehört Deutschland zum Islam?
       
       > Für viele scheint klar: „deutsch“ und „muslimisch“, das geht nicht
       > zusammen. Wir haben nach Spuren gesucht, wie dieses Land die Religion
       > prägt.
       
 (IMG) Bild: Eröffnung der Bait-ul-Wahid Moschee in Hanau im Mai 2015
       
       Wenn man viele Leute aufmalen lassen würde, wie sie sich das Verhältnis von
       Islam und westlicher Welt vorstellen, kämen wahrscheinlich sehr oft zwei
       Kreise heraus, die sich kaum überschneiden: Der eine sind wir, der andere
       sind die.
       
       2001, nachdem in den USA die Flugzeuge in das World Trade Center gelenkt
       worden waren, hatte die Theorie vom „Kampf der Kulturen“ Konjunktur. Der
       Politikwissenschaftler Samuel Huntington hatte das gleichnamige Buch
       geschrieben, und nun, da islamistische Terroristen die USA angegriffen
       hatten, schien ein Kampf der klar voneinander abgrenzbaren Kulturen
       tatsächlich vielen vorstellbar.
       
       Der Gedanke prägt bis heute weite Teile der gesellschaftlichen Debatte über
       den Islam. Die AfD hat die Fremdheit von Muslimen zum Programm gemacht.
       
       Viele Islamkritiker, die es in allen politischen Lagern gibt, halten Islam
       und Grundgesetz für unvereinbar. 61 Prozent der Deutschen sind laut einer
       Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2015 der Meinung, der Islam passe nicht
       in die westliche Welt – Tendenz steigend. Dass klar getrennt wird zwischen
       „Deutschland“ und „Islam“, so als sei klar, was damit gemeint ist, gehört
       für viele zu den Prämissen der politischen Debatte. Sie steckt auch schon
       in der Frage, ob „der Islam“ zu „Deutschland“ gehört.
       
       ## Der Islam in der Pfalz
       
       Wir haben den „Kampf der Kulturen“ verworfen und die Frage in der
       [1][taz.am wochenende vom 24./25. Juni] anders gestellt: Wie prägt das
       Leben in Deutschland den religiösen Alltag der deutschen Muslime? Wie
       ändert sich das Bild, wenn man nicht von abgeschlossenen Kulturklötzen
       ausgeht, sondern die Dinge betrachtet, wie sie ja nun einmal sind:
       durchlässig und im Prozess?
       
       Im pfälzischen Germersheim haben wir die Modedesignerin Meriem Lebdiri
       besucht, die eines der wenigen deutschen Labels für Modest Fashion führt,
       dezente Mode, die muslimische Frauen tragen – die aber auch andere tragen
       können. Lebdiri machte die ersten eigenen Entwürfe mit elf, in einer Phase
       der Selbstfindung. Hüfthosen und bauchfreie Blusen wollte sie aus
       religiösen Gründen nicht mehr tragen, die traditionelle importierte
       muslimische Frauenmode aber war ihr zu sackartig. Also entwarf sie eigene
       Kleidung, nur für sich: ein pfälzisches Mädchen islamischen Glaubens.
       
       Deutsch ist diesem Verständnis nach das, was in Deutschland geschieht. In
       einem pluralistischen Land, in dem die Gedanken derer zusammenfließen, die
       hier leben. Lebdiri etwa setzt italienische Wolle und algerische Spitze zu
       einem Mantel neu zusammen und wird damit, der Farben und der schlichten
       Eleganz wegen, auf Fashion Shows als deutsch erkannt.
       
       Es ist nur ein Beispiel dafür, wie muslimische und deutsche Gepflogenheiten
       und Feinheiten zusammenfließen. Eine große Kölner Moschee wurde etwa von
       einem katholischen Architekten entworfen.
       
       ## Ein evangelischer Friedhof
       
       Die taz.am wochenende war auf einem evangelischen Friedhof, der 2015 einen
       muslimischen Bereich eingerichtet hat. Wir haben Unterschiede gesehen, aber
       vor allem festgestellt: Die Muslime gleichen ihre Bestattungsrituale den
       deutschen an.
       
       Wir haben mit einer Konvertitin gesprochen. Und wir waren in einer Moschee
       in Berlin, die auf türkischem Boden steht. Doch dort geschehen Dinge, die
       in der Türkei so nicht passieren würden – weil sich die Gemeindemitglieder
       als Teil der deutschen Gesellschaft verstehen und ihre Debatten mitführen.
       
       Kennen Sie weitere Beispiele dafür, wie muslimische und nicht-muslimische
       deutsche Kultur zusammenwachsen? Oder halten Sie die Theorie vom Kampf der
       Kulturen – die letztlich auch der sogenannte Islamische Staat propagiert –
       für geeigneter, die Wirklichkeit zu beschreiben? Diskutieren Sie mit!
       
       Die Geschichte „Gehört Deutschland zum Islam?“ lesen Sie in der [2][taz.am
       wochenende vom 24./25. Juni]. Dort finden Sie auch ein Interview mit Milad
       Karimi, der an der Universität Münster Kalām, islamische Philosophie und
       Mystik lehrt. Er beantwortet Fragen zur Theologie.
       
       25 Jun 2016
       
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