# taz.de -- Kommentar Repression in Russland: Das Werk geweihter Schlichtgemüter
       
       > Das Meinungsforschungsinstitut „Lewada“ wurde zum „ausländischen Agenten“
       > erklärt. Der Autoritarismus droht in Totalitarismus umzukippen.
       
 (IMG) Bild: „Putin braucht Dich“ – seine Anhänger sind mittlerweile dem Übereifer anheimgefallen
       
       Es wäre nicht nötig gewesen, Russlands einziges unabhängiges
       Meinungsforschungsinstitut – das Lewada-Zentrum – [1][zum „ausländischen
       Agenten“ zu erklären.] Die Duma-Wahlen wird die Kreml-Partei „Einiges
       Russland“ (ER) in knapp zwei Wochen auch so gewinnen. Wahlausgänge in
       autoritären Systemen sind eine sichere Sache. Sollte es ungemütlicher
       werden, dann erst danach. Demokratien funktionieren umgekehrt, auf offene
       Wahlen folgt ein eingespieltes Verfahren.
       
       Dass das Justizministerium mit dem Agenten-Stempel hantiert, ist ebenso
       unnötig wie kurzsichtig. Schaden und Nutzen stehen in keinem Verhältnis.
       Kreml und Gesellschaft verlieren einen sicheren Gradmesser und zuverlässige
       Rückendeckung. Denn Lewadas Wahlumfragen weichen von denen staatlicher
       Institute nicht wesentlich ab. Ähnliche Resultate eines unabhängigen und
       wirtschaftlich selbständigen Kontrahenten verschaffen der Führung
       gleichwohl mehr Legitimation als Daten aus der eigenen Küche.
       
       Warum sollte der Kreml sich dieses wichtigen, glaubwürdigen und
       kostenneutralen Wahlhelfers entledigen? Sinn würde dies nur machen, wenn
       die Führung Einblicke in die Zeit danach besäße. Beunruhigende Einblicke,
       die es vor der Öffentlichkeit noch zu verbergen gilt. Doch das ist
       Spekulation.
       
       Daher sieht die Stigmatisierung Lewadas eher nicht nach einem Auftrag von
       ganz oben aus. Vielmehr scheint eine Tendenz dahinter auf, die spätestens
       seit der Annexion der Krim immer weiter um sich greift. Die selbstgewählte
       Isolation gegenüber einer vermeintlich feindseligen Außenwelt verleitet die
       Gemüter nun auch im Inneren zur Denunziation. Auf allen erdenklichen Wegen
       signalisieren sie dem großen Anführer Treue und Loyalität.
       
       Der Lewada-Antrag stammte von der Antimaidan-Bewegung, die die ukrainische
       Revolution verabscheut und grundsätzlich allen liberalen Kräften mit dem
       „gewaltsamen Kampf“ droht. Sie liegt Wladimir Putin zu Füßen. Kurzum: es
       ist eine Bruderschaft aus Rockern, Kampfsportlern und staatlich geweihten
       Schlichtgemütern. Ihr Wort zählt, ihre Methoden kritisiert niemand. Zu
       befürchten ist: mit ihnen überschreitet Russland die Grenze vom
       Autoritarismus zum Totalitarismus.
       
       7 Sep 2016
       
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