# taz.de -- Vor der Räumung von Calais' „Dschungel“: Fluchtspuren verlaufen sich
       
       > In Calais wird bald das Flüchtlingscamp geräumt. Verlegen sich die
       > Fluchtrouten nun nach Belgien? Die Grenzkontrollen werden schärfer.
       
 (IMG) Bild: In Sachen Flüchtlingsabwehr sitzt Belgiens Staat fest im Sattel: Strandpatrouille bei Zeebrugge
       
       OOSTENDE taz | Anlässlich [1][der bevorstehenden Räumung des „Dschungels“
       am Rande von Calais] wächst nun in Belgien die Besorgnis, Transitmigranten
       mit Ziel Großbritannien könnten von Frankreich auf die nahe belgische Küste
       ausweichen. Die grenznahe Provinz Westflandern hat erste Maßnahmen
       getroffen: Seit Wochenbeginn finden an der normalerweise unsichtbaren
       Grenze zu Frankreich Kontrollen statt.
       
       An zwei Autobahnrastplätzen zwischen Grenze und belgischer Küste wurde eine
       24-Stunden-Bewachung durch eine private Sicherheitsfirma eingerichtet, die
       eng mit der Polizei kooperieren soll. Die Regierung der Region Flandern,
       der flämische Teil Belgiens, zahlt dafür 200.000 Euro.
       
       Die Grenzkontrollen am Küstenübergang zwischen dem französischen Bray-Dunes
       und dem belgischen Adinkerke haben vor allem Linienbusse aus dem
       französischen Dunkerque (Dünkirchen) im Visier. Bereits kurz vor der Grenze
       geht eine französische Patrouille aus Gendarmen und bewaffneten Soldaten an
       Bord, um Verdächtige zu suchen. Wenige Meter weiter kontrollieren belgische
       Polizisten alle Pässe. Wie schon im Frühjahr, als der erste Teil des Camps
       in Calais geräumt wurde, werden auch Pkws untersucht.
       
       Die Maßnahmen innerhalb Belgiens zielen vor allem auf den Hafen Zeebrügge
       ab, den einzigen des Landes, der noch Verbindungen nach Großbritannien
       unterhält. Die Fähre zwischen Oostende und Ramsgate wurde vor einigen
       Jahren eingestellt. Carl Decaluwé, der Gouverneur der Provinz Westflandern,
       will „absolut verhindern“, dass Schmuggler-Netzwerke ihr Operationsgebiet
       nach Belgien verlegen. Der Tageszeitung De Morgen sagt Decaluwé, man habe
       weitere Maßnahmen vorbereitet, um „direkt eingreifen zu können, wenn der
       Druck auf Grenze und Küste zunimmt.“
       
       ## Rettung aus dem Kühlcontainer
       
       In den letzten Monaten gab es deutliche Anzeichen, dass die belgische Küste
       in der Migration am Ärmelkanal eine größere Rolle spielt als früher. Auf
       der Autobahn entlang der belgischen und französischen Küste hat die
       Aktivität von Migranten zuletzt deutlich zugenommen. Die Rastplätze auf
       französischer Seite sind schon seit Jahren dicht. Nun werden die in
       Westflandern verstärkt als Orte genutzt, um ungesehen in einen Lkw zu
       steigen – was wiederum die Tendenz bestätigt, dass sich das Geschehen
       zusehends auf das belgische Hinterland ausdehnt.
       
       In Zeebrügge wurden wiederholt Personen festgenommen, die sich Zugang zum
       Hafen verschafft hatten. Mehrfach mussten Flüchtlinge aus dem Inneren von
       Kühlcontainern gerettet werden, die in Zeebrügge auf die Abfahrt warteten
       und Notrufe sendeten, als es unzumutbar lange dauerte. Ende September
       wurden 12 Menschen aus einem Container befreit, die darin 6 Stunden bei
       minus 25 Grad ausgeharrt hatten.
       
       Im Frühjahr hielten sich mehrere Dutzend iranische Flüchtlinge
       vorübergehend in einer Kirche in Zeebrügge auf. Der Pfarrer gewährte ihnen
       Obdach, aber Gouverneur Decaluwé forderte hilfsbereite Bürger auf, ihnen
       nichts zu Essen zu geben, um nicht noch mehr anzulocken. Selbst Pegida
       demonstrierte in Zeebrügge. Auch in diesen Tagen regt sich Protest: Der
       rechtsextreme Vlaams Belang rief unter dem Motto „Kein Calais an unserer
       Küste“ zu einer symbolischen Grenzschließung in Adinkerke auf.
       
       ## Aussetzung der Räumung abgelehnt
       
       In Calais rückt derweil die Räumung des Flüchtlingslagers in den Dünen
       nahe. Allgemein geht man davon aus, dass der „Dschungel“ Anfang kommender
       Woche abgerissen wird. Das Verwaltungsgericht Lille hat inzwischen den
       Eilantrag lokaler Hilfsorganisationen auf Aussetzung der Räumung abgelehnt.
       
       Das nächste Problem dräut derweil bereits: Belgiens Grenze zu Frankreich
       ist lang; die Übergänge in Küstennähe dicht zu machen, wird nicht reichen.
       Schon im Frühjahr kommentierte der französische konservative
       Präsidentschaftsanwärter Alain Juppé: „Die belgisch-französische Grenze
       kontrollieren? Ich wünsche allen, die das vorhaben, guten Mut. Ich glaube,
       es gibt 1.500 Übergänge, und manchmal ist die Grenze auch einfach eine
       Dorfstraße.“
       
       20 Oct 2016
       
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 (DIR) Tobias Müller
       
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