# taz.de -- Türkischer Journalist zu seiner Festnahme: „Nun fürchten sich die Leute vor mir“
       
       > Nach dem Putschversuch wurden dutzende Haftbefehle gegen Journalisten
       > erlassen – darunter Bülent Mumay. Wieder frei, beschreibt er die
       > Absurdität der Festnahme.
       
 (IMG) Bild: Istanbul am 21. Juni: Protest gegen das türkische Regime und für die Pressefreiheit
       
       taz: Herr Mumay, am Freitagabend wurden Sie aus der Haft entlassen. Wie
       geht es Ihnen? 
       
       Bülent Mumay: Ich mache mir große Sorgen um meine Kollegen. [1][Es sind
       noch so viele in Haft], die nicht wissen, was ihnen vorgeworfen wird. Aber
       mir selbst geht es gut.
       
       Gegen Sie und 41 weitere JournalistInnen wurde vergangenen Montag
       Haftbefehl erlassen. Was wurde Ihnen vorgeworfen? 
       
       Ich wurde beschuldigt, einer terroristischen Vereinigung namens
       Fethullah-Gülen-Organisation geholfen zu haben. Ich war geschockt, als ich
       das erfahren habe. Ich habe alles erwartet, aber nicht, dass mir
       vorgeworfen wird, Teil eines Militärputsches oder der Gülen-Bewegung zu
       sein. Selbst als Gülen und Erdoğan noch sehr enge Freunde waren, habe ich
       beide immer stark kritisiert.
       
       Was ist seit Ihrer Verhaftung am Dienstag geschehen? 
       
       Ich wurde auf der Polizeistation in Gewahrsam genommen. Zurzeit werden
       Tausende Menschen verhaftet. Die Polizeistationen sind vollkommen
       überfüllt. Nachdem ich drei Nächte in der Polizeistation verbracht hatte,
       wurde ich am Freitagmorgen vor Gericht geführt, um 20.30 Uhr war ich frei.
       
       Wie kam es zu der Entlassung? 
       
       Ich habe dem Staatsanwalt gesagt, dass die Vorwürfe gegen mich nicht
       stimmen. Ich habe ihm meine alten Tweets, Kolumnen und Geschichten gezeigt,
       in denen ich die Gülen-Bewegung kritisiere. „Wie kann ich Teil davon
       sein?“, habe ich ihn gefragt. Ich glaube, damit habe ich sie überzeugt.
       
       Lag Ihr Freispruch in der Hand des Gerichts? 
       
       Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, wer die Entscheidung getroffen hat,
       mich zu verhaften. Vor der Verhaftung, als es schon einen Haftbefehl gegen
       mich gab, bin ich mit meinem Anwalt zum Gericht gegangen, um
       herauszufinden, was gegen mich vorliegt. In der Akte, die der Staatsanwalt
       geöffnet hat, war nur Bullshit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein
       echter Richter oder Staatsanwalt diese Akte tatsächlich vorbereitet hat.
       
       Haben Sie eine Idee, wer dahinterstecken könnte? 
       
       Nein, aber ich weiß, warum ich verhaftet wurde. Manchmal, wenn Autoritäten
       nichts finden, was sie einem vorwerfen können, setzen sie einfach deinen
       Namen auf eine Liste, um ihn zu beschmutzen. Die Regierung mag nicht, dass
       ich Stellung gegen sie beziehe. Seit 18 Jahren arbeite ich als kritischer
       Journalist für große Medienhäuser. Sie haben auf einen Vorwand gewartet, um
       meinen Namen auf ihre Liste zu schreiben.
       
       Wie geht es den anderen inhaftierten JournalistInnen? 
       
       Wie es aussieht, müssen sie mehrere Monate in Haft bleiben, bis zum
       Prozess. Ich hoffe, sie werden entlassen. Ich habe sie erst auf der
       Polizeistation kennengelernt, aber ich bin mir sicher, dass die meisten
       unschuldig sind.
       
       Glauben Sie, die Regierung hat eine Agenda, die sie verfolgt? 
       
       Am 15. Juli erlebte die Türkei eine ihrer furchtbarsten und brutalsten
       Nächte. Der Regierung gelingt es nicht, die Kräfte, die dahinterstehen, zu
       bekämpfen. Ich weiß nicht, ob es eine geheime Strategie gibt. Soweit ich es
       verstehe, versucht die Regierung, andere Gruppen da mit hineinzuziehen.
       Aber sie ist nicht sorgfältig. Die Regierung handelt nicht demokratisch.
       
       Wie geht es für Sie weiter? 
       
       Ich versuche jetzt, einen Job zu finden. Das ist nicht leicht, mein Foto
       wurde in den letzten Tagen immer wieder im Fernsehen gezeigt. Eine
       Tageszeitung hat es sogar auf Seite 1 gedruckt, darüber stand in großen
       Buchstaben „Wanted“. Nun fürchten sich die Leute vor mir.
       
       1 Aug 2016
       
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