# taz.de -- Rechte Internettrolle: Pöbeln mit Pepe the Frog
       
       > Die Alt-Right-Bewegung nutzt im US-Wahlkampf die Sprache des Internets.
       > Wie eng hängen Ultra-Rechte und Meme-Nerds zusammen?
       
 (IMG) Bild: Geistert schon länger durchs Internet: Pepe the Frog, das Maskottchen der Alt-Right-Bewegung, hier als Donald Trump
       
       Während der Sommerferien 2003 saß Christopher Poole, ein 15-jähriger
       US-Teenager, zu Hause am Rechner und langweilte sich. Weswegen er unter dem
       Pseudonym „moot“ 4chan.org aufsetzte – ein sogenanntes Imageboard, also ein
       Forum, in dem Nutzer anonym posten können. Und das bis heute über 22
       Millionen Besucher pro Monat zählt.
       
       Im US-Wahlkampfjahr 2016 wirkt das Internet wie ein Schlachtfeld. Auch weil
       es in sozialen Netzwerken und rechten Filterblasen des Internet nur so
       wimmelt von Hassposts gegen Feministinnen, Schwarze, Muslime, Juden und
       Latinos. Vieles davon wird der sogenannten Alt-Right-Bewegung zugeschrieben
       – einer losen Formation von Ins-Netz-Schreibern, denen das republikanische
       Establishment bei Weitem nicht rechts genug steht. Und die versuchen, Hetze
       mit Humor zu vermählen – gern in Form von Memes, die der Pop- und
       Netzkultur entnommen sind. So machten sie etwa den Comic-Frosch Pepe, der
       seit vielen Jahren in unzähligen Iterationen durchs Netz geistert, zu ihrem
       Maskottchen. In den eigenen Reihen sieht man die Alt-Righter gern als junge
       Wilde des Rechtsaußen-Spektrums. Fast allen anderen Beobachtern gelten sie
       als Internettrolle.
       
       Das vom Teenager Poole gegründete Imageboard und die Alt-Righters mit ihren
       Verbalentgleisungen im Netz, sie hängen längst eng zusammen. 4Chan, das ist
       dieses fast schon archaische Stückchen Netz: eine Seite, so nüchtern und
       funktionsarm, als befänden wir uns noch immer in den Anfangstagen des World
       Wide Web. Moderiert wird auf 4Chan, wenn überhaupt, nur spärlich.
       
       Und Alt-Right, das ist eine Strömung, die jeder politischen Correctness mit
       Anlauf in den Hintern tritt. Die Trollarmee der Ultrakonservativen, in der
       der männliche weiße Überlegenheitsgestus die Standardeinstellung ist. Die
       Sprache und Codes der Internet-Subkultur auf Imageboards wie 4Chan kennen
       und nutzen viele von den Alt-Righters fließend.
       
       ## 4Chan, das ist rüder Humor und Anonymous-Geburtsort
       
       Zusammenfassen zu wollen, was auf 4Chan passiert, ist ähnlich sinnvoll wie
       das Geschehen auf Twitter in drei Sätzen beschreiben zu wollen. Dutzende
       von Subboards gibt es dort, Millionen, die unter dem Namen „Anonymous“
       posten. Fast alle Inhalte überleben nur wenige Stunden, maximal Tage, da
       die Anzahl der angezeigten Posts beschränkt ist.
       
       Auf 4Chan rottete sich das Hackerkollektiv Anonymous zusammen, etwa um der
       Scientology-Sekte auf der Nase herumzutanzen. 4Chan gilt aber auch als
       Ursuppe der Internetkultur. Memes wurden hier groß: wiederkehrende
       Bildmotive, die zum Running Gag werden, weil Nutzer sie mit immer neuen
       Sprüchen, in immer neuen Photoshop-Variationen veröffentlichen. Auf 4Chan
       wurden ergaunerte Nacktbilder von Prominenten wie der Schauspielerin
       Jennifer Lawrence gestreut. Bei der Gamergate-Kontroverse, einer hässlichen
       Verbalschlacht gegen Frauen in der Onlinespieleindustrie, spielte 4Chan
       eine Rolle.
       
       Von Anfang an gehörten rüde Scherze und politisch unkorrekter Humor zum
       Umgangston der 4Chan-Nutzer – egal ob über Schwarze oder Juden,
       Homosexuelle oder Frauen, ja eigentlich gegen alle Minderheiten, die einem
       überhaupt einfallen mögen.
       
       ## Am Ende ist es nicht so ernst gemeint. Oder doch.
       
       „4Chan war der Ort, wo sich ein subkultureller Sinn des Trollens
       herausgebildet hat“, sagt Whitney Phillips. Die US-Amerikanerin ist
       Assistenzprofessorin an der Mercer Universität und hat ein Buch über diese
       Trollkultur im Internet geschrieben.
       
       Der Netztroll nährt sich vom Erfolg seiner Provokation. Wen genau er dafür
       schmähen musste, ist ihm relativ egal – geht es doch vor allem ums Pöbeln.
       Darum, das Gegenüber zu schocken, die schärfstmögliche Reaktion zu
       provozieren. Den Diskurs der „Normies, wie der 4Chan-Slang abfällig den
       Mainstream nennt, zu torpedieren. Und es am Ende dann doch gar nicht so
       ernst gemeint zu haben. Oder vielleicht doch. Die Anonymität und die
       Flüchtigkeit von 4Chan hätten eine Rolle dabei gespielt, dass gerade auf
       diesem Imageboard diese Kommunikationsform florierte, meint Phillips.
       Ebenso wie die Sichtbarkeit und die Anziehungskraft der Community.“
       
       Heißt: Je mehr Aufschrei im Mainstream gegen Troll-Grenzüberschreitungen,
       desto diebischer deren Freude. Auch die Alt-Right-Bewegung spielt auf der
       Klaviatur dieser Empörungsmechanismen – und zwar so virtuos, dass sie
       plötzlich durch Hillary Clintons Reden und Wahlwerbespots geisterten – und
       ihr Meme-Maskottchen Pepe in fast jedem US-Medium erschrocken als
       Hasssymbol diskutiert wurde.
       
       ## Auf 4Chan wird mit inzwischen Gewalt experimentiert
       
       Was wiederum bedeutet: Das ist alles im Grunde gar nicht so richtig neu mit
       dem Hass und dem Trollen und der Grenzüberschreitung. Nur: Untergräbt
       Alt-Right nicht endgültig die „War halt nicht so gemeint“-Schlüpfrigkeit,
       mit der sich Trolle traditionell aus wirklichen Debatten wieder
       herausziehen? Meinen die Alt-Righter ihre Meme-Provokationen nicht gerade
       genauso – und mischen dadurch im Wahlkampf mit?
       
       Einige vielleicht. Andere vielleicht nicht. Die Trolle der
       Alt-Right-Bewegung entziehen sich klaren Klassifikationsversuchen so
       erfolgreich wie einst die Formation Anonymous: kein Zentrum, keine
       Anführer. Unklar ist deswegen, wie groß die personelle Überschneidung
       zwischen Anonymous-Leuten von 4Chan und der Alt-Right-Bewegung ist. Whitney
       Phillips ist überzeugt: Sie existieren.
       
       ## Ehemals war 4Chan ein abgeschlossener Kulturraum
       
       Der Berliner René Walter betreibt das Blog nerdcore.de. Dort beschäftigt er
       sich seit Jahren mit abseitiger Pop- und Netzkultur. Aus diesem Blog
       spricht, dass Walter Internetkultur, auch in ihren sinistren Facetten,
       vertraut und irgendwie auch lieb ist.
       
       Seine Lesart dessen, was aktuell auf 4Chan passiert: Das Imageboard
       entwickle sich zunehmend weg vom spielerischen Charakter, der vielen derben
       Späßen früher innewohnte. Heute würden viele User dort nur noch ausloten,
       wie weit sie mit ihrer Gewalttätigkeit noch gehen können. „Über die Jahre
       hinweg ist das ins Bizarre mutiert“, sagt Walter.
       
       Eine Wahrnehmung, die viele, einst durchaus geneigte Beobachter teilen.
       Während anderswo im Netz zunehmend gegen Hass angegangen wird,
       radikalisiert sich 4Chan.
       
       Warum das so ist? Walters Lesart geht so: Als 4Chan im Zusammenhang mit der
       Gamergate-Debatte anfing, stärker moderativ in die Posts einzugreifen,
       wanderten viele Anons zu Twitter und anderen Imageboards ab. Zuvor, da sei
       4Chan eine Art abgeschlossener Kulturraum gewesen. Hass in Quarantäne
       sozusagen. Doch als diese Blase platzte, habe sich alles vermischt.
       
       ## Gegenwind gibt der Alt-Right-Bewegung Auftrieb
       
       4Chan ist nicht der einzige Anlaufpunkt der Alt-Right-Bewegung:
       Trollforscherin Phillips nennt auch die Foren von Reddit und der
       ultrakonservativen Nachrichtenseite Breitbart News. Eine frisch
       veröffentlichte Studie des EU-Forschungsprojekts Encase analysierte, wie
       eng 4Chans „politically incorrect“-Board/pol/ mit der Alt-Right-Bewegung
       verwoben ist. Und fand laut einem der Studienautoren Belege dafür, dass so
       manche Hate Speech auf anderen Social-Media-Seiten auftauche, von 4Chan
       kommt.
       
       Breitbart-Redakteur Milo Yiannopoulos gilt als einer der Wortführer der
       Alt-Righter – obwohl er sich bei Gelegenheit auch mal gern von der Bewegung
       distanziert. Der homosexuelle Brite ist der wahrscheinlich berühmteste
       Internettroll der Welt – berüchtigt für seinen Antifeminismus, mit dem er
       die Gamergate-Debatte ebenso anheizte wie die Schmähkampagne gegen die
       schwarze „Ghostbusters“-Darstellerin Leslie Jones.
       
       „Die Alt-Right-Bewegung steht und fällt nicht mit Donald Trump“, sagte
       Yiannopoulos in einer Rede Mitte September. Leute wegen der schlechten
       Witze, die sie im Netz machten, zerstören zu wollen, funktioniere nicht:
       „Das wird nur noch mehr talentierte, interessante Leute zu Alt-Right
       treiben.“
       
       Ebenjener Milo Yiannopoulos war es auch, der vor einigen Wochen Interesse
       symbolisierte, 4Chan zu übernehmen. Er reagierte damit auf einen Post des
       heutigen 4Chan-Eigentümers Hiroyuki Nishimura. Darin gab er im September
       bekannt, dass 4Chan pleite sei. Änderungen seien nötig: mehr Werbung,
       weniger Uploads, Bezahlmodelle, das Übliche.
       
       ## „Man braucht 4Chan nicht als Auslaufgehege“
       
       Wie es nun mit 4Chan weitergeht, ist noch immer unklar. Von Yiannopoulos
       hört man nichts mehr dazu – gut möglich also, dass dahinter nicht mehr als
       leeres Getöse steckte. Auch um einen anderen Interessenten ist es still
       geworden.
       
       „Ich freue mich schon auf den Tag, an dem die ganze neue 2016er
       Rightwing-Bande gemeinsam mit 4Chan absäuft. Dürfte nicht mehr allzu lange
       dauern“, schrieb Nerdcore-Blogger Walter dazu.
       
       Im Grunde glaube er nicht daran, dass Leute wie Yiannopoulos tatsächlich in
       4Chan investieren, sagt er. Eher schon werde das Imageboard zurückgestutzt.
       Als eine Art Auslaufgehege für Trolle könne 4Chan auch weiter dienen.
       Walters Gedanke dahinter: Wäre es wirklich wünschenswert, viele der Trolls
       von dort künftig bei Twitter stören zu sehen?
       
       Derartige Kollisionen zwischen Trollen und Mainstream-Diskursen ist das
       Forschungsfeld von Whitney Phillips. Sie sagt allerdings: Verbaler
       Missbrauch existiere unabhängig von den Plattformen, die sie beherbergen.
       
       Weswegen ihre Antwort auf die Frage, ob man 4Chan auch künftig noch als
       Auslaufgehege für Trolle brauche, knapp ausfällt: Nein.
       
       8 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Meike Laaff
       
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