# taz.de -- Kunstinstallation hewillnotdivide.us: Einfach niedergeschrien
       
       > Internet-Trolle haben versucht, ein Netzkunstwerk zu zerstören. Es sollte
       > die Einheit der Amerikaner gegen Trump zeigen.
       
 (IMG) Bild: Wo auch immer die Installation jetzt ist, an dieser Stelle in Albuquerque ist sie nicht mehr
       
       BERLIN taz | Es war, als sei irgendwo in New York ein Loch im
       Straßenpflaster aufgebrochen und all das Hässliche und Unappetitliche, das
       im US-Wahlkampf hochkam, wäre in menschlicher Form daraus hervorgekrochen.
       Und als hätten diese Kohorten sich dann auf den Weg zum Museum of the
       Moving Image im New Yorker Stadtteil Queens gemacht. Um sich dort vor eine
       Webcam neben dem Haupteingang des Fernsehmuseums zu stellen und dem Rest
       der Welt via Internet zu zeigen, wie polarisiert und verkracht die
       amerikanische Gesellschaft heute wirklich ist.
       
       Da beweisen sich Neonazis ihrer rassische Überlegenheit dadurch, dass sie
       mit nacktem Oberkörper herumtanzen, grölen und aus einem Plastikkanister
       Milch in sich hineingießen. (Angeblich können „Arier“ Laktose besser
       verdauen als „Nichtarier“, ein weiteres Zeichen ihrer Überlegenheit.) Zwei
       alte Männer pöbeln mit unaussprechlichen Kraftausdrücken gegen Hillary
       Clinton, die Demokraten und überhaupt alle „Libertards“ (eine Kofferwort
       aus „Liberal“ und „Retard“, die sich unter rechten US-Bürgern als
       Beschimpfung für politisch Andersdenkende eingebürgert hat). Dann steht ein
       einsamer Kämpfer ganz allein um vier Uhr morgens vor der Kamera, und
       erklärt, dass aschkenasische Juden international den höchsten IQ haben,
       Afrikaner den niedrigsten.
       
       Es gibt Massenaufläufe, Gerangel, zuletzt Polizeieinsätze. Immer wieder
       Polizeieinsätze, so viele, dass das Museum of the Moving Image die Webcam
       abbauen lässt und damit vorerst eine Kunstaktion beendet, die eigentlich
       die gesamte Amtszeit von Donald Trump andauern sollte: das
       Internet-Performanceprojekt [1][„Hewillnotdivide.us“] von LaBeouf, Rönkkö &
       Turner, einer Künstlergruppe, zu der der Schauspieler Shia LaBeouf gehört.
       
       Am 20. Januar, dem Tag der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump,
       ging das Projekt online: Über einer Webcam an der Museumswand stand die
       Aufforderung, die Worte „He will not divide us“ in die Kamera zu sprechen.
       Schon am ersten Tag versammelt sich davor eine Gruppe, die die Worte wie
       einen Hare-Krishna-Gesang wiederholt. Einige nutzen die Kamera als
       Plattform zu Selbstdarstellung, rappen, wünschen den Internet-Zuschauern
       Weltfrieden – und ziehen die Aufmerksamkeit von politischen Gegner und
       Internet-Trollen auf sich.
       
       ## MAGA, Pepe, Hitlergruß
       
       Auf den Websites 4Chan und Reddit wird das Geschehen vor der Kamera
       zunächst live kommentiert, dann tauchen die ersten merkwürdigen Figuren in
       der fröhlichen Menge auf. Sie tragen Basecaps mit dem Trump-Slogan „Make
       America Great Again“, zeigen im Hintergrund den Hitlergruß, lassen die
       Hosen herunter und halten Bilder von der Troll-Ikone Pepe the Frog hoch.
       
       „This is shit-posting IRL“, bemerkte einer der Online-Kommentatoren. Und
       meinte damit, dass hier Shitposting ins reale öffentliche Leben übertragen
       würde – diese übermäßig beleidigende, oft rassistische und nur dem Zweck
       der Provokation dienende Form des Online-Kommentierens, wie Internet-Trolle
       sie praktizieren.
       
       Ein Troll ist eine Internet-Kreatur, der es Vergnügen bereitet, andere
       durch ihre Kommentare zu „triggern“ – also so lange zu provozieren, bis er
       oder sie ausrastet. Natürliches Habitat von Trollen sind alle Arten von
       Internet-Diskussionen, von den Kommentarbereichen der Online-Medien hin zu
       Debatten- und Imageboards wie Reddit und 4Chan. Letztere Seite gilt vielen
       als „Kloake des Internets“: Hier teilen Trolle anonym Ekelbilder, dumme
       Sprüche und Memes, Pornografie – alles, womit man Leute aufbringen kann.
       
       Aus diesem Kompost ging die Netz-Protestbewegung Anonymous hervor, die
       mit ihrer Mischung aus widersprüchlichen bis unverantwortlichen
       Nonsense-Statements, jugendlicher Angeberei und kryptischen popkulturellen
       Referenzen den 4Chan-Stil erstmals in die breitere Öffentlichkeit brachte.
       
       ## Trump sei im Grunde ein Troll, schreibt die Presse
       
       Was sie auch tut, alles passiert natürlich nur „for the lulz“, ist also zum
       Spaß. Es ist nicht real, sondern nur ein Spiel, das im Internet gespielt
       wird. Wenn man sich darüber aufregt, hat man das Spiel nicht verstanden
       oder ist überempfindlich. Schaltet doch einfach den Computer aus, wenn es
       euch nicht passt! Im Grunde sind die 4Chan-Trolle eine Jugendbewegung, die
       das Internet hervorgebracht hat. Unter dem Label des „schwarzen Humors“ ist
       sie auch schon auf deutschen Schulhöfen angekommen.
       
       Trolle sind immer auf der Suche nach den Themen, mit denen sie anecken
       können, und der US-Wahlkampf versorgte sie reichlich mit neuem Material:
       Rassismus, Klassen- und Genderfragen, sexuelle Gewalt und das Aufkommen
       einer neuen, netzkompatiblen extremen Rechten, der Alt-Right-Bewegung
       (kurz für „Alternative Right“).
       
       In der amerikanischen Presse ist immer wieder argumentiert worden, dass
       Donald Trump im Grunde selbst ein Troll ist. Seine Tabubrüche, sein
       Desinteresse an bis dato für selbstverständlich gehaltenen Anstandsregeln,
       seine Witze über Behinderte und sein großspurig herausgegrölter Sexismus
       erinnern tatsächlich an die Provokationsstrategien, mit denen man in der
       Aufmerksamkeitsökonomie von 4Chan auf sich aufmerksam macht.
       
       „Hewillnotdivide.us“ war das erste Mal, dass dieses neue Gesicht der
       Troll-Bewegung in großem Stil in der Öffentlichkeit auftauchte – und das
       wohl ganz im Sinne ihrer Mitglieder. Shia LaBeouf wurde erfolgreich
       „getriggert“, geriet vor der Kamera mit einem der Trolle in eine Rempelei
       und wurde von der Polizei verhaftet; das Museum ließ die Arbeit schließlich
       abbauen.
       
       ## Sternpositionen und Flugzeugrouten zur Ortung
       
       Nach einem kurzen Präsentation in Albuquerque, wo die Linse der Webcam mit
       Farbe zugesprüht wurde, verlegte man die Arbeit in eine nicht näher
       bezeichnete Gegend irgendwo in den USA ganz ohne Publikum: Die Kamera war
       auf eine Flagge gerichtet, auf der „He will not divide us“ stand.
       
       Das ließ den Internet-Trollen von 4Chan keine Ruhe, und das kollektive
       Monster, welches das Internet hier geboren hat, begann zu recherchieren.
       Anhand von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang wurde die ungefähre Position
       der Flagge bestimmt. Die wurden dann durch nächtliche Sternpositionen und
       Flugzeugrouten immer weiter eingegrenzt wurde, bis eine Gegend in Tennessee
       als Standort der Flagge identifiziert worden war.
       
       38 Stunden, nachdem die Arbeit dort installiert worden war, holten Trolle
       aus der Gegend die Flagge ein und ersetzen sie durch eine Basecap mit dem
       „Make America Great Again“-Slogan.
       
       Nach einigen Tagen Pause ist die Fahne nun wieder im Livestream auf
       hewillnotdivide.us zu sehen – nun allerdings im Exil: Die Foundation for
       Art and Creative Technology im britischen Liverpool beheimatet das Projekt
       seit Mittwoch.
       
       ## Projekt geglückt
       
       Trotzdem kann man „He will not divide us“ schon jetzt zu den
       erfolgreichsten Kunstwerken im öffentlichen Raum zählen, die es je gegeben
       hat – und das, obwohl die Arbeit gerade einmal zwei Monate alt ist. So wie
       die Busskulptur von Manaf Halbouni vor der Dresdner Frauenkirche nimmt sie
       der Gesellschaft, in der sie stattfinden, den Puls. Sie dient als
       Katalysator für Konflikte, die sonst nur über die Medien ausgetragen werden
       und lässt diese im öffentlichen Raum neu ausagieren. Kein Zeitungsbericht,
       keine TV-Reportage während des Wahlkampfs vermittelte ein vergleichbares
       Bild von der tiefen, hasserfüllten Zerrissenheit der USA.
       
       Gleichzeitig dient die Arbeit als Selbstporträt einer Internet-Generation,
       für die es offenbar keinen Unterschied mehr zwischen Medienwelt und
       Realität gibt und wo man keine Verantwortung mehr für das hat, was man tut
       oder sagt – sei es Holocaustleugnung, sei es rassistische
       Diskriminierungen. Ist ja alles nur „for the lulz“.
       
       Wahrscheinlich ohne es zu wissen haben LaBeouf, Rönkkö & Turner nebenbei
       auch der Netzkunst, die zuletzt nur noch aus öder, kunstmarktkompatibler
       „post internet art“ ohne politisches oder aktivistisches Interesse zu
       bestehen schien, neues Leben eingehaucht.
       
       „He will not divide us“ schließt direkt an Höhepunkte des Genres aus den
       1990er Jahren an. Und aktualisiert sie für eine Zeit, in der die utopischen
       Erwartungen an das Internet als herrschaftsfreier Kommunikationsraum
       ersetzt wurden durch ein Netz, in dem die lautesten und dreistesten
       Schreihälse mit Shitstorms, Hate Speech und Fake News den Ton angeben.
       Schön ist das nicht. Aber offenbar leider eine ziemlich valide Analyse des
       gegenwärtigen Status quo.
       
       24 Mar 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.hewillnotdivide.us/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tilman Baumgärtel
       
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