# taz.de -- Ein Brief an die neue CDU-Chefin: „Das sollten Sie ändern, Frau Grütters!“
       
       > Die CDU hat nicht mal eine Gruppe, wo Behinderte mitmachen können. Aber
       > jetzt kriegt die Partei eine neue Chefin. Und die hat unserem Autor etwas
       > versprochen.
       
 (IMG) Bild: Auf die neue CDU-Chefin Monika Grütters kommt viel Arbeit zu, etwa in der Behindertenpolitik
       
       Sehr geehrte Frau Grütters,
       
       vielleicht erinnern Sie sich an mich? Wir haben uns mal geschrieben, vor
       drei Jahren war das. Ich habe Sie um zwei Sachen gebeten: dass Sie sich
       darum kümmern, dass endlich ein Vertreter der Behinderten in den
       RBB-Rundfunkrat geschickt wird, und dass Sie sich dafür einsetzen, dass in
       der CDU Berlin eine Gruppe für Menschen mit Behinderung gegründet wird. Bei
       der SPD in Berlin gibt es so was auch und auch in der CDU in
       Nordrhein-Westfalen. Das ist wichtig, damit die CDU eine bessere Politik
       für Behinderte macht. Dann würden sich bestimmt auch mehr Behinderte in der
       CDU engagieren. Ich würde dann vielleicht auch reingehen in die CDU und das
       mit unterstützen.
       
       Sie haben mir damals geantwortet, dass Sie sich für meine Idee mit der
       CDU-Gruppe einsetzen wollen – aber dann habe ich nichts mehr von Ihnen
       gehört.
       
       Jetzt werden Sie Chefin der Berliner CDU, und darum schreibe ich Ihnen
       heute noch mal, um Sie an Ihr Versprechen zu erinnern. Ich wünsche mir,
       dass sich in der CDU was verändert und mehr Behindertenpolitik gemacht
       wird. Früher gab es ja den Hubert Hüppe von der CDU, der war
       Behindertenbeauftragter der Bundesregierung und hat viel gemacht. Aber der
       war Ihrer Partei zu kritisch. Es gab hier in Berlin auch mal einen
       CDU-Sprecher für Behindertenpolitik, aber von dem hat man nie viel gehört.
       Bei der Bundestagswahl gab es das Wahlprogramm in leichter Sprache, das war
       gut. Aber bei der Abgeordnetenhauswahl gab es das nicht.
       
       Bei den anderen Parteien ist es leider nicht besser, Linke und Grüne haben
       auch keine Gruppe für Behinderte. Nur die SPD hat so eine Gruppe, die ist
       sogar sehr groß, die Jusos machen mit, Nichtparteimitglieder können auch
       mitmachen. Ich bin da manchmal auch. Die Gruppe bringt auch mal Anträge ein
       auf Parteitagen, einmal zum Beispiel gab es einen, dass ein Vertreter der
       Behinderten in den Rundfunkrat soll. Aber der Antrag wurde weiterverwiesen,
       in einen Ausschuss oder so.
       
       Wenn Sie jetzt Chefin werden, könnten Sie doch was verändern und was für
       uns Behinderte machen! Wichtig ist zum Beispiel das mit den Assistenten. Da
       bestimmt das Amt, wie viele Stunden Assistenz ein Behinderter bekommt. Aber
       das sollte derjenige selber sagen zusammen mit seiner Betreuerin. Und jetzt
       wird da auch noch Geld gespart. Aber dann können die Behinderten weniger
       teilhaben, zum Beispiel weniger zu Kulturveranstaltungen gehen. Das wäre
       nicht so toll. Da wünsche ich mir, dass Sie etwas gegen machen.
       
       Dann kosten manche Kulturveranstaltungen auch zu viel Geld. Wenn ich mit
       einem Betreuer unterwegs bin, kriege ich manchmal Ermäßigung und manchmal
       nicht. Wenn das zu teuer ist, können wir da nicht hingehen. Und einmal
       wollte ich zu einer Veranstaltung, da gab’s Probleme wegen der Treppe, das
       war zu hoch, da bekam ich Höhenangst und konnte darum nicht teilnehmen.
       
       Bei den Bussen ist blöd, dass der Busfahrer immer aufstehen muss, wenn ein
       Rollstuhlfahrer kommt, und die Klappe aufmachen. Dann ist er genervt und
       die Leute, die vorne einsteigen wollen, die sind auch sauer. Früher gab es
       eine elektrische Rampe, aber die war dauernd kaputt, weil das auch mit den
       Bürgersteigen immer so blöd war oder wenn Schnee lag. Da hat dann der
       Behindertenbeauftragte einen Brief geschrieben an den Senat, dass das nicht
       in Ordnung ist, weil die immer kaputt waren. Da hat man den
       Behindertenbeauftragten gleich zurückgepfiffen, was das soll, dass er sich
       beschwert. Aber die Rampe war besser.
       
       Blöd ist auch das mit dem Behindertenbeirat in Kreuzberg. Da saß einer drin
       von der CDU, der hat überhaupt nichts gemacht, ist sogar nie hingekommen.
       In den Kulturausschuss ist er immer hingekommen, aber am Behindertenbeirat
       hatte er keine Interesse. Da hätte die CDU doch jemand anderen hinschicken
       können, der Interesse zeigt. Das sollten Sie ändern, Frau Grütters!
       
       Es gibt auch Leute, die sind unzufrieden mit ihrer Arbeit in der
       Behindertenwerkstatt. Die kriegen da total wenig Geld! Ich bin dafür, die
       Leute sollten selber entscheiden, ob sie Mindestlohn wollen. Oder einfach
       so viel verdienen, wie sie brauchen.
       
       Ganz wichtig für mich ist der RBB-Rundfunkrat, dass da ein
       Behindertenvertreter reinkommt. Aber der muss auch ernst genommen werden,
       nicht nur als Schaufenster dasitzen. Der könnte sich dafür einsetzen, dass
       es eine Sendung mit Gebärdensprache gibt wie bei Alex TV. Die gucke ich mir
       manchmal an. Oder eine Fernsehsendung, wo auch Gäste mit Behinderung
       eingeladen werden wie der Krauthausen [Raul Krauthausen ist
       Behinderten-Aktivist aus Berlin, Anmerkung der Schreibassistenz]. Jetzt
       kommt beim RBB immer das Gleiche, zum Beispiel montags der „Tatort“ vom
       Sonntag. Das Geld könnte man nehmen für was Wichtiges, eine Sendung, wo
       Behinderte vorkommen mit ihren Themen und ihrer Kritik. Manche kriegen ja
       gar nicht mit, was das ist mit der Teilhabe.
       
       Und dann müssen Sie neue Leute aufstellen, Frau Grütters. Sie können nicht
       mit denselben Leuten weitermachen. Zum Beispiel in der CDU-Pressestelle im
       Abgeordnetenhaus, die sind total unfreundlich. Die haben mich immer
       weggeschickt, wenn ich was wissen wollte. So kann man mit den Leuten nicht
       umgehen.
       
       Viele Grüße,
       
       Ihr Christian Specht
       
       1 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Specht
       
       ## TAGS
       
 (DIR) CDU Berlin
 (DIR) Behindertenpolitik
 (DIR) Mindestlohn
 (DIR) Inklusion
 (DIR) Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
 (DIR) CDU-Parteitag
 (DIR) Grimms Märchen
 (DIR) Berliner Szenen
 (DIR) Rollstuhlfahrer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Arbeitsbedingungen für Behinderte: Ausgenutzt statt ausgebildet
       
       Werkstätten sollen Menschen mit Behinderung fit für den Arbeitsmarkt
       machen. Was sie eigentlich machen, weiß keiner, wie die Regierung zugibt.
       
 (DIR) Vorstandswahl bei der Lebenshilfe: Auf dem Weg an die Spitze
       
       Für Träger der Behindertenhilfe ist Inklusion Programm. Doch in ihren
       Leitungsgremien sitzen kaum Menschen mit Beeinträchtigung. Das könnte sich
       jetzt ändern.
       
 (DIR) Die Wochenvorschau für Berlin: Alles hochsymbolisch
       
       Fabrikhalle, Schloss oder Hotel: Für ihre Parteitage wählen die Parteien
       mitunter sehr eigenwillige Locations. Diese Woche tagen die Linke und die
       SPD.
       
 (DIR) Parteitag der CDU: Ausfall im Maschinenhaus
       
       Die CDU macht Kulturstaatsministerin Monika Grütters zwar zur Parteichefin
       – lässt dann aber ihren Wunsch- Generalsekretär nur knapp durchkommen.
       
 (DIR) Serie „Wie es sein könnte“ (4): Das Gefühl, Mama zu sein
       
       Blicke, Barrieren, vorschnelle Schlüsse: Auf manches könnten Menschen mit
       Behinderung gut verzichten. Auf eigene Kinder sicher nicht.
       
 (DIR) Serie „Wie es sein könnte“ (3): Der richtige Ton
       
       Blicke, Barrieren, vorschnelle Schlüsse: Auf manches könnten Menschen mit
       Behinderung gut verzichten. Auf Assistenz allerdings nicht.
       
 (DIR) Toleranz in Märchen: Nur wenige werden „erlöst“
       
       Däumling, der Bucklige, das Mädchen ohne Hände: In Märchen sind behinderte
       Figuren oft Sympathieträger. Das Ziel: die Akzeptanz des Andersseins.
       
 (DIR) Berliner Szenen: Alle starren uns an
       
       „Ach, die Arme!“ Was unser Autor erlebt, als er mit seiner geistig
       behinderten Schwester in die Straßenbahn steigt.
       
 (DIR) Kommentar Teilhabegesetz: Kein Paradigmenwechsel
       
       Das Bundesteilhabegesetz ist nur ein Reförmchen der bisherigen
       Gesetzgebung. Und ein Rückschritt in Sachen Inklusion und Teilhabe.
       
 (DIR) Praxistest: Nüchtern betrachtet
       
       Es könnte so schön sein. Der Weihnachtsmarkt als Hort der Glückseligkeit.
       Aber gilt das auch für RollstuhlfahrerInnen?
       
 (DIR) Gesetz für Menschen mit Behinderung: Willkür statt Selbstbestimmung
       
       Wenig Verbesserungen, mehr Unsicherheit: Das bedeutet das neue
       Bundesteilhabegesetz für diejenigen, die es betrifft. Die Einzelheiten im
       Überblick.