# taz.de -- Texte der Schwarzen Poetin Audre Lorde: Schmerz in Produktivität verwandeln
       
       > Audre Lorde war „Schwarze Frau, Poetin, Lesbe, Mutter, Liebhaberin,
       > Lehrerin, Freundin, Kämpferin“. Sie inspirierte die afrodeutsche
       > Bewegung.
       
 (IMG) Bild: Lordes Themen sind auch heute noch aktuell: „Black Lives Matter“-Proteste im November 2014
       
       Audre Lorde steht da, ein Mikrofon in der linken Hand, die rechte streckt
       sie den Berliner Studierenden des Jahres 1984 entgegen. Ihre Lippen sind
       gespitzt, sie spricht gerade. Eindringlich, auffordernd blickt Lorde auf
       der Schwarzweißfotografie, die sie bei einer Vorlesung am John F. Kennedy
       Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin zeigt.
       
       „Ich bin eine Schwarze Frau Poetin Lesbe Mutter Liebhaberin Lehrerin
       Freundin Kämpferin und ich bin schüchtern, stark, fett, großzügig, loyal
       und launisch, unter anderem“, schrieb die Schriftstellerin und Aktivistin
       Audre Lorde in einem Text mit dem Titel „Poesie macht etwas möglich“.
       
       Darin zeigt sie sich überzeugt: „Wenn ich nicht alles, was mich ausmacht,
       in das, was ich mache, mit einbringe, erschaffe ich gar nichts.“ So kämpfte
       Lorde nicht hier gegen Homophobie, dort gegen Rassismus und an anderer
       Stelle für den Feminismus – sie kämpfte einen ganzheitlichen Kampf, in den
       sie ihr ganzes Wesen einbrachte.
       
       Lorde wurde 1934 als Tochter karibischer Eltern in Harlem, New York City,
       geboren. Die studierte Bibliothekarin erlebte das Amerika der
       Rassentrennung, kannte die alltägliche Gewalt gegen Frauen, sah die Folgen
       des Apartheid-Regimes in Südafrika. Wie sehr Lorde vermochte, diesen
       Schmerz in Produktivität zu verwandeln, zeigen mehrere Texte und Reden, die
       2015 in dem Büchlein „Vertrauen, Kraft und Widerstand“ erstmals auf Deutsch
       erschienen sind.
       
       ## „Balsam für das Herz“
       
       „Wir müssen lernen, auch für uns selbst zu sorgen, und wir müssen lernen,
       zärtlich zu uns zu sein“, schrieb Lorde. Viel zu lange sei von Schwarzen
       Frauen erwartet worden, „für alle möglichen Leute alles Mögliche zu sein
       und alle möglichen Positionen zum Ausdruck zu bringen – nur nicht unsere
       ureigenen.“
       
       Herausgegeben wurde der Sammelband von AnouchK Ibacka Valiente. „Ich frage
       mich manchmal, ob Audre Lorde wusste, wie wichtig ihre Worte sind, Feuer
       für den Verstand und Balsam für das Herz“, schreibt Valiente – und erzählt
       im Nachwort von der Herausforderung, Lordes Texte zu übersetzen.
       
       Die deutsche Sprache benennt Geschlechter viel eindeutiger als das
       Englische. Valiente bemühte sich um Gendersensibilität, setzte Sternchen
       und Unterstriche, schrieb Schwarz groß und weiß mit kursivem ersten
       Buchstaben – um zu zeigen, dass nicht Identitäts-, sondern
       Analysekategorien gemeint sind. Entsprechend handelt es sich bei dem Buch
       um Valientes eigene Interpretation der Texte Lordes.
       
       ## Zu Besuch in Berlin
       
       Lorde ermutigte unentwegt Schwarze Frauen, ihre Stimme zu erheben. „Wenn
       ich gewartet hätte, bis ich das Richtige sage, bevor ich überhaupt etwas
       sage, würde ich jetzt kleine kryptische Nachrichten über den
       Seelenschreiber senden, Klagen aus dem Jenseits“, schrieb Lorde, die
       jahrelang gegen ihre Krebserkrankung kämpfte.
       
       Von 1984 bis zu ihrem Tod im Jahr 1992 kam sie immer wieder nach Berlin.
       Sie ließ dort ihren Krebs naturheilkundlich behandeln und unterstützte
       maßgeblich die afrodeutsche Bewegung, die sich damals gerade erst
       formierte. Lorde beeinflusste Frauen wie die Schriftstellerinnen May Ayim
       und Katharina Oguntoye, wichtige Figuren der afrodeutschen Bewegung in
       Deutschland.
       
       Auf die räumlichen Spuren Lordes in Berlin führt die [1][„Audre Lorde
       Berlin City Tour“]. Die Onlinekarte markiert wichtige Stationen,
       präsentiert Fotos und Informationen – darunter auch die Fotografie aus dem
       Hörsaal der Freien Universität. Auch der Film „The Berlin Years“ von 2012
       erzählt von der politischen und literarischen Verbindung der Poetin zu
       Berlin und zur Schwarzen Community in Deutschland. Am 29. August läuft er
       im Lichtblick-Kino in Berlin in Anwesenheit der Regisseurin Dagmar Schulz.
       
       28 Aug 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://audrelordeberlin.com/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dinah Riese
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Black Lives Matter
 (DIR) Afrodeutsche
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Feminismus
 (DIR) Homophobie
 (DIR) Afrodeutsche
 (DIR) Afrodeutsche
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Literatur
 (DIR) Feminismus
 (DIR) Debütalbum
 (DIR) Klagenfurt
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Audre-Lorde-Straße in Kreuzberg: Kreuzberger Schilderstreich
       
       Die Manteuffelstraße in Kreuzberg wurde in Audre-Lorde-Straße umbenannt.
       Die Schilder wurden bislang nicht ausgetauscht.
       
 (DIR) Doku „Afro.Deutschland“: Sichere Räume sind kaum vorhanden
       
       Jana Pareigis zeigt, was der alltägliche Rassismus mit einem macht. Ein
       persönlicher Film, der auch generationsübergreifend relevant ist.
       
 (DIR) US-Film „Hidden Figures“: Respekt und Raketen
       
       „Hidden Figures“ erzählt von drei schwarzen, lange ignorierten
       Nasa-Forscherinnen. Ein Film über Rassismus und den Wettlauf ins All.
       
 (DIR) Roman „Broken German“: Das Wort, der klingelt
       
       Der Schriftsteller Tomer Gardi hat die deutsche Sprache anders
       kennengelernt, als ihre Beschützer es gerne hätten: gebrochen.
       
 (DIR) Schriftstellerin über LSD und Feminismus: „Heutzutage lebe ich drogenfrei“
       
       In Sibylle Lewitscharoffs neuem Roman geht es um einen Dante-Kongress. Das
       Gespräch mit ihr verläuft fast bis zum Schluss harmonisch.
       
 (DIR) Jamila Woods' Debütalbum „HEAVN“: Der afroamerikanische Kreidekreis
       
       Jamila Woods aus Chicago und ihr tolles Debütalbum „HEAVN“ – ein Appell,
       rassistische Exzesse mit Kreativität abzuwehren.
       
 (DIR) Kommentar Bachmann-Preisträgerin: Mehr als nur ein Ei
       
       Sharon Dodua Otoo setzt sich seit Jahren für mehr Sichtbarkeit von
       Schwarzen Frauen ein. Ihre Ehrung setzt ein starkes Signal.
       
 (DIR) Rassismus in den USA: Die Enkel der Bewegung
       
       Junge schwarze AktivistInnen mobilisieren gegen Polizeigewalt und
       Rassismus. Sie sind wütend und ihre Aktionsformen sind vielfältig.
       
 (DIR) 50 Jahre Civil Rights Act: Sie hatten einen Traum
       
       Zwei US-AktivistInnen engagierten sich in den 1960ern in der
       Bürgerrechtsbewegung. Beide befürchten, dass der Rassismus wieder erstarkt.
       
 (DIR) Kolumne Das Schlagloch: Feminismus ist unteilbar
       
       Heike und Hatice teilen das gleiche Los. Sie sollten auch gemeinsam an
       einem Strang ziehen.