# taz.de -- Heimskandal in Schleswig-Holstein: Das nächste Jugendheim macht zu
       
       > Das „Therapiezentrum Rimmelsberg“ stellt den Betrieb ein. Wegen
       > strafender Pädagogik steht es in der Kritik. Hamburg schickte trotzdem
       > Kinder dorthin.
       
 (IMG) Bild: Geschäftsführer Volker Clemens und Inhaber Manuel Feldhues vor dem „Haus Seeland“
       
       HAMBURG taz | Das wegen erniedrigender Erziehungsmethoden umstrittene
       Kinderheim „Therapiezentrum Rimmelsberg“ im Kreis Schleswig-Flensburg wurde
       geschlossen. Das teilte der Hamburger Senat jetzt in der Antwort auf eine
       Anfrage der Linken mit. Ein Insolvenzverwalter habe den Betrieb am 3.
       November eingestellt. Hamburg hatte zu diesem Zeitpunkt dort noch zehn
       Kinder untergebracht. Für alle seien inzwischen Alternativen gefunden.
       
       Die Einrichtung mit acht Häusern und 61 Plätzen wurde zuletzt außer von
       Hamburg kaum noch belegt. Anfang Mai hatten die Hamburger Links-Politikerin
       Sabine Boeddinghaus und der Kieler Piraten-Abgeordnete Wolfgang Dudda
       öffentlich Vorwürfe erhoben. Anlass waren Berichte von ehemaligen
       BewohnerInnen, die sich SozialarbeiterInnen der Anlaufstelle Kids am
       Hamburger Hauptbahnhof anvertraut hatten. Von nächtlichem Wecken und
       Strafsport, einem sanktionierenden Punktesystem, einem „Losertisch mit
       Wasser und Brot“, von zu wenig Essen und ähnlichen Schikanen hatten sie
       berichtet. Betreuer sollen Kinder angeschrien und geschlagen haben. Kids
       machte daraufhin Meldung bei der Heimaufsicht.
       
       Boeddinghaus hatte damals in einer Anfrage nach Beschwerden gefragt.
       Hamburgs Senat antwortete, es habe im Dezember 2015 drei Beschwerden
       früherer BewohnerInnen gegeben. Daraufhin habe man die Situation dort
       überprüft und „inakzeptable Erziehungsmethoden festgestellt“. Etwa dass es
       dort „unfreiwilliges Joggen“ gab. Oder dass es zu „körperlichen Übergriffen
       einzelner Erzieher in Konfliktsituationen gekommen ist“. Der Träger habe
       zugesichert, die beanstandeten Maßnahmen nicht mehr einzusetzen.
       Mitarbeiter seien „sanktioniert“ worden. Deshalb sah Hamburg kein Problem,
       die Kinder dort zu lassen.
       
       In Schleswig-Holstein, wo noch immer die Affäre um die zu späte Schließung
       der Friesenhof-Mädchenheime gärt, kochte das Thema hoch: Rimmelsberg sei
       schon länger „unter Beobachtung“, man habe alles im Griff, ließ Ministerin
       Kristin Alheit (SPD) das Parlament wissen.
       
       ## Hannover zog Kinder ab
       
       Am 19. Mai lud der neue Geschäftsführer Volker Clemens die Medien zum „Tag
       der offenen Tür“ ein, präsentierte sich mit neuem Konzept – und gab Fehler
       zu. „Das kann man nicht schön reden“, sagte er zu den Vorfällen, die in der
       Vergangenheit lägen. Das Punktesystem, in dem Kinder etwa mit der
       Streichung von Heimurlaub bestraft wurden, sei gestoppt. „Die damalige
       pädagogische Leitung war überlastet und es hat keine Kontrolle gegeben“,
       versuchte Clemens eine Begründung.
       
       Es sei zu häufig „Nein“ gesagt worden, ergänzte die damals neue
       pädagogische Leiterin Christina Reddmann. Einen speziellen Loser-Tisch
       während der Mahlzeiten habe es Clemens zufolge nicht gegeben, allerdings
       hätten manche Kinder umgesetzt werden müssen, weil sie mit Essen geworfen
       hätten. Andere Vorwürfe wie Strafsport oder nächtliche, quasi-militärische
       Appelle bestätigte das Jugendheim nicht, konnte sie aber auch nicht
       ausschließen.
       
       Doch schon im Mai waren nur 41 der 61 Plätze belegt. Das Jugendamt Hannover
       etwa hatte sechs Jugendliche wegen der Vorwürfe abgezogen. Die
       wirtschaftliche Lage sei ein Problem, räumte Inhaber Manuel Feldhues ein.
       Er habe „einen Scherbenhaufen vorgefunden“, als er 2012 das in den
       1980er-Jahren von seiner Mutter gegründete Heim übernahm. Ins Detail ging
       er nicht. Doch als der Spiegel kurz darauf über einen fehlenden
       „Liquiditätsnachweis“ berichtete, wehrte sich das Heim mit einer
       „Gegendarstellung“ auf seiner Homepage: Der Nachweis sei im laufenden
       Betrieb nicht erforderlich. Auch lasteten auf dem Unternehmen nicht zwei
       Millionen Euro Schulden, den keine Vermögenswerte gegenüberstünden.
       
       ## Hamburg tat so, als wäre nichts
       
       Dennoch, Mitte August kam das Insolvenzverfahren. Er sehe Möglichkeiten,
       den Betrieb zu sanieren, sagt der Insolvenzverwalter Sven-Holger Undritz,
       mit neuem pädagogischen Konzept und gegebenenfalls neuer Struktur und
       Trägerschaft. Doch daraus wurde nichts.
       
       Während andere Länder die Kinder abzogen, taten Hamburgs Jugendämter fast
       so, als wäre nichts. Obwohl der Heimaufsicht schon im Januar die Kritik
       bekannt war, kamen bis Ende Oktober vier neue Jugendliche in das Heim. Bis
       zum Schluss waren dort zehn Hamburger Kinder. Und es gab, auch das belegt
       die neue Boeddinghaus-Anfrage, in dieser Zeit vier weitere Beschwerden.
       
       Die Abgeordnete wirft Hamburgs Behörden vor, sich zu wenig zu kümmern. Von
       den 23 jungen Menschen, die im Laufe dieses Jahres in Rimmelsberg waren,
       wurden 18 kein einziges Mal vom Jugendamt besucht. Das sei, so
       Boeddingshaus, nach den detaillierten Vorwürfen „einfach unglaublich“.
       
       22 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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