# taz.de -- Debatte Rechtsextremismus: Als weiblich denunzieren
       
       > Der Feminismus ist ein zentrales Feindbild rechter Bewegungen. Ihr
       > Politikverständnis basiert auf der Ungleichheit der Geschlechter.
       
 (IMG) Bild: Gleichermaßen von der rechten Debatte gelangweilt: Frau und Mann
       
       Die rechte Internetzeitschrift Sezession ruft aktuell auf zur „Reconquista
       maskuliner Ideale“ und zur „Re-Polarisierung der Geschlechter – gegen
       jeden Gender-Trend und gegen jede Verweichlichung des Mannes“. Knapp und
       treffend fasst sie damit den neurechten Angriff auf Emanzipation und
       Gleichberechtigung zusammen. Zogen einst die Reyes Catolicós, die
       spanischen Könige, in den Kampf gegen das muslimische Andalusien, so machen
       sich heute die Ritter vom rechten Rand auf, das Terrain maskuliner
       Glückseligkeit zurückzuerobern.
       
       Bereits in ihrem programmatischen Manifest Die selbstbewußte Nation (1994),
       mit dem die neue intellektuelle Rechte ihren Anspruch auf eine
       Führungsrolle im Deutschland der Nachwendezeit anmeldete, war die neue
       Feindlinie gezeichnet: Der Feminismus habe, gemeinsam mit dem
       Multikulturalismus, die antikapitalistischen Theorien längst abgelöst und
       stelle eine totalitäre Gefahr dar. Die intellektuelle Rechte müsse sich in
       Zukunft viel intensiver mit dem Feminismus auseinandersetzen als bisher.
       
       Mission accomplished: Die Geschlechterpolitik ist im Zentrum rechter
       Ideologien angekommen, und das nicht von ungefähr: Ist doch die
       Ungleichheit der Geschlechter eine Art Blaupause für jedes Propagieren von
       Ungleichheit.
       
       Diese Ungleichheit ist in unzählige Schichten von Natur, Kultur, Tradition
       und Evidenz gehüllt, die eine Bezugnahme jederzeit möglich machen. Die
       Denunziation als weiblich funktioniert in allen Kontexten.
       
       ## Inszenierung durch Sprache
       
       Beobachtet man die rechten Rhetoriker bei ihrer Reconquista maskuliner
       Ideale, so lassen sich zwei Stränge erkennen: die Thematisierung von
       Geschlecht in der Auseinandersetzung mit Gleichstellungpolitik, Gender
       Mainstreaming und Gender Studies ganz im Sinne des Aufbruchs der
       Nachwendezeit. So zeigt ein Blick in die Programmatik der AfD, in
       zugehörige Blogs und auf einschlägige Vernetzungen, dass spezifische
       Maßnahmen der Frauen- und Gleichstellungspolitik wie Quoten oder Themen wie
       Homosexualität, Transgender und soziales Geschlecht inzwischen zentrale
       Anker der Argumentation darstellen.
       
       Der Antifeminismus der historischen Vordenker der Konservativen Revolution
       der Weimarer Republik oder der Selbstbewußten Nation wird damit
       aktualisiert. Die Polarität der Geschlechter ist unabdingbarer Baustein,
       denn nur vor der Folie einer naturalisierten Zweigeschlechtlichkeit lässt
       sich die soziale und symbolische Geschlechterordnung errichten, die den
       Vorrang des Männlichen sichert.
       
       Die Inszenierung erfolgt hingegen in der Sprache der politischen Aussagen.
       Linguistische Forschungen haben gezeigt, dass der Erfolg politischer
       Rhetorik davon abhängt, inwieweit sie emotionale Zustimmung herstellen.
       Erst wenn politische Argumente an Selbstbilder, Wünsche, Ideale und Ängste
       anknüpfen, entfalten sie Wirkungskraft. Diese emotionale Ansprache erfolgt
       durch Sprachbilder und Metaphern, die unser Denken, Fühlen und Handeln
       „framen“, das heißt, die tief verwurzelte und eingeübte Wertungen und
       Assoziationen aufrufen. Dieser Sprachraum ist zutiefst geschlechtlich
       codiert, wie sich beispielsweise an Begriffen wie Stärke und Schwäche, blau
       und rosa, schweigsam und geschwätzig sehen lässt.
       
       ## Zeichen von Schwäche und Zukunftslosigkeit
       
       Die neurechte Rhetorik arbeitet äußerst intensiv mit solchen rhetorischen
       Figuren. So etwa der Historiker Karlheinz Weißmann, eine zentrale Person
       der rechtsintellektuellen Szene, der in der Selbstbewußten Nation
       anprangert, dass „vornehmlich weibliche ‚patterns‘ “ gebraucht würden,
       „wenn es um Gesellschaftspolitik geht – so als ob sich der ‚Leviathan‘ in
       eine zärtlich bergende Mutter verwandelt habe“.
       
       Dieses Bild dient ihm als Zeichen von Schwäche und Zukunftslosigkeit,
       implizit vermittelt er die Botschaft, dass weibliche, mütterliche, weiche
       und zärtliche Werte im Innenraum der Familie zu verbleiben hätten, während
       Staat und Politik der Männlichkeit und Härte bedürften.
       
       Damit werden tradierte Staatsvorstellungen und Geschlechterdichotomien
       aktualisiert. Darüber hinaus werden auf der Basis dieser geschlechtlich
       markierten Gegensätzlichkeit von Staat und Familie Forderungen nach
       demokratischen und pazifistischen Entwicklungen als weiblich abqualifiziert
       und aus der Sphäre des Politischen verwiesen. Die als männlich
       qualifizierte harte Politik bewährt sich in dem Ausschluss als weiblich
       deklarierter Prinzipien.
       
       ## Wie man rechte Logik untergräbt
       
       Nach dem gleichen Muster lassen sich politische Gegner, Positionen und
       Strukturen als weiblich denunzieren. Umgekehrt wird ein auf
       Kompromisslosigkeit und Feindbestimmung angelegtes Politikverständnis mit
       Vokabeln wie „kleinem Krieg“ (Weißmann) oder „Ein-Mann-Kaserne“ (Gerd
       Kubitschek) kommuniziert.
       
       Ähnlich wie die neurechten Protagonisten selbst testet auch die neurechte
       Rhetorik aus, was sagbar ist. Kruder Sexismus etwa schließt auf zu
       frauenfeindliche Aggressionen, wie sie auch in anderen Bereichen,
       beispielsweise im Rap, in Internetforen oder der Pornografie gepflegt
       werden: „Wer sich allzu sehr feminisiert, ob Mann oder Land, sollte sich
       nicht wundern, wenn er schließlich auch gefickt wird“, schrieb Michael
       Klonovsky, der jüngst vom Focus zur AFD wechselte. Er gibt hier ein auch
       für VerfechterInnen traditioneller Geschlechterordnung bedenkliches
       Frauenbild zu erkennen. Die Ausgestaltung der angestrebten Repolarisierung
       der Geschlechter kommt als sexistische Gewaltandrohung daher.
       
       Wer dem Gender-Appeal solcher antifeministischer und maskulinistischer
       Rhetorik entgegentreten will, sollte in erster Linie eines tun: den
       Geschlechterantagonismus als zentrale und kulturell zutiefst verankerte
       Machtkategorie adressieren. Das bedeutet, Formen und Spuren männlicher
       Herrschaftsansprüche zu erkennen, die Komplizenschaft mit Patriarchen und
       Sexisten jeder Couleur offensiv aufzukündigen und so die maskulinistischen
       Angebote ins Leere laufen zu lassen.
       
       Als Faustformel mag dienen: Wer sich empathisch an die Seite der Frauen
       stellt, wird der rechten Logik das Wasser abgraben. Dem Paradigma der
       Ungleichheit ist mit dem kulturell ungewohnten Paradigma feministischer
       Solidarität zu begegnen. Die Reconquista bleibt dann Geschichte.
       
       28 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Kämper
       
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